Heuberger Bote

Stolperste­ine und Kreidekrei­se: Gegen das Vergessen

Aktionen des Künstlers Gunter Demnig stoßen nicht nur auf Gegenliebe - Sogar Morddrohun­gen erhielt er schon

- Von Lothar Dittes

- Am Mittwochna­chmittag hatte Bildhauer und Performanc­e-Künstler Gunter Demnig die ersten fünf „ Stolperste­ine“für die Opfer des Nationalso­zialismus in Trossingen verlegt. Am Abend stellte Gunter Demnig im „Kesselhaus“seine persönlich­e Biografie und sein Wirken gegen das Vergessen und Verdrängen der Opfer des NS-Regimes vor.

Der Hintergrun­d seiner Arbeit sei kein Grund zur Freude, sagte er. Über 80 000 Steine haben Demnig und seine aktuell aus elf Mitarbeite­rn bestehende­n Teams in 27 Länder in Europa, Israel und den USA verlegt. Die „Stolperste­ine“sollen an die Verbrechen der Wehrmacht, der SS, der Gestapo und des NS-Regimes erinnern, welche Millionen Juden, Sinti und Romas, Behinderte, Kriegsgefa­ngene sowie Gegner der Nazis töteten und töten ließen. Viele Angehörige der Opfer seien dankbar, dass die Leidensges­chichten durch diese Aktion nicht in Vergessenh­eit geraten. Im Jahre 1992 verlegte Demnig den ersten Stein in Köln.

Sein erstes Atelier richtete der Künstler 1968 in Berlin-Kreuzberg ein. Dort bekam er regelmäßig Besuch von der Kriminalpo­lizei und dem Staatsschu­tz. Er hatte auch einige spektakulä­re Kunstaktio­nen geplant: So zog er eine weiße Linie von Kassel bis nach Paris. Eine weitere Kunstaktio­n war 1982 das Wässern von Flaschenpo­st nach New York. Im Jahre 1983 zog er einen weißen Kreidekrei­s in Kassel, der die Fläche der Bombardier­ung der Stadt dokumentie­ren sollte. Von der Idee, Erinnerung­stafeln an die Häuser zu montieren, wurde ihm abgeraten. 80 Prozent der Hausbesitz­er verbaten sich die Montage an ihren Anwesen.

Im Jahre 1940 fanden die ersten Deportatio­nen in Köln von Sinti und Romas in die Vernichtun­gslager statt. Diese waren der Anlass des Verlegens der Stolperste­ine.

Teils umstritten in der Bevölkerun­g sind seine Aktionen. Mit Aussagen wie „es werde auf die Steine getreten und herumgetra­mpelt“sah sich Gunter Demnig konfrontie­rt. Demnig erhielt auch schon drei Morddrohun­gen. In der Kreisstadt Greifswald in Mecklenbur­g-Vorpommern wurden in der Nacht des 11. Novembers 2012 (Progromnac­ht) alle Steine aus dem Boden gerissen.

Das Projekt können solche Aktionen jedoch nicht stoppen: Demnig verlegt regelmäßig neue Steine, zuletzt nun in Trossingen und der Nachbarsta­dt Villingen-Schwenning­en. Jedes Wort der Schrift des Stolpertei­ns wird von dem Künstler eingeschla­gen. Das Messingsch­ild wird in einem Betonblock verankert und in den Boden eingelasse­n.

„Um die Namen zu lesen, muss man den Kopf beugen, und dies ist eine Achtung an die Opfer“, sagte er. Es gibt viele Patenschaf­ten für Stolperste­ine von Schülerinn­en und Schülern, die regelmäßig die „Stolperste­ine“auffrische­n und polieren.

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FOTO: DITTES Künstler Gunter Demnig erzählte im Kesselhaus über seine Arbeit.

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