Hundekauf aus Mitleid ist ein Fehler
Corona verstärkt volle Tierheime und ausgelastete Hundeschulen.
- Es hat nicht nur mit Corona zu tun, wenn Tierheime und Hundeschulen derzeit voll sind. Auch langfristige Trends spielen eine Rolle, wie Hundetrainer Michael Hermann aus Denkingen feststellt.
„Wir haben viel zu tun; das Tierheim ist gerammelt voll“, sagt Ludmilla Eferl vom Verein „Menschen für Tiere“. „Aber das hat nichts mit Corona zu tun“, fügt sie hinzu. – Eher schon mit der nahenden Urlaubszeit: „Man merkt, dass sich viele zurückhalten, ein Tier aufzunehmen, bevor sie in den Urlaub fahren.“Manch einer hätte sich gerne ein Tier für Ende August „vorgemerkt“. „Aber so lange können wir hier nicht reservieren.“Denn eines ist Ludmila Eferl wichtig: „Mit Gewalt wird nichts vermittelt.“
Gesucht sind vor allem die „Klassiker“: Hunde, Katzen, Kaninchen, manchmal auch Mäuse, weniger dagegen Hamster oder Meerschweinchen. Auch Wellensittiche oder Kanarienvögel „will keiner mehr haben“, stellt Ludmilla Eferl fest.
Das Tierheim nimmt zum einen Fundtiere auf, zum andere Tiere, die vom Veterinäramt beschlagnahmt wurden, etwa weil sie vernachlässigt oder misshandelt werden. Und dann gibt es die Tiere, die von ihren Besitzern im Tierheim abgegeben werden. Die Gründe dafür sind verschieden – „ob das alles so stimmt, können wir natürlich nicht nachprüfen“, so Eferl – etwa, weil sich herausstellt, das jemand eine Katzenhaarallergie hat; aber auch Scheidungen, Trennungen und Todesfälle führen oft dazu, dass Tiere im Heim abgegeben wurden. Dass sich viele während der Corona-Lockdowns unüberlegt Tiere angeschafft haben, die sie jetzt wieder loswerden wollen (das hatte Ludmilla Eferl nämlich schon zu Beginn der Pandemie befürchtet), hat sich dagegen – zumindest für das Spaichinger Tierheim – bislang nicht bestätigt. „Aber die Urlaubszeit kommt ja noch“, so Eferl.
Andere Erfahrungen hat dagegen Michael Hermann gemacht. Er hat in seiner Jagd- und Hundeschule in Denkingen derzeit einen Aufnahmestopp. Während Corona hat er keine Jagdschule durchführen dürfen, so dass jetzt die aufgelaufenen Termine abgearbeitet werden. Aber auch in der Hundeschule sei die Anfrage derzeit unglaublich hoch. Er ist überzeugt, dass das auch mit Corona zu tun hat, weil sich viele Leute im Lockdown oft unüberlegt einen Hund angeschafft haben, mit dem sie jetzt nicht zurecht kommen.
Er schildert den „krassesten“Fall, den er in letzter Zeit erlebt hat: Da hat jemand angerufen, der sich einen Hund aus dem Tierheim angeschafft hatte, „weil er jetzt Zeit hat“. Im Tierheim habe man ihm ganz klar gesagt, dass der Hund nicht mit Kindern klarkommt. Und obwohl kleine Kinder in der Familie sind, habe er den Hund zu sich genommen – „dazu sind ja die Hundeschulen da, um das zu korrigieren“. Da herrscht bei Michael Hermann nur „Fassungslosigkeit“.
Wobei aber die unüberlegten Corona-Anschaffungen nach seiner Beobachtung nur das „Sahnehäubchen“auf einem Trend sind, den er schon seit mehreren Jahren ausmacht: „Ich habe das Gefühl, dass viele Hunde aus Mitleid angeschafft werden“Zu diesem Trend hätten auch die Medien beigetragen, die Haustiere und Haustierhaltung emotionalisiert darstellen, aber oft nicht ausreichend vermitteln, welche Arbeit und Verantwortung damit verbunden ist. „Das ist der größte Fehler: der Kauf aus Mitleid“, so Hermann.
Ein großes Problem seien auch Autobahnkäufe: „Da fahren Leute von Spaichingen nach Nürnberg, und kaufen auf einem Autobahn-Parkplatz für 300 Euro einen Hund direkt aus dem Transporter heraus.“Häufig kommen diese aus illegalen Hundezuchten in Osteuropa oder es sind von Tierschützern gerettete Straßenhunde, bei denen man nur schwer den Charakter abschätzen kann.
Reinrassige Welpen beim Züchter zu bekommen, sei dagegen derzeit äußerst schwierig: „Der Welpenmarkt ist leer, weil die Nachfrage weitaus größer ist als das Angebot.“
Er weiß von jemanden, der sich – verantwortungsbewusst – vorher genau informiert und abgewogen hat, welche Rasse zu ihm passen würde, der aber nun schon seit einem Jahr darauf wartet, ein Tier dieser Rasse zu bekommen.
Michael Hermann rät dazu, sich ganz bewusst und wohl überlegt für einen Hund zu entscheiden, und sich darüber im Klaren zu sein, dass sich damit „mein Leben für die nächsten 13 Jahre verändert.“Er rät, den Hund erstmal probehalber zu sich nach Hause zu nehmen und erfahrene Hundetrainer nach einer charakterlichen Einschätzung des Hundes zu bitten. Wenn der Hund nach zwei, drei Wochen ins Tierheim zurückgegeben wird, dann löse das beim Tier weniger psychischen Stress aus, als wenn man erst nach einem Jahr merkt, dass man mit dem Hund nicht zurecht kommt.