Ganze 27 Minuten gegen den Frust
Chelseas Timo Werner ist zum Start des EM-Jahres aus Löws Offensivreihe gerutscht
DÜSSELDORF (dpa/SID) – Blöd gelaufen. Beim Start ins EM-Jahr hatte sich Turbostürmer Timo Werner sehr viel mehr als eine kleine Nebenrolle in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ausgemalt. 13 Minuten gegen Island, 14 Minuten in Rumänien – mehr Einsatzzeit gewährte Joachim Löw seinem erfahrensten Angreifer im aktuellen DFB-Kader nicht. Und auch vor dem dritten WM-Qualifikationsspiel an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/RTL) in Duisburg gegen Nordmazedonien mochte der Bundestrainer sich nicht festlegen, ob er Werner diesmal von Anfang an in seiner Besetzungsliste vorgesehen hat. „Da habe ich noch keine Entscheidung getroffen“, beschied Löw am Dienstag vor dem Abschlusstraining.
Der 25-jährige Werner musste zweimal zusehen, wie das BayernDuo Serge Gnabry und Leroy Sané zusammen mit seinem Chelsea-Kollegen Kai Havertz die Offensivreihe besetzte – und das auch noch erfolgreich. Werner ist erst mal Joker, auch wenn Löw bemüht war, der Personalie ein wenig Brisanz zu nehmen. „Timo wird seine Chance logischerweise wieder bekommen“, versicherte der Bundestrainer. Nach dem 3:0 über Island wollte der 61-Jährige sein Siegerteam gegen Rumänien nicht verändern. „Timo war aber auch in meinen Überlegungen“, sagte Löw nach dem 1:0 am Sonntagabend. Zwei Tage später kündigte er an, auch gegen Nordmazedonien „größtenteils wieder so zu beginnen“.
Zweieinhalb Monate vor dem Ernstfall Europameisterschaft ist Werner also nicht mehr Stammkraft wie im bisherigen Verlauf der Saison, in der er mit vier Toren erfolgreichster Schütze vor Gnabry (drei) ist. Mit jeweils 15 Länderspieltreffern sind beide auch die Topschützen im aktuellen DFB-Kader.
Für Löw besteht eine Mannschaft grundsätzlich aus mehr als den elf
Spielern, die beim Anpfiff beginnen. Und auch seine grundsätzliche Wertschätzung für Werner hat sich nicht geändert. „Timo ist ein brandgefährlicher Spieler, der eine unglaubliche Schnelligkeit hat. Er hat bei uns auch sehr viele Tore geschossen. Auch wenn er zweimal nicht von Anfang an gespielt hat, weiß ich, was der Timo kann. Mit Timo bin ich sehr zufrieden.“
Nach seinem Wechsel für 53 Millionen Euro von RB Leipzig zum FC Chelsea durchlebt Werner gerade eine neue Phase in seiner Karriere. Er muss sich in einer neuen Liga behaupten und in einem neuen Land einleben. Fünf Tore nach 28 PremierLeague-Partien sind keine gute Quote für einen, der im Leipziger Trikot ein Torgarant war. „Es ist sein erstes Jahr in der Premier League“, gab Löw zu bedenken. Er findet: „Der Timo hat das kleine Tief bei Chelsea überwunden.“Werner sagte unlängst, er fühle sich in London „fast schon heimisch“.
Schwächephasen sind für den gebürtigen Stuttgarter und früheren VfBler nichts Neues. Er erlebte sie in Leipzig – und auch schon im DFB-Trikot. Werner benötigt Vertrauen des Trainers und muss sich wohlfühlen, um Topleistungen abrufen zu können.
Er ist inzwischen aber auch lange genug im Fußballbusiness, um dessen Schnelllebigkeit zu kennen. Als er im vergangenen November erstmals nach seinem Wechsel nach England wieder in der Leipziger Arena auflief, traf er prompt in seinem „Wohnzimmer“beim 3:1 gegen die Ukraine in der Nations League zweimal. „Fantastisch“, schwärmte Werner hinterher. Damals war er noch Löws dritter Mann im deutschen Turbosturm mit Gnabry und Sané. „Wir drei haben alle sehr viel Tempo, sind sehr zielstrebig. Ich möchte nicht in der Haut unserer Gegner stecken“, befand Werner.
Gute vier Monate später muss er sich seine Hauptrolle aufs Neue erkämpfen.
„Solange man den Timo Werner auf die Bank setzen kann, kann es um den Bestand der tollen Mannschaft nicht so schlecht stehen.“
Uli Hoeneß vor dem Spiel gegen Island bei RTL
Bei der Länderspielpremiere gegen Nordmazedonien will Joachim Löw den dritten Sieg in der WM-Qualifikation innerhalb einer Woche einfahren. Allerdings warnt der Bundestrainer vor dem Außenseiter: „Sie sind mit allen Wassern gewaschen.“Im Tor wird in Duisburg Marc-André
ter Stegen stehen, der Manuel Neuer vertritt. Zum Ersatzkapitän ernannte Löw Ilkay Gündogan.