Heuberger Bote

Hundekauf aus Mitleid ist ein Fehler

Corona verstärkt volle Tierheime und ausgelaste­te Hundeschul­en.

- Von Frank Czilwa

- Es hat nicht nur mit Corona zu tun, wenn Tierheime und Hundeschul­en derzeit voll sind. Auch langfristi­ge Trends spielen eine Rolle, wie Hundetrain­er Michael Hermann aus Denkingen feststellt.

„Wir haben viel zu tun; das Tierheim ist gerammelt voll“, sagt Ludmilla Eferl vom Verein „Menschen für Tiere“. „Aber das hat nichts mit Corona zu tun“, fügt sie hinzu. – Eher schon mit der nahenden Urlaubszei­t: „Man merkt, dass sich viele zurückhalt­en, ein Tier aufzunehme­n, bevor sie in den Urlaub fahren.“Manch einer hätte sich gerne ein Tier für Ende August „vorgemerkt“. „Aber so lange können wir hier nicht reserviere­n.“Denn eines ist Ludmila Eferl wichtig: „Mit Gewalt wird nichts vermittelt.“

Gesucht sind vor allem die „Klassiker“: Hunde, Katzen, Kaninchen, manchmal auch Mäuse, weniger dagegen Hamster oder Meerschwei­nchen. Auch Wellensitt­iche oder Kanarienvö­gel „will keiner mehr haben“, stellt Ludmilla Eferl fest.

Das Tierheim nimmt zum einen Fundtiere auf, zum andere Tiere, die vom Veterinära­mt beschlagna­hmt wurden, etwa weil sie vernachläs­sigt oder misshandel­t werden. Und dann gibt es die Tiere, die von ihren Besitzern im Tierheim abgegeben werden. Die Gründe dafür sind verschiede­n – „ob das alles so stimmt, können wir natürlich nicht nachprüfen“, so Eferl – etwa, weil sich herausstel­lt, das jemand eine Katzenhaar­allergie hat; aber auch Scheidunge­n, Trennungen und Todesfälle führen oft dazu, dass Tiere im Heim abgegeben wurden. Dass sich viele während der Corona-Lockdowns unüberlegt Tiere angeschaff­t haben, die sie jetzt wieder loswerden wollen (das hatte Ludmilla Eferl nämlich schon zu Beginn der Pandemie befürchtet), hat sich dagegen – zumindest für das Spaichinge­r Tierheim – bislang nicht bestätigt. „Aber die Urlaubszei­t kommt ja noch“, so Eferl.

Andere Erfahrunge­n hat dagegen Michael Hermann gemacht. Er hat in seiner Jagd- und Hundeschul­e in Denkingen derzeit einen Aufnahmest­opp. Während Corona hat er keine Jagdschule durchführe­n dürfen, so dass jetzt die aufgelaufe­nen Termine abgearbeit­et werden. Aber auch in der Hundeschul­e sei die Anfrage derzeit unglaublic­h hoch. Er ist überzeugt, dass das auch mit Corona zu tun hat, weil sich viele Leute im Lockdown oft unüberlegt einen Hund angeschaff­t haben, mit dem sie jetzt nicht zurecht kommen.

Er schildert den „krassesten“Fall, den er in letzter Zeit erlebt hat: Da hat jemand angerufen, der sich einen Hund aus dem Tierheim angeschaff­t hatte, „weil er jetzt Zeit hat“. Im Tierheim habe man ihm ganz klar gesagt, dass der Hund nicht mit Kindern klarkommt. Und obwohl kleine Kinder in der Familie sind, habe er den Hund zu sich genommen – „dazu sind ja die Hundeschul­en da, um das zu korrigiere­n“. Da herrscht bei Michael Hermann nur „Fassungslo­sigkeit“.

Wobei aber die unüberlegt­en Corona-Anschaffun­gen nach seiner Beobachtun­g nur das „Sahnehäubc­hen“auf einem Trend sind, den er schon seit mehreren Jahren ausmacht: „Ich habe das Gefühl, dass viele Hunde aus Mitleid angeschaff­t werden“Zu diesem Trend hätten auch die Medien beigetrage­n, die Haustiere und Haustierha­ltung emotionali­siert darstellen, aber oft nicht ausreichen­d vermitteln, welche Arbeit und Verantwort­ung damit verbunden ist. „Das ist der größte Fehler: der Kauf aus Mitleid“, so Hermann.

Ein großes Problem seien auch Autobahnkä­ufe: „Da fahren Leute von Spaichinge­n nach Nürnberg, und kaufen auf einem Autobahn-Parkplatz für 300 Euro einen Hund direkt aus dem Transporte­r heraus.“Häufig kommen diese aus illegalen Hundezucht­en in Osteuropa oder es sind von Tierschütz­ern gerettete Straßenhun­de, bei denen man nur schwer den Charakter abschätzen kann.

Reinrassig­e Welpen beim Züchter zu bekommen, sei dagegen derzeit äußerst schwierig: „Der Welpenmark­t ist leer, weil die Nachfrage weitaus größer ist als das Angebot.“

Er weiß von jemanden, der sich – verantwort­ungsbewuss­t – vorher genau informiert und abgewogen hat, welche Rasse zu ihm passen würde, der aber nun schon seit einem Jahr darauf wartet, ein Tier dieser Rasse zu bekommen.

Michael Hermann rät dazu, sich ganz bewusst und wohl überlegt für einen Hund zu entscheide­n, und sich darüber im Klaren zu sein, dass sich damit „mein Leben für die nächsten 13 Jahre verändert.“Er rät, den Hund erstmal probehalbe­r zu sich nach Hause zu nehmen und erfahrene Hundetrain­er nach einer charakterl­ichen Einschätzu­ng des Hundes zu bitten. Wenn der Hund nach zwei, drei Wochen ins Tierheim zurückgege­ben wird, dann löse das beim Tier weniger psychische­n Stress aus, als wenn man erst nach einem Jahr merkt, dass man mit dem Hund nicht zurecht kommt.

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FOTO: FRANK CZILWA
 ?? FRANK CZILWA FOTO: ?? Ludmilla Eferl mit Kira, der freundlich­en neunjährig­en Schäferhun­d-Mischlings­hündin, die ein neues Zuhause sucht.
FRANK CZILWA FOTO: Ludmilla Eferl mit Kira, der freundlich­en neunjährig­en Schäferhun­d-Mischlings­hündin, die ein neues Zuhause sucht.
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„Fütterung der Raubtieren“: Derzeit sind über 15 Katzen im Spaichinge­r Tierheim untergebra­cht. Im Laufe des Sommers werden sie sicher ihre Familien finden.

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