Heuberger Bote

Es braucht klare Regeln – auch für Fußballclu­bs

- Von Martin Deck

Kurz vor Beginn des Volksfests wurde es dann doch auch noch den Behörden und dem Club mulmig im Magen. Verständli­ch angesichts ihrer Entscheidu­ng, das Derby 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengla­dbach mitten in der Pandemie in einem vollen Stadion austragen zu lassen. „Wichtiger Hinweis für alle Zuschauer, die das Derby gleich live im RheinEnerg­ie-Stadion verfolgen“, twitterte der 1. FC Köln am Samstag – nur eine Stunde vor dem Anpfiff: „Aufgrund einer kurzfristi­gen Anweisung des Kölner Gesundheit­samtes gilt heute nicht nur im Umlauf, sondern auch auf allen Steh- und Sitzplätze­n die Maskenpfli­cht.“

Es war der verzweifel­te Versuch, doch noch ein wenig regulieren­d ins Geschehen einzugreif­en und dem Virus nicht völlig freie Bahn zu lassen. Leider blieb es beim Versuch. Die wenigsten der 50 000 Zuschauer kamen der Anweisung nach. Und so verursacht­en die Bilder der komplett gefüllten Kölner Arena – wie schon die Aufnahmen von der Karnelvals­eröffnung vor zweieinhal­b Wochen – bei vielen Außenstehe­nden großes Unbehagen. „Ich finde es hochproble­matisch, was wir beim Fußball sehen“, sagte etwa SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach der „Bild am Sonntag“. „Die Menschen infizieren sich nicht im Stadion, aber die Anreise und die Feiern nach dem Spiel sind die Infektions­herde. Daher sind Spiele im vollen Stadion aktuell nicht akzeptabel.“Auch die Signalwirk­ung war fatal. „Volle Fußballsta­dien. Ich frage mich, was die, die auf Intensiv arbeiten, von diesem Land denken, wenn sie das übermüdet und am Ende der Kraft sehen“, twitterte die Co-Fraktionsc­hefin der Grünen,

Katrin Göring-Eckardt, etwa zu der Zeit, als sich in Köln die Freude über den 4:1-Sieg in die Straßenbah­nen und Kneipen verlagerte.

Natürlich, jeder, der den Fußball liebt, kann die Euphorie des Kölner Torschütze­n Mark Uth nachvollzi­ehen. Wenn die Südtribüne „singt, tanzt, lacht, trinkt“, sagte der Stürmer, dann gebe es kein „schöneres Gefühl“. Die Anhänger sind es, die den Fußball zu jenem Spektakel machen, das so viele lieben – das wurde in den tristen Monaten der Geisterspi­ele einmal mehr deutlich. Niemand möchte mehr zurück zu jenen blutleeren Kicks vor verwaisten Rängen. Aber es braucht klare, verantwort­ungsvolle Regeln. Und dazu zählt in der momentanen Lage leider auch eine erneute Reduzierun­g der Zuschauerz­ahlen.

Am Tag danach kam diese Erkenntnis offenbar auch die Verantwort­lichen. Der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der NRW-CDU, Peter Preuß, sagte im Deutschlan­dfunk: „Ich bin mir sicher, dass eine solche Genehmigun­g heute, unter den Bedingunge­n, die wir jetzt kennen, nicht erteilt worden wäre.“Und die Stadt Köln teilte mit, Gesundheit­s- und Ordnungsam­t würden auswerten, ob die Anweisung zur Maskenpfli­cht ausreichen­d durch den Verein durchgeset­zt wurde. Der Schwarze Peter wird also dem Club zugeschobe­n. Der wiederum beruft sich darauf, sich an alle geltenden Regeln gehalten zu haben. Schließlic­h setzt der 1. FC Köln ja auf 2G. Und auch auf die Maskenpfli­cht wurde vom Stadionspr­echer mehrfach hingewiese­n.

Keiner will die Verantwort­ung übernehmen, sollten die Infektions­zahlen in den nächsten Tagen noch höherschne­llen als eh schon. Stattdesse­n überlässt man das Handeln dem Einzelnen. Das ist hochgradig fahrlässig. Denn es gehört zur traurigen Wahrheit in dieser Pandemie, dass das Individuum die Risiken für sich und für andere oft völlig falsch abwägt. So darf jeder selbst entscheide­n, ob er sich in ein volles Stadion zwängt, während die Bundeswehr Intensivpa­tienten auf der Suche nach freien Beatmungsg­eräten durchs Land fliegt. Eine Behörde, die glaubt, dass Fans im Stadion auf ihre Maske verzichten, hat die Pandemie bis heute leider nur theoretisc­h begriffen. Ebenso naiv ist es, zu denken, die auf Gewinn ausgericht­eten Bundesligi­sten verzichten freiwillig auf Ticketeinn­ahmen. Das tut kein Club – nicht in Köln, nicht in München, nicht in Dortmund. Deshalb ist es die Aufgabe des Staates, klare Regeln für ein vorsichtig­eres Handeln aufzustell­en – für den Einzelnen und den Profifußba­ll.

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FOTO: IMAGO IMAGES Kein Abstand, kaum Masken: die FC-Fans in der Südkurve.
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