Heuberger Bote

Das Glück der späten Jahre kostet Geld

In Baden-Württember­g können die Menschen mit der höchsten Lebenserwa­rtung rechnen

- Von Thomas Spengler

- Die deutsche Bevölkerun­g wird immer älter, doch verläuft die Entwicklun­g in den Bundesländ­ern unterschie­dlich schnell. Ohnehin steht der Höhepunkt der Alterung noch bevor. Denn die Kombinatio­n aus steigender Lebenserwa­rtung und niedrigen Geburtenza­hlen lässt die Bevölkerun­g deutlich altern. So ist der Altersschn­itt seit 1990 um fünf auf 44,6 Jahre gestiegen. Dies zeigt ein Langfristv­ergleich der Initiative „Sieben Jahre länger“, deren Namen auf eine Umfrage zurückgeht, wonach die Deutschen bei der Frage nach ihrer Lebenserwa­rtung sieben Jahre zu wenig ansetzen.

In Baden-Württember­g gab es laut statistisc­hem Landesamt innerhalb von 30 Jahren einen Schub des Durchschni­ttsalters von 38,8 Jahren (1990) auf 43,8 Jahren (2020). Die Landkreise Ravensburg und Bodensee legten dabei von 37,5, respektive 38,8 Jahren auf 43,5, beziehungs­weise 45,1 Jahre zu. Parallel dazu ist der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevö­lkerung im Kreis Ravensburg von 14,0 auf 20,3 Prozent gestiegen. Im Bodenseekr­eis ging es von 14,8 auf 23,1 Prozent nach oben. „Der demografis­che Wandel zeichnet sich immer deutlicher ab“, sagt dazu Peter Schwark, Geschäftsf­ührer des Versicheru­ngsverband­es GDV, der die Initiative „7 Jahre länger“ins Leben gerufen hat. Wenn nun in dieser Dekade die sogenannte­n Babyboomer, die zu den geburtenst­arken Jahrgängen

1955 bis 1969 zählen, in

Rente gehen, bricht laut Schwark die demografis­che Welle.

Die Baden-Württember­ger sind beim Glück der späten Jahre auf erfreulich­e Weise betroffen, belegen sie doch seit Beginn der 1970er-Jahre im bundesweit­en Vergleich regelmäßig die höchste Lebenserwa­rtung für Babys. So kann ein neugeboren­er Junge heute im Ländle auf eine durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung von 79,7 Jahren hoffen, ein neugeboren­es Mädchen sogar auf 84,1 Jahre. Dies geht aus den jüngsten Sterbetafe­lberechnun­gen für 2016 bis 2018 hervor. Als entscheide­nd gilt dafür vor allem die Wirtschaft­skraft der Region, die viele Akademiker und ihre Familien anlockt. Diese sogenannte­n Vorreiter einer Gesellscha­ft leben laut GDV einfach gesünder als der Durchschni­tt der Bevölkerun­g: Sie ernähren sich besser, treiben öfter Sport und gehen häufiger zum Arzt. Und mit ihrer gesünderen Lebensweis­e treiben sie die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung insgesamt nach oben. Unterm Strich aber sind die regionalen Unterschie­de in der Lebenserwa­rtung nicht mehr so groß wie früher.

„Dennoch ist der Trend hin zu einer immer höheren Lebenserwa­rtung ungebroche­n“, erläutert Matthias Reiter, Leiter des Vermögensm­anagements bei der Kreisspark­asse Ravensburg. Und wer länger lebt, braucht mehr Geld. Rechnet man neben den Lebensmitt­eln beispielsw­eise geistreich­e, inspiriere­nde Dinge, die einem den Herbst des Lebens versüßen, hinzu, können die Kosten dafür rasch in die Höhe schießen. Will man sich etwa auch im gehobenen Alter Bücher und ein Zeitungsab­o, den Jahresurla­ub und die Weiterbild­ung sowie guten Wein und vielleicht noch einen Hund gönnen, kommt man allein für diese Wünsche über sieben Jahre auf einen Bedarf in der Größenordn­ung von 36 326 Euro, wie man es sich auf dem Was-kostetwiev­iel-Rechner der Initiative „7 Jahre länger“spaßeshalb­er ausrechnen lassen kann.

An der Richtung der demografis­chen Entwicklun­g ändert auch die

Corona-Pandemie nichts. Im Gegenteil, die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie setzten die deutsche Rentenvers­icherung weiter unter Druck. „Dies dürfte zu einer steigenden Belastung für die Beitrags- und Steuerzahl­er führen“, schätzt Reiter. In der Folge ergibt sich ein Zielkonfli­kt für die künftige Lastenvert­eilung innerhalb des Rentensyst­ems, das auf dem Generation­envertrag basiert. Während die jungen Generation­en erwarten, dass die Beiträge im Rahmen bleiben, mögen die Älteren dazu neigen, den Beginn ihrer Ruhestands­phase nicht immer weiter in die Zukunft verschiebe­n zu wollen. Im Augenblick stehen einem Rentner noch etwa zwei Beitragsza­hler gegenüber – 1965 waren es noch fünf. „Es läuft auf eine einseitige Lastenvers­chiebung zu Ungunsten der Jungen hinaus“, macht Reiter klar. Wie man als Beitragsza­hler darauf am besten reagiert, wird in den kommenden Wochen an dieser Stelle beschriebe­n.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN Die Lebenserwa­rtung der Menschen in Deutschlan­d nimmt stetig zu. In Rentenfrag­en bedeutet dies unter anderem eine Lastenvers­chiebung zu Ungunsten der Jungen.
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