Lockdown soll bis April verlängert werden
Merkel trifft sich mit Ministerpräsidenten – Bürger lehnen Verschärfungen mehrheitlich ab
(dpa) - Unter dem Druck immer höherer Corona-Infektionszahlen schwinden die Hoffnungen auf größere weitere Öffnungen zur Osterzeit. Vor den Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten an diesem Montag warnten Politiker und Mediziner vor einer Zuspitzung der Lage. In diesem Zusammenhang rückt die vereinbarte Notbremse in den Blick – also eine Rückkehr zu wieder schärferen Beschränkungen, wenn sich in Regionen zu viele Menschen anstecken. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Baden-Württemberg hat den Wert von 100 bereits überschritten. Die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche lag am Sonntag bei 103,1, wie das Landesgesundheitsamt mitteilte. Damit ist nun landesweit der Wert überschritten, ab dem in den Landkreisen die Notbremse greift.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagte, mit der Notbremse gebe es ein wirksames Instrument. „Die muss überall in Deutschland gleich und konsequent angewendet werden“, sagte der CSU-Chef der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Bei nächsten Schritten gelte es zudem, das Infektionsgeschehen in zwei Wochen vorzuempfinden und nicht nur das jetzige Niveau anzunehmen. Auch SPD-Chefin Saskia Esken mahnte: „Solange Testen und Impfen nicht greifen, müssen wir die geplanten Öffnungen verschieben und noch mal einen Schritt zurückgehen in den Lockdown.“
Die Verschärfungen stoßen laut einer Umfrage jedoch auf mehrheitliche Ablehnung. Für eine erneute Ausweitung von Kontakt-Einschränkungen sprachen sich nur 30 Prozent der Befragten aus, wie die Erhebung des Instituts YouGov ergab. Dagegen sind 23 Prozent fürs Beibehalten der aktuellen Maßnahmen, 22 Prozent für Lockerungen. 15 Prozent sind für ein Ende aller Einschränkungen. Laut einem Entwurf der SPD-regierten Länder sollen die vorerst bis 28. März geltenden generellen Lockdown-Regelungen bis in den April hinein verlängert werden.
Auch Corona-Ansteckungen in Kitas und Schulen sorgen wieder für Diskussionen. Nach dem Willen der Kultusminister sollen Schulen so lange wie möglich offengehalten werden, teils gibt es darüber aber Streit.
STUTTGART (lsw) - Der Südwesten steht aus Sicht des Landesgesundheitsamts aufgrund der Ausbreitung der Varianten des Coronavirus vor einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen. Die Zahl der Infektionen steige deutlich an und dieser Trend werde sich fortsetzen, sagte der Leiter des Referats Gesundheitsschutz und Epidemiologie beim Landesgesundheitsamt (LGA), Stefan Brockmann, der Deutschen Presse-Agentur.
„Wir sehen bereits seit vier bis fünf Wochen einen Anstieg der Fallzahlen in Baden-Württemberg“, erklärte Brockmann. „Zu Beginn war der Anstieg noch moderat, doch nun steigen die Zahlen deutlich an mit ungefähr 2000 Neuinfektionen an einem Tag.“Er erkenne keine Hinweise darauf, dass sich die Infektionslage entspannen würde. Der Anteil der Virusvarianten an allen Infektionen im Südwesten beträgt laut Daten des LGA mittlerweile rund 70 Prozent.
Zurückzuführen sei dieser Anstieg klar auf die Virusvarianten. Die Übertragungen mit den bisherigen Varianten des Virus stagnieren den Angaben nach oder gehen zurück. „Die Infektionen mit den neuen Virusvarianten steigen dagegen stark an“, so Brockmann.
Zugleich beobachtet der Pandemie-Experte des LGA einen starken Zuwachs der Infektionen bei Kindern und Jugendlichen. Deren Anteil habe zuletzt deutlich zugenommen und liege nun bei etwa 20 Prozent aller Infektionen. Dies sei auf die Öffnung von Kitas und Schulen zurückzuführen, sagte Brockmann.
Diese Entwicklung ist für den Mediziner nicht überraschend. „Wenn wir Kitas und Schulen öffnen, müssen wir auch höhere Infektionszahlen in Kauf nehmen.“Auf Entschluss der Landesregierung waren zahlreiche Schüler zum 22. Februar wieder an die Schulen im Land zurückgekehrt, zunächst nur im Wechselunterricht. Seit vergangenem Montag sind Fünftund Sechstklässler wieder im Präsenzunterricht, Grundschulen gingen zum Regelbetrieb über. In Kitas und Kindergärten war dies bereits seit Ende Februar der Fall.
Es gebe jedoch auch Erfolge zu verzeichnen, sagte Brockmann. In der Gruppe der Menschen über 70 Jahren seien die Fallzahlen fallend oder stagnierend. Insbesondere bei den Älteren sei dies ein Effekt der Impfungen. „Über 80 Prozent der Pflegeheimbewohner sind geimpft“, sagte Brockmann. Mit Blick auf die Ausbreitung der ansteckenderen Virusvarianten gibt der Gesundheitsexperte zu bedenken: „Wir werden mit den Maßnahmen auskommen müssen, die wir haben.“Andere Länder wie etwa Großbritannien oder Irland hätten aber gezeigt, dass man mit den vorhandenen Maßnahmen auch den Anstieg
der Fallzahlen trotz besorgniserregender Virusvarianten zumindest stoppen könne.
Einen ausgewogenen Weg im Streit um Lockerungen und zugleich wirksame Maßnahmen zu finden, ist aus Brockmanns Sicht eine schwierige Abwägung. „Für eine Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 50 hätte es wenig Akzeptanz gegeben“, ist der Mediziner überzeugt.
Seine Empfehlung an die Landesregierung sei: „Impfen, impfen, impfen.“Die Impfungen müssten zudem künftig noch mehr in die Fläche kommen. Damit verbunden sei für ihn ein klares Ziel. „Sobald ein Drittel der Menschen geimpft ist, sollte sich das auf die Übertragbarkeit der neuen Virusvarianten in der gesamten Gesellschaft so auswirken, dass wir die Fallzahlen konstant halten könnten“, sagte Brockmann. Es sei möglich, dieses Ziel noch im Frühjahr zu erreichen.
Die Politik setzt bei den Lockerungen und Schulöffnungen vor allem auf die massive Ausweitung von Schnellund Selbsttests. „Wie viel wirklich viel hilft, müssen wir erst noch sehen“, bewertet das Brockmann. Grundsätzlich sei es besser, zielgerichtet zu testen. Zudem beklagt der Pandemie-Experte des LGA, dass negative Schnelltestergebnisse beim Meldewesen zumeist außen vor seien. Ebenso wie de facto die Selbsttests, so Brockmann. Dabei würden die Daten zu allen Schnelltestergebnissen helfen, den Effekt der Schnelltests besser einschätzen zu können.