Auch Trossingen verlegt Stolpersteine
Gemeinderat begrüßt Gedenken an Euthanasieopfer - Vortrag am 22. Oktober
- Bislang erinnert wenig in Trossingen öffentlichkeitswirksam daran, dass auch hier im Dritten Reich Menschen Opfer des Euthanasieprogramms der Nazis wurden. Bereits Ende Oktober soll sich das ändern: Der Gemeinderat sprach sich am Montagabend dafür aus, den Opfern in Form von Stolpersteinen zu gedenken. Angestoßen hatte das Vorhaben das Museum Auberlehaus.
Schon vor Jahren beschäftigte sich Museumsleiter Volker Neipp mit dem Thema Euthanasieopfer. Wie er berichtete, habe es 13 Trossinger - darunter auch ein Kind - gegeben, die unter dem NS-Regime aufgrund geistiger, seelischer oder körperlicher Behinderung in der Tötungsanstalt Grafeneck bei Gomadingen (Kreis Reutlingen) vergast wurden. Nach der Gedenktafel auf dem Friedhof, sagte Neipp, wären die Stolpersteine nun der nächste Schritt. Die Stiftung „Stiftung - Sputen - Gunter Demnig“hat bereits die Trossinger ausgewählt, an die die ersten fünf Stolpersteine erinnern sollen: Adomina Birk (geborene Seeger) aus der Ernst-Hohner-Straße 46, Hans Hohner aus der Tuninger Straße 10, Ernst Koch aus der Butschstraße 20, Berta Anna Lang aus dem Vogtswinkel 10 und Johann Maurer aus der Eberhardstraße 5. Der Trägerverein des Auberlehauses möchte die Patenschaften für die Stolpersteine und deren Kosten (120 Euro pro Stück) übernehmen.
Bürgermeisterin Susanne Irion machte deutlich, dass sie die Aktion sehr begrüßt. „Trossingen hat eine belebte, durchaus ambivalente Vergangenheit“, sagte sie. „Das Gedenken steht uns gut zu Gesicht.“Mit seiner Entscheidung beziehe der Gemeinderat auch „konkludent gesellschaftspolitisch Stellung“, betonte sie in ihrer Stellungnahme.
Die Mehrheit des Gemeinderats schloss sich ihrer Ansicht an, auch wenn sich die OGL dafür aussprach, sich zunächst an die Öffentlichkeit zu wenden und den Gemeinderatsbeschluss solange aufzuschieben. Wolfgang Steuer wies darauf hin, dass die Aktion in anderen Städten durchaus kontrovers gesehen wurde: „In Villingen-Schwenningen wurde sie zunächst jahrelang abgelehnt, bevor die Zustimmung erfolgte“, sagte der OGL-Stadtrat. Steuer plädierte dafür, zunächst den Vortrag des Künstlers Gunter Demnig, Initiator der Stolpersteine, am 22. Oktober im Kesselhaus abzuwarten. OGL-Fraktionssprecherin Susanne ReinhardtKlotz bemängelte zudem, dass die Kommunikation von Stadt und Auberlehaus mit dem Stadtarchiv bezüglich des Projekts offenbar „schwierig“gewesen sei und wünschte sich, dass die Aktion künftig gemeinsam begleitet würde. Auch Gustav Betzler (Freie Wähler) betonte den „engen Schulterschluss“mit dem Stadtarchiv.
Alles andere als angetan von den Stolpersteinen zeigte sich Antje Spehn (FDP). „Es ist beschämend, dass uns keine andere Erinnerung einfällt, als Namen, die in den Boden eingelassen werden und auf die alle treten“, meinte sie. Sicherlich gebe es andere Möglichkeiten des öffentlichen Gedenkens, so Spehn - eine beschriftete Gedenkwand beispielsweise.
Das sahen Gustav Betzler und Clemens Henn (CDU) wiederum ganz anders. „Ein Stolperstein ist eben ein Stolperstein, der kann sich nicht an der Decke befinden“, sagte Betzler. Die Freien Wähler stünden hinter der Aktion, auch wenn sie kurzfristig komme. Und auch Henn fand die Form der Stolpersteine „sinnvoller als eine Gedenktafel“: „Wir sollen ja drüberstolpern“, sagt er und fügte hinzu: „Es wird höchste Zeit, dass sich Trossingen mit dem Thema auseinandersetzt.“
Henn erkundigte sich zudem, ob die Angehörigen der Verstorbenen über die Aktion verständigt wurden. Wie Volker Neipp informierte, sei dies rechtlich nicht notwendig. Für eines der fünf Opfer wurden allerdings Nachkommen ermittelt, die in Trossingen und Stuttgart leben. „Beide freuen sich sehr über das Gedenken“, teilte Neipp mit.
Für Dieter Görlich-Heinichen (SGT) war wichtig, dass das Projekt mit den fünf Stolpersteinen nicht beendet ist und sich die Trossinger Bürger, Einrichtungen und Organisationen bei künftigen Ergänzungen beteiligen können. Susanne Irion versicherte, dass es genau so vorgesehen sei: Auch an die übrigen acht Euthanasieopfer solle mit Stolpersteinen erinnert werden. Jüdische Mitbürger, für die eine Verlegung ebenfalls in Betracht käme, gab es in Trossingen laut Stadtverwaltung nicht.
Die Verlegung am 22. Oktober soll öffentlich stattfinden. Das Auberlehaus hat sich dafür auch an die Schulen gewandt, um diese einzubinden.