Nachwuchssuche im Lockdown
Die Musikkameradschaft Hausen will sich durch Corona nicht ausbremsen lassen
Die Musikkameradschaft Hausen ob Verena startet eine Frühjahrskampagne.
- Kameradschaft zu pflegen, wird den Vereinen in Pandemie-Zeiten schwer. Noch schwerer ist es, Nachwuchs zu gewinnen. Doch die Musikkameradschaft Hausen ob Verena will nun nicht länger warten und mit einer Frühjahrskampagne mittelfristig für Nachwuchs sorgen. Der Anfängerunterricht soll Corona-konform zunächst online erteilt werden.
Das bisher letzte Mal, dass die Musiker der Musikkameradschaft Hausen persönlich zu einer Probe zusammenkommen konnten – schon damals unter strengen Auflagen und nur mit viel Abstand in der Sporthalle –, war Ende Oktober vergangenen Jahres. Seitdem sind Zusammenkünfte oder gar öffentliche Konzerte nicht möglich. Der Nachwuchs probt in Einzel-Online-Proben mit Lehrkräften der Musikschule von Joachim Gutgsell in Fluorn-Winzeln, mit der der Verein seit 2012 zusammenarbeitet.
Was dagegen online ganz schlecht geht – da sind sich Dirigent Christoph Hohl und die Musiker einig – das sind gemeinsame Proben mit dem ganzen Orchester. Absolute Präzision im Zusammenspiel ist einfach nicht möglich mit verschieden schnellen Internet-Anschlüssen der Konferenz-Teilnehmer.
Wie der Blasmusikverband mitgeteilt hat, sind Einzelproben in Präsenz erst bei einer Inzidenz unter 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen wieder möglich – derzeit liegt der Landkreis Tuttlingen wieder deutlich darüber.
„Da geht relativ viel verloren im Moment“, stellt Harald Klaiber, der Vorsitzende der Musikkameradschaft, fest. Um in dieser Situation den Nachwuchs nicht komplett zu verlieren, kam der Vorschlag der Musikschule Gutgsell gerade recht, in einer Frühjahrskampagne Kinder und Erwachsene für coronagerechten Musikunterricht zu gewinnen.
In einer Online-Konferenz, zu der auch die beiden neuen Jugendleiterinnen der Musikkameradschaft, Hannah Klöcker und Annika Haller, zugeschaltet waren, hat Joachim Gutgsell sein Konzept vorgestellt. Er setzt es mit mehreren Vereinen um, für die die Musikschule in einem Einzugsgebiet von rund 110 Kilometern rund um Fluorn-Winzeln den Nachwuchsunterricht übernimmt.
Nach dem Motto „Wer nicht wirbt, verdirbt“hat Joachim Gutgsell für die Musikvereine Werbetexte, Logos, Flyer und Vorlagen fürs Internet gestaltet und zur Verfügung gestellt. Nun soll unter dem Motto „Schmetterlinge zum Mitnehmen“die Werbetrommel gerührt werden – wobei mit „Schmetterlingen“natürlich nicht bunte Falter, sondern die Blasinstrumente gemeint sind, die zum „Schmettern“einladen.
Die Musikschule Gutgsell hat den Vereinen im Zuge der Kampagne auch ein „Einwand-Management“zukommen lassen, also Argumente gegen eventuelle Einwände, die von den Eltern oder auch potenziell interessierten Musikschülern erfahrungsgemäß kommen. Einer davon lautet meist: „Online-Unterricht bringt nichts.“Joachim Gutgsell ist da aufgrund seiner Erfahrungen mit inzwischen Tausenden Stunden Unterricht über Video-Konferenzen anderer Meinung. Sogar der Unterricht für absolute Anfänger, die noch kein Instrument in den Händen gehalten haben, funktioniert laut Gutgsell online gut.
Auch wenn der persönliche Kontakt natürlich durch nichts ersetzt werden kann, sieht er im Online-Unterricht sogar auch ein paar Vorteile: „Erstens: Die Eltern müssen ihre Kinder nicht zum Unterricht fahren. Zweitens: Die Eltern hören, was ihr Kind spielt, und wie der Lehrer mit dem Kind umgeht.“Außerdem sei man bei einer eventuellen Terminverschiebung flexibler, da die Musiklehrerin keine Anfahrtszeit hat; und auch bei Schnupfen oder leichten Infektionskrankheiten kann man mal proben, ohne Angst zu haben, sich gegenseitig anzustecken.
Im Verlauf des April will die Musikkameradschaft Flyer an alle Haushalte in Hausen o.V. austeilen, um auf die Kampagne aufmerksam zu machen. Im April/Mai sollen dann kleine Videos online gestellt werden, in denen die einzelnen Instrumente mit ihren Eigenheiten, Anforderungen, Vor- und Nachteilen vorgestellt werden.
Ein Ziel der Musikkameradschaft ist es auch, die Jugendkapelle wiederzubeleben. Hierzu braucht der Verein Nachwuchsmusiker, die die ganze Instrumentenbandbreite bedienen. Erfahrungsgemäß, so Harald Klaiber, interessieren sich Mädchen vor allem für Instrumente wie Querflöte und Klarinette, die Jungs gehen eher in Richtung Trompete. Joachim Gutgsell nennt als besonders beliebte Instrumente Klarinette, Saxophon Trompete und Schlagzeug. Dennoch sei es durchaus möglich, den Nachwuchs auch für die anderen Instrumente und Register, die eine Blaskapelle für den vollen Klang braucht, zu begeistern.
Dank des Online-Unterrichts kann sich die Musikschule auch in Zeiten des Kultur-Lockdown einigermaßen über Wasser halten. „Was wir nicht auffangen können, ist, wenn Schüler aufhören“, so Joachim Gutgsell.
Die Musikkameradschaft und Joachim Gutgsell hoffen nun, dass ihre Kampagne verfängt und im Juni mit dem Einzelunterricht der Nachwuchsmusiker begonnen werden kann – sei es im Präsenz, sei es online.