Söder wirbt für Sputnik
Ministerpräsidenten fordern Zulassung des russischen Impfstoffs
- Die Zahl der Neuinfektionen steigt und die Impfkampagne läuft immer noch schleppend. Daher wird derzeit rege um Schwellenwerte und Impfstoffbeschaffung diskutiert. Zum Vakzin von Astra-Zeneca gibt es eine Entscheidung – ab dem heutigen Freitag soll damit wieder geimpft werden.
Neue Hirnthrombosen nach Astra-Zeneca:
Inzwischen wurden hierzulande 13 Fälle der seltenen Sinus- und Hirnvenenthrombosen, die einen Verschluss von Venen im Gehirn durch Blutgerinnsel bedeuten, nach einer Impfung mit Astra-Zeneca gemeldet. Zunächst war von sieben Fällen die Rede gewesen. Es handele es sich um zwölf Frauen und einen Mann zwischen 20 und 63 Jahren, teilte das Gesundheitsministerium mit. Drei Patienten seien gestorben. Bisher haben laut Robert-Koch-Institut (RKI) 1,78 Millionen Menschen die erste Dosis Astra-Zeneca erhalten, 257 auch die zweite Dosis.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hält an dem Vakzin fest. Der Nutzen überwiege die Risiken, die Thrombosen seien sehr selten. Hinweise darauf, dass die Impfungen die Vorfälle verursacht hätten, hat die EMA nicht gefunden. Ausgeschlossen sei dies zwar auch nicht. Aber EMA-Chefin Emer Cooke ist davon überzeugt, dass der Impfstoff folgende Voraussetzungen erfüllt: Er sei sicher. Er sei wirksam gegen Covid-19. Und deshalb überwögen die Vorteile bei Weitem die Risiken. Der Impfstoff soll mit einer Warnung versehen werden. Demnach soll er in möglichen seltenen Fällen Thrombosen verursachen können. Gleichzeitig sieht die EMA aber keine erhöhten Gesundheitsgefahren. Die Fortsetzung der Impfungen wird empfohlen. In Deutschland hatten Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), das PaulEhrlich-Institut (PEI), die Ständige Impfkommission und die Gesundheitsminister der Länder auf das Votum aus Amsterdam gewartet. Spahn kündigte am Donnerstagabend an, die Impfungen mit Astra-Zeneca wieder zu genehmigen.
Werben für Sputnik V: Angesichts der wiederholten Probleme mit Astra-Zeneca werden die Rufe lauter, das russische Vakzin Sputnik V einzusetzen. Mehrere Ministerpräsidenten, darunter Markus Söder (Bayern/CSU), Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern/SPD), und Michael Müller (Berlin/SPD), machen sich für eine rasche Zulassung stark. Söder verwies darauf, dass Sputnik V nach allen Gutachten ein guter Impfstoff sei. „Zum Teil ein besserer als bereits zugelassene.“Daher sei es nun nicht angezeigt, bei der Prüfung des Vakzins „im klassischen bürokratischen Klein-Klein-Verfahren alles abzuarbeiten“.
Streit um die Inzidenz 100:
Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der binnen einer Woche gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner, sollte laut jüngster Ministerpräsidentenkonferenz beim Überschreiten der 100 zu einer „Notbremse“führen, also das Ende der Lockerungen bedeuten. Die Kritik daran aber nimmt deutlich zu. So haben sich die Kommunen und Landkreise gegen eine Fokussierung auf Neuinfektionszahlen ausgesprochen. „Der reine Inzidenzwert sollte nicht die alleinige Maßzahl für unseren Umgang mit der Pandemie sein“, sagte Landkreistags-Präsident Reinhard Sager der „Schwäbischen Zeitung“. Außer den Neuinfektionen sollte auch noch die Auslastung der Intensivkapazitäten, der Impffortschritt und die Reproduktionszahl mitberücksichtigt werden. Über Öffnungen oder Schließungen sollte am besten vor Ort entschieden werden.
Ähnlich äußerte sich der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Der Inzidenzwert sei zwar wichtig, daneben sollten aber auch andere Gesichtspunkte gewichtet werden, so Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.
Innenminister Horst Seehofer (CSU) plädierte für „einfachere Regeln“, weil vieles recht kompliziert „und nicht immer logisch“sei. Er schlägt deshalb vor, ab einer Inzidenz von 50 solle nur noch ein Kunde pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche erlaubt sein – egal, ob Supermarkt oder sonstiger Einzelhandel. „Eine Regel für eine Inzidenz von über 100 bräuchten wir dann nicht mehr.“
In der FDP hat der Inzidenzwert nicht viele Freunde. Die Zahl der Sterbefälle gehe zurück, die Testhäufigkeit beeinflusse außerdem die Menge entdeckter Neuinfektionen, weswegen man „andere Parameter für die Beschreibung des Pandemiegeschehens“benötige, so Parteichef Christian Lindner.
Dagegen betonte der grüne Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen, „als Arzt warne ich davor, den Inzidenzwert zu ignorieren“. Das sei einer von mehreren Faktoren für eine realistische Lageeinschätzung und zeige die Anzahl an Neuerkrankungen. „Insbesondere bei dem mutierten Virus kann jede Neuerkrankung zu einem schweren Verlauf oder sogar dem Tod führen.“