Das Glück der späten Jahre kostet Geld
In Baden-Württemberg können die Menschen mit der höchsten Lebenserwartung rechnen
- Die deutsche Bevölkerung wird immer älter, doch verläuft die Entwicklung in den Bundesländern unterschiedlich schnell. Ohnehin steht der Höhepunkt der Alterung noch bevor. Denn die Kombination aus steigender Lebenserwartung und niedrigen Geburtenzahlen lässt die Bevölkerung deutlich altern. So ist der Altersschnitt seit 1990 um fünf auf 44,6 Jahre gestiegen. Dies zeigt ein Langfristvergleich der Initiative „Sieben Jahre länger“, deren Namen auf eine Umfrage zurückgeht, wonach die Deutschen bei der Frage nach ihrer Lebenserwartung sieben Jahre zu wenig ansetzen.
In Baden-Württemberg gab es laut statistischem Landesamt innerhalb von 30 Jahren einen Schub des Durchschnittsalters von 38,8 Jahren (1990) auf 43,8 Jahren (2020). Die Landkreise Ravensburg und Bodensee legten dabei von 37,5, respektive 38,8 Jahren auf 43,5, beziehungsweise 45,1 Jahre zu. Parallel dazu ist der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung im Kreis Ravensburg von 14,0 auf 20,3 Prozent gestiegen. Im Bodenseekreis ging es von 14,8 auf 23,1 Prozent nach oben. „Der demografische Wandel zeichnet sich immer deutlicher ab“, sagt dazu Peter Schwark, Geschäftsführer des Versicherungsverbandes GDV, der die Initiative „7 Jahre länger“ins Leben gerufen hat. Wenn nun in dieser Dekade die sogenannten Babyboomer, die zu den geburtenstarken Jahrgängen
1955 bis 1969 zählen, in
Rente gehen, bricht laut Schwark die demografische Welle.
Die Baden-Württemberger sind beim Glück der späten Jahre auf erfreuliche Weise betroffen, belegen sie doch seit Beginn der 1970er-Jahre im bundesweiten Vergleich regelmäßig die höchste Lebenserwartung für Babys. So kann ein neugeborener Junge heute im Ländle auf eine durchschnittliche Lebenserwartung von 79,7 Jahren hoffen, ein neugeborenes Mädchen sogar auf 84,1 Jahre. Dies geht aus den jüngsten Sterbetafelberechnungen für 2016 bis 2018 hervor. Als entscheidend gilt dafür vor allem die Wirtschaftskraft der Region, die viele Akademiker und ihre Familien anlockt. Diese sogenannten Vorreiter einer Gesellschaft leben laut GDV einfach gesünder als der Durchschnitt der Bevölkerung: Sie ernähren sich besser, treiben öfter Sport und gehen häufiger zum Arzt. Und mit ihrer gesünderen Lebensweise treiben sie die durchschnittliche Lebenserwartung insgesamt nach oben. Unterm Strich aber sind die regionalen Unterschiede in der Lebenserwartung nicht mehr so groß wie früher.
„Dennoch ist der Trend hin zu einer immer höheren Lebenserwartung ungebrochen“, erläutert Matthias Reiter, Leiter des Vermögensmanagements bei der Kreissparkasse Ravensburg. Und wer länger lebt, braucht mehr Geld. Rechnet man neben den Lebensmitteln beispielsweise geistreiche, inspirierende Dinge, die einem den Herbst des Lebens versüßen, hinzu, können die Kosten dafür rasch in die Höhe schießen. Will man sich etwa auch im gehobenen Alter Bücher und ein Zeitungsabo, den Jahresurlaub und die Weiterbildung sowie guten Wein und vielleicht noch einen Hund gönnen, kommt man allein für diese Wünsche über sieben Jahre auf einen Bedarf in der Größenordnung von 36 326 Euro, wie man es sich auf dem Was-kostetwieviel-Rechner der Initiative „7 Jahre länger“spaßeshalber ausrechnen lassen kann.
An der Richtung der demografischen Entwicklung ändert auch die
Corona-Pandemie nichts. Im Gegenteil, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie setzten die deutsche Rentenversicherung weiter unter Druck. „Dies dürfte zu einer steigenden Belastung für die Beitrags- und Steuerzahler führen“, schätzt Reiter. In der Folge ergibt sich ein Zielkonflikt für die künftige Lastenverteilung innerhalb des Rentensystems, das auf dem Generationenvertrag basiert. Während die jungen Generationen erwarten, dass die Beiträge im Rahmen bleiben, mögen die Älteren dazu neigen, den Beginn ihrer Ruhestandsphase nicht immer weiter in die Zukunft verschieben zu wollen. Im Augenblick stehen einem Rentner noch etwa zwei Beitragszahler gegenüber – 1965 waren es noch fünf. „Es läuft auf eine einseitige Lastenverschiebung zu Ungunsten der Jungen hinaus“, macht Reiter klar. Wie man als Beitragszahler darauf am besten reagiert, wird in den kommenden Wochen an dieser Stelle beschrieben.