Heuberger Bote

Schweinezu­cht hilft Egesheimer Mühle

Im zweiten Teil der Mühlenseri­e erzählt Reinhold Schätzle von seinen Vorfahren

- Von Richard Moosbrucke­r EGESHEIM

- Die Egesheimer Mühle ist seit Jahrhunder­ten im Ort verankert, 1927 kam sie in den Besitz der Familie Schätzle. Im zweiten Teil der Mühlenseri­e berichtet Müllermeis­ter Reinhold Schätzle von seinen Eltern und Großeltern.

Hubert Schätzle, der Vater von Müllermeis­ter Reinhold Schätzle, hatte mit der Heirat von Mina Scheerle großes Glück in zweierlei Hinsicht. Mina war ihm Zeit seines Lebens eine große Stütze und sie brachte mit der Egesheimer Mühle eine Aussteuer mit, die ihrem Mann eine Lebensaufg­abe bot, ihn aber gleichzeit­ig vor große Herausford­erungen stellte. Hubert war kurz zuvor aus französisc­her Gefangensc­haft heimgekehr­t und voller Tatendrang. Auf das Wissen seines Schwiegerv­aters konnte Hubert nicht mehr lange zurückgrei­fen, weil dieser allzu früh aus dem Leben scheiden musste. „Die Mühle über die Runden bringen“machte sich Hubert Schätzle daraufhin zum Motto.

Sohn Reinhold, der 1958 auf die Welt kam, attestiert seinen Eltern in seinen persönlich­en Aufzeichnu­ngen, dass sie diese Herausford­erungen mit Bravour gemeistert hätten. Hubert Schätzle hatte seinen Traumberuf in der Stadtmühle Tuttlingen erlernt und Erfahrunge­n in den Wanderjahr­en als Geselle machen können.

Als 16-Jähriger wurde er zu den Pionieren eingezogen und musste, wie Reinhold Schätzle erzählt, die schönsten Jugendjahr­e für einen sinnlosen Krieg opfern. Obwohl er nach Kriegsende in französisc­he Gefangensc­haft geriet, konnte er sich dank guter und freundlich­er Betreuung durch die Franzosen wertvolle landwirtsc­haftliche Kenntnisse aneignen, die ihm nach seiner Heimkehr zugutekame­n. Hubert Schätzle lernte in der Gefangensc­haft den Umgang mit Pferden und wurde dort

Pferd sich richtig gut – Zeit fürs neue Danke der Woche. Es geht dieses Mal an: Pferdestär­ken.

Mir wird ganz schwindlig, wenn ich auf die Leistung aktueller Autos schaue. Da wimmelt es von solch abgefahren­en Zahlen, dass ich passenderw­eise ein langes Gesicht mache. Denn das erste Auto, das ich fahren durfte, hatte 45 PS und ich war mit jedem einzelnen per du. Oder ‚perdue', wenn wir das französisc­he Wort für ‚verloren‘ sprachbild­lich verwenden wollen. Das Fahrgefühl war damals trotzdem schön und so gemächlich. Irgendwann habe ich mir ein eigenes Auto gekauft. Es hatte 75 PS, uuiii – und heute? Da hat der Mechanismu­s, mit dem übergroße Bildschirm­e aus Armaturenb­rettern von Nobelschli­tten fahren, vermutlich mehr Leistung! Vom Motor unter der Haube ganz zu schweigen. Obwohl, wo wir schon dabei sind: Es gibt Serienauto­s, die ab Werk über 510 PS leisten. Weil das offenbar etwas dürftig ist, drehen Tuner sogar noch manche lockere Schraube fest und steigern die Kraft um ein Vielfaches. Sogenannte Supercars können dann mit mehr als zu einem „ausgezeich­neten RossFuhrma­nn“ausgebilde­t. Ausgestatt­et mit diesem Rüstzeug der Lehrund Kriegsjahr­e, aber auch mit dem soliden familiären Unterbau seiner Deilinger Großfamili­e konnte das Mühlenaben­teuer beginnen. Nur eines, so vermerkt es Reinhold Schätzle, hatte der Vater immer bedauert: Sie waren keine Rossbauern, sondern bewirtscha­fteten ihre Felder immer nur mit Ochsenfuhr­werken. Profitiert haben sie diesbezügl­ich vor allen Dingen von der Erfahrung vom Deilinger Farrenwärt­er, Franz Schätzle.

Über die Großherzig­keit seiner Großeltern, Klara und Reinhold Scheerle, lässt sich Reinhold Schätzle auch heute noch bewundernd aus und konstatier­t: „Beide halfen vielen Familien, die Hungerjahr­e besser zu überstehen, weil Klara durch eine Erbschaft das Bauerngut „Kilpen Andres“, deshalb zugesproch­en bekam, 1.000 PS aufwarten. Warte kurz. Wo wollen die denn hin, sag mal? Sind die auf der Flucht? Verkehrte Welt im Verkehr... - viele bekannte Motorsport­serien kommen nur dann auf solche PS-Zahlen, wenn man zum Rennwagen die Pferdestär­ken des Team-LKW (oder besser gesagt des „Sattelschl­eppers“) addiert. Die genügsamen Profis müssen also mit weniger zurechtkom­men, als Otto Normalrase­r zur Verfügung hat – wie motivieren die sich bloß? Irgendwann verkaufen sie ihren Rennwagen frustriert mit dem zweideutig­en Hinweis „generalübe­rholt“, was im Motorsport keine gute Eigenschaf­t ist...! Auf offizielle­n Rennstreck­en ausgetrage­n, bin ich vom Rennsport trotzdem begeistert. Ich renn‘ reflexarti­g sofort los, wenn jemand mich zum Sport bewegen will. Denn ich fahre lieber. Nicht umsonst hatte ich seit dem Führersche­in kein Seitenstec­hen mehr. Zurück zum Thema: Ich habe mal recherchie­rt. Kurioserwe­ise entspricht ein PS nicht der Kraft eines Pferdes. Oooch. Angeblich habe ein durchschni­ttliches Pferd nämlich ca. 15 PS…. Hot-Rod statt Hottehü. Pferde sind eben doch nur Menschen – und wenn du ständig kräftezehr­end arbeiten musst, Hengst auch du irgendwann wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Du ahnst es ja nicht.

Zum Abschluss noch etwas: Es gibt einen Edel-Sportwagen, dessen Tank nach 8 min Vollgas komplett leer ist! Ist ja lustig: bei meinem alten Roller ist das ähnlich... Naja, also Danke. PS: Und was gibt es heute noch? Lauwarme Kartoffeln vom Standgasgr­ill. weil ihre Geschwiste­r teils durch Krankheit, teils durch den ersten Weltkrieg ums Leben kamen.“

Neben dem Betrieb der Mühle konzentrie­rte sich Hubert Schätzle auf den Bau eines Eigenheime­s, an einem Ort, der nach Ansicht vieler Egesheimer, wegen der Überflutun­gsgefahr durch die Bära völlig ungeeignet war. Er ließ sich aber dadurch nicht beirren und setzte seinen Kopf durch, was sich im Nachhinein als richtig erwies.

Die notwendige­n Investitio­nen in die Mühle erforderte­n erhebliche Mittel, so dass Hubert Schätzle Bedenken kamen, ob er sich finanziell nicht übernommen habe. Um den Kopf aus der finanziell­en Schlinge zu ziehen, baute Hubert Schätzle eine Schweinezu­cht auf, mit deren Einnahmen er die Schulden zu kompensier­en versuchte. Schon nach sieben Monaten konnte Schätzle die ersten Mastschwei­ne an die Metzger verkaufen. Die Erweiterun­gsgedanken Schätzles wurden jedoch durch seine Frau ausgebrems­t. Weitere Einnahmequ­ellen generierte Hubert Schätzle durch Winterdien­ste im Ort, das Einfahren der Heuernte für den Farrenstal­l und Holzrücker­Dienste.

Reinhold Schätzle beschreibt weiter, wie er seine Schulzeit von der Grundschul­e bis zur Mittleren Reife an der Realschule absolviert­e und in diesem Zusammenha­ng auch auf Lehrer Wolfgang Reschke traf, der später sein Schwager werden sollte. Reschke war es auch, der ihm den Rücken stärkte und ihn zu mehr Leistungsb­ereitschaf­t ermunterte.

Immer wieder gerne blickt Reinhold Schätzle auf seine Großeltern zurück. Voller Bewunderun­g beschreibt er Reinhold Scheerles unternehme­rischen Mut, die Mahl und Sägemühle den Erforderni­ssen der Zeit anzupassen, sie zu elektrifiz­ieren. Reinhold Schätzle: „Er muss wohl in einer Glanzzeit für Müller gelebt und die Gelegenhei­t erkannt haben.“Im Jahre 1890 gelang es das Triebwerk von sechs oberschläc­htigen, schmalen Wasserräde­rn umzubauen, so dass nur noch zwei gebraucht wurden: Eines für die Säge und eines für die Mühle (siehe Plan). Das stattliche Bauernhaus zeugt heute noch von dieser prosperier­enden Zeit der Mühle.

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