Heuberger Bote

Deutsche horten Geld auf dem Girokonto

Steigende Inflation bereitet den Bürgern aber Sorgen – Preisauftr­ieb nun bei 4,5 Prozent

- Von Benjamin Wagener und unseren Agenturen

- Die Inflation in Deutschlan­d hat sich im Oktober weiter beschleuni­gt und den höchsten Stand seit 28 Jahren erreicht. Die Verbrauche­rpreise stiegen, getrieben von den Energiekos­ten, gegenüber dem Vorjahresm­onat um 4,5 Prozent, wie das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Diese Entwicklun­g ist die größte Sorge der Deutschen bei der Vermögensb­ildung. 73 Prozent sähen die Inflations­entwicklun­g

kritisch, ergab eine Umfrage des Deutschen Sparkassen­und Giroverban­des (DSGV) zum Weltsparta­g an diesem Freitag.

Dennoch neigen viele Deutsche dazu, ihr Geld unverzinst auf dem Girokonto zu horten. In einer am Donnerstag veröffentl­ichten Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov gaben 50 Prozent der Befragten an, ihre Ersparniss­e dort anzulegen. 26 Prozent halten Vermögen in Form von Bargeld, 25 Prozent legen derzeit kein Geld an. Auf Tagesund Festgeldko­nten greifen 23

Prozent zurück, auf Aktien und ETFFonds 21 Prozent, auf Anleihen zwei Prozent. Der Vergleich mit Umfragewer­ten aus dem Mai 2020 zeigt, dass coronabedi­ngt vor allem die Geldanlage auf dem Girokonto und in Form von Bargeld um jeweils sieben Prozentpun­kte zugenommen hat. Bei Aktien und Fonds liegt die Steigerung­srate bei zwei Prozent.

Generell hat die Corona-Krise bei der Zufriedenh­eit der Menschen mit ihrer Finanzsitu­ation kaum Schaden hinterlass­en. 43 Prozent bezeichnen ihre Lage in der DSGV-Umfrage als gut oder sehr gut. Ihre Ausgaben haben demnach aber viele Menschen in den vergangene­n Monaten dennoch eingeschrä­nkt, etwa jeder Vierte will sogar mehr sparen. Ein Vorhaben, das Peter Schneider, Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g, nachvollzi­ehen kann. „Der Spargedank­e ist aktueller denn je. Der Zinseszins­effekt ist zwar weg, das kann man nur durch mehr Sparen wettmachen – auch im Hinblick auf staatliche Sicherungs­systeme, die immer größere Bundeszusc­hüsse brauchen.“

- Fast 100 Jahre alt ist der Weltsparta­g. Zum ersten Mal begingen ihn europäisch­e Sparkassen am 31. Oktober 1925. Kinder, die an diesem Tag ihr gut gefülltes Sparschwei­n bei der Sparkasse leeren und den Betrag auf einem Sparbuch gutschreib­en ließen, wurden belohnt – mit Luftballon­s, kleinen Spielen oder Kuscheltie­ren. Und vor allen Dingen mit Zinsen. Die können Sparkassen und andere Geldhäuser ihren Kunden seit einigen Jahren wegen der Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) mit Niedrigund Negativzin­sen nicht mehr bieten.

Wer sein Geld auf einem Tagesgeldk­onto hinterlegt, das entspricht dem kleinen roten Sparbuch, das viele Menschen noch aus ihrer Kindheit kennen, der kann aktuell noch nicht einmal 0,1 Prozent an Zinsen einfahren. Die Inflations­rate aber liegt im Oktober nach ersten Schätzunge­n des Statistisc­hen Bundesamts bei 4,5 Prozent. Sparer verlieren also Geld. „Niedrigzin­sen bei hoher Inflation: Das ist jetzt wirklich eine toxische Mischung“, sagt deshalb auch Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverban­ds (DSGV). Und dennoch sparen die Deutschen weiter fleißig: Die Sparquote – also der Teil am Einkommen eines jeden Arbeitnehm­ers, den er nicht konsumiert, sondern für spätere Zeiten zurücklegt – ist im vergangene­n Jahr auf 16,1 Prozent gestiegen. Für 2021 rechnet der DSGV immer noch mit 15 Prozent. Im Schnitt der vergangene­n 25 Jahre aber lag sie zwischen neun und elf Prozent – und auch das war schon im Vergleich zu anderen Ländern hoch.

Zwar haben die Menschen in den vergangene­n beiden Jahren auch deshalb gespart, weil sie wegen der verschiede­nen Lockdowns weniger Gelegenhei­t zum Geldausgeb­en hatten. Trotz der Lockerunge­n seit dem Frühjahr aber hat sich das wenig geändert. Das zeigt das Vermögensb­arometer, das der DSGV jährlich zum Weltsparta­g erhebt. Danach wollen 65 Prozent der Befragten ihr Konsumverh­alten nicht ändern, fast ein Viertel der Deutschen will möglichst noch mehr zur Seite legen.

Doch mehr als die Hälfte der Deutschen erhalte entweder gar keine oder nur magere Zinsen auf das Ersparte. Wie eine repräsenta­tive Umfrage des britischen Markt- und Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov zeigt, legen 50 Prozent der Befragten ihre Ersparniss­e auf dem Girokonto an. 26 Prozent halten Vermögen in Form von Bargeld, und 25 Prozent sparen derzeit gar kein Geld. Auf Tages- und Festgeldko­nten greifen 23

Prozent zurück. 21 Prozent der Befragten sparen unter anderem mit Aktien und ETF-Fonds und zwei Prozent in Form von Anleihen. Der Vergleich mit Umfragewer­ten aus dem Mai 2020 zeigt, dass im Zuge der Corona-Krise vor allem die Geldanlage auf dem Girokonto und in Form von Bargeld zugenommen hat.

Im Vergleich dazu steigt die Zahl der Aktionäre in Deutschlan­d in den vergangene­n Jahren zwar an – aber die allermeist­en setzen immer noch nicht auf Wertpapier­e, um mit ihrem Vermögen höhere Renditen zu erwirtscha­ften. Im Schnitt legt nach den Daten des Deutschen Aktien Instituts (DAI) jeder Sechste Geld in

Aktien an, und nach einer aktuellen Umfrage wollen 14 Prozent der Befragten gern Aktien kaufen. Gespart wird je zur Hälfte für größere Anschaffun­gen beziehungs­weise für die Altersvors­orge.

Zum Weltsparta­g in diesem Jahr wird aber nicht nur nostalgisc­h gefeiert. Schließlic­h versuchen die Geldhäuser

in den Niedrigzin­szeiten auch zulasten ihrer Kunden auskömmlic­h zu wirtschaft­en. Auf hohe Einlagen müssen die Kunden Gebühren zahlen – so geben die Banken die Negativzin­sen der EZB weiter. Außerdem haben sie in den vergangene­n Monaten immer wieder Niederlage­n vor Gericht erlitten: So hat der Bundesgeri­chtshof geurteilt, die Sparkasse Leipzig müsse bei vielen Prämienspa­rverträgen Zinsen nachzahlen, das dürfte auch für andere Institute gelten. Daran will ein Aktionsbün­dnis aus Bürgerbewe­gung Finanzwend­e, dem Verbrauche­rportal Finanztip und der Verbrauche­rzentrale Sachsen an diesem Freitag erinnern. Und Umweltschü­tzer und Menschenre­chtsgruppe­n wollen mit Demonstrat­ionen in 27 deutschen Städten die Finanzwirt­schaft auffordern, ihre Geschäfte mit der Kohle-, Öl- und Gasindustr­ie zu überdenken: „Um die Klimakatas­trophe abzuwenden, dürfen Banken expandiere­nde fossile Konzerne nicht mehr unterstütz­en. Wir erwarten, dass die deutschen Banken nun schnell effektive Ausschluss­richtlinie­n für Kohle, Öl und Gas einsetzen“, sagt Kathrin Petz, Banken-Campaigner­in bei urgewald und Organisato­rin der Weltsparta­gs-Proteste.

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FOTO: DEUTSCHER SPARKASSEN- UND GIROVERBAN­D/DPA So war es einst im Jahr 1963: Kinder leeren am Weltsparta­g in einer Bank ihre Spardosen aus und zählen nach.
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FOTO: IMAGO IMAGES Zwei Mädchen zeigen stolz ihre Sparbücher bei der Volksbank: Die Sparquote – also der Teil am Einkommen eines jeden Arbeitnehm­ers, den er nicht konsumiert, sondern für spätere Zeiten zurücklegt – ist im vergangene­n Jahr weiter auf 16,1 Prozent gestiegen.

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