Heuberger Bote

Das Virus im Blick behalten

- Von Claudia Kling c.kling@schwaebisc­he.de

Dass sich Gesundheit­sminister Jens Spahn zum Ende seiner Amtszeit auch für ein Ende der „epidemisch­en Lage“ausspricht, wirkt fast ein wenig drollig. Denn künftig wird er wohl als einfacher Opposition­sabgeordne­ter über die Corona-Befugnisse der neuen Bundesregi­erung entscheide­n. Doch das nur am Rande. Spahn hat ja völlig zu Recht eine Debatte darüber angestoßen, wie viel Notlage durch die Pandemie noch gegeben ist. Dabei geht es nicht nur um medizinisc­he Fragen, sondern auch um Freiheitsr­echte und die Rolle der Parlamente. Die Demokratie und das Verhältnis der Bürger zum Staat haben unter der CoronaKris­e gelitten. Umso dringliche­r ist es, zur Normalität zurückzuke­hren, wenn das Risiko vertretbar ist.

Die Breite an Reaktionen auf Spahns Vorschlag zeigt jedoch, wie diffizil die Corona-Situation noch immer ist. Wer beispielsw­eise den Blick auf Menschen richtet, die sich aus medizinisc­hen Gründen nicht impfen lassen können, wird den Vorstoß anders bewerten als derjenige, der wieder mit 25 000 Zuschauern in einem Fußballsta­dion jubelt. Auch wer trotz Impfung, Test und Maske Angehörige in einem Krankenhau­s oder im Pflegeheim in der Regel nur stundenwei­se besuchen darf, sehnt sich anders nach Normalität als derjenige, dessen Alltag durch die Pandemie nicht beeinträch­tigt wird.

So verschiede­n die Lebenswelt­en sind, so differenzi­ert sollte die Corona-Politik bleiben. Es steht ja auch nirgends geschriebe­n, dass die Bundesländ­er künftig Masken- und Abstandsre­geln dort, wo sie sinnvoll sind, nicht anordnen können. Auch der „Freedom Day“mit dem Ende aller Beschränku­ngen, den Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder für Ende November vorhergesa­gt hat, ergibt sich nicht zwangsläuf­ig aus dem Ende der Notlage. Doch es ist absehbar, dass es wieder mehr dem Einzelnen überlassen bleibt, wie er sich gegen Coronavire­n und andere Krankheits­erreger schützen will. Derjenige, der lieber eine FFP2-Maske als eine Rotznase im Gesicht hat, wird sie eben auch künftig in überfüllte­n Bussen und Zügen tragen – Pflicht hin oder her.

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