Streit um EC-Karten bremst Ladesäulen-Ausbau
Wie der Disput zwischen Bankenbranche, Stromwirtschaft, Wirtschafts- und Finanzministerium die Elektromobilität lähmt
- Zu kompliziert und langsam: Das sind die Hauptkritikpunkte am Ladesäulenmanagement der Bundesregierung. Damit der Ausbau der Infrastruktur endlich Tempo aufnimmt und die Elektromobilität in Schwung kommt, verabschiedet das Kabinett am Mittwoch eine Ladesäulenverordnung. Das Bezahlen soll nicht nur per App, sondern künftig auch mit EC-Karten möglich sein. Kritik kommt aus der Wirtschaft und der Opposition.
Der Verordnung war ein Streit zwischen Bundesfinanz- und Wirtschaftsministerium über ein einheitliches Bezahlsystem vorausgegangen, der sich über ein Jahr hinzog. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte, dass Ladevorgänge an jeder Tanksäule auch mit EC- oder Kreditkarte möglich sind – und nicht nur per App oder Vertrag. Genau das wünscht sich auch die Bankenbranche.
Seit Wochen arbeitet etwa der Deutsche Sparkassen- und Giroverband auf eine Kartenlösung hin. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) plädierte zusammen mit der Stromwirtschaft und Automobilbranche dafür, dass Kartenlesegeräte nicht verpflichtend sein sollen. Digitale Bezahlsysteme würden sich ohnehin durchsetzen. Nun gibt es einen Kompromiss: Vor Juli 2023 können sich die Betreiber aussuchen, ob sie das Stromtanken per App oder Lesegerät abrechnen. Ab Juli 2023 soll dann auch das Lesegerät verpflichtend sein.
Die FDP kritisiert das. Die Installation von Karten-Lesegeräten an Ladesäulen sei „eine unnötige bürokratische Belastung“, sagt FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Es sei zumutbar, sich Apps für die Abrechnung herunterzuladen. Wenn bei den Kunden ein ausgeprägter Wunsch nach Kartenzahlung bestehe, schaffe die Nachfrage das Angebot. „Wenn durch eine staatliche Vorgabe der Ausbau der Ladeinfrastruktur künstlich verlangsamt wird, wäre das kontraproduktiv“, erläutert Theurer. Statt durch Überregulierung Prozesse zu verlangsamen, plädiert der Bundestagsabgeordnete dafür, es den Anbietern von Ladesäulen zu überlassen, wie sie das Stromtanken abrechnen wollen.
Auch der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer übt Kritik an der
Verordnung. „Bis 2023 könnte die Kartenlesetechnik, die mitunter jetzt schon verschwindet, völlig veraltet sein“, sagt er. Statt auf die Lesegeräte solle man auf eine App-basierte Zahlung setzen. Doch die Chance, diese als Standard festzulegen habe die Bundesregierung verpasst. „Was bei der Bezahlung außerdem fehlt, ist Transparenz“, sagt Krischer. Nach dem Laden wisse der E-Auto-Fahrer nicht, wie viel er eigentlich für den Strom bezahlt. „Wir brauchen an jeder Ladesäule eine Preisauszeichnung. Mit der Ladesäulenverordnung hat die Bundesregierung das aber immer noch nicht geregelt“, kritisiert der Verkehrspolitiker.
FDP und Grüne liegen damit auf einer Linie mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA) und dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Die Verbände hatten am Freitag noch einmal an die Bundesregierung appelliert, den derzeit vorliegenden Referentenentwurf erneut zu überarbeiten.
Der Einbau der Geräte würde die Kosten für den Aufbau der Ladeinfrastruktur um 165 Millionen Euro erhöhen. Damit würde auch der Strom für das Laden teurer. Darüber hinaus seien entsprechende Modelle noch gar nicht am Markt verfügbar. „Der Vorschlag zum verpflichtenden Einbau von Kartenlesegeräten ist ein Bremsklotz für die Elektromobilität. Die noch ausstehende eichrechtliche Zulassung der Geräte wird dauern, so lange stockt der Ladesäulenausbau“, kritisiert die BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andrae.
Unterdessen wächst für Fahrer von Elektroautos die Konkurrenz um öffentliche Ladesäulen. Wie der VDA am Montag mitteilte, hätten sich vor einem halben Jahr rechnerisch bundesweit noch 13 Autos einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt teilen müssen. Nun sind es 17 Autos. Hintergrund ist, dass gefördert durch hohe Kaufprämien seit Monaten deutlich mehr Elektroautos auf die Straßen kommen.