Heuberger Bote

Mit dem Virus zu leben lernen

- Von Stefan Kegel politik@schwaebisc­he.de

Seit anderthalb Jahren begleitet sie uns: die Inzidenz der Corona-Fälle. Wie gebannt klebten viele Menschen, gerade in den schlimmen Monaten, morgens an den jeweils aktuellen Zahlen. Die Inzidenz war praktisch so etwas wie die Richterska­la des Corona-Bebens, das die Welt erschütter­te. Sie gab den Takt vor, in dem Beschränku­ngen verhängt oder Lockerunge­n erlaubt wurden.

Ihr kleiner Bruder wurde darüber lange Zeit fast übersehen: Die Zahl der verfügbare­n Intensivbe­tten spielte nämlich für die Bewertung der Lage eine fast ebenso große Rolle. Das ändert sich nun. Mit der steigenden Zahl von Geimpften ergänzt das hierfür zuständige Robert-KochInstit­ut seine Berechnung­sweise. Künftig fließt auch die Zahl der mehr oder weniger einfachen, nicht lebensbedr­ohlichen Corona-Fälle in den Kliniken in die Bewertung ein. Also all jene Menschen, die zwar an Corona erkrankt sind, aber nicht auf den Intensivst­ationen der Krankenhäu­ser landen.

Dies als spätes Eingeständ­nis eines Versäumnis­ses zu werten, wäre verkehrt. Denn so lange bei einer vollkommen schutzlose­n Bevölkerun­g eine Überlastun­g des Gesundheit­swesens nicht ausgeschlo­ssen werden konnte, war eine klare Skala notwendig. Eine Skala, die jeder verstehen konnte. An ihr konnte sich der Normalbürg­er festhalten, wenn es darum ging einzuschät­zen, wie groß die Gefahr einer Ansteckung war, wie viele der Menschen in der eigenen Stadt das Virus in sich trugen. Und ob auch für ihn oder sie im Notfall tatsächlic­h ein Intensivbe­tt vor Ort frei wäre.

Die Umstellung auf die erweiterte Zählung ist nun das Eingeständ­nis, dass wir Zeiten der Normalität entgegenge­hen. Die Messung wird feiner und alltäglich­er. Das Coronaviru­s wird zum Alltag. Denn es ist ein Virus, mit dem wir in der Zukunft werden leben müssen, genauso wie mit den Erregern von Masern, Röteln oder Tuberkulos­e. Das alles sind auch heute noch gefährlich­e Krankheite­n, ja. Aber solche, vor denen kein Geimpfter mehr Todesangst haben muss.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany