Es braucht klare Regeln – auch für Fußballclubs
Kurz vor Beginn des Volksfests wurde es dann doch auch noch den Behörden und dem Club mulmig im Magen. Verständlich angesichts ihrer Entscheidung, das Derby 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach mitten in der Pandemie in einem vollen Stadion austragen zu lassen. „Wichtiger Hinweis für alle Zuschauer, die das Derby gleich live im RheinEnergie-Stadion verfolgen“, twitterte der 1. FC Köln am Samstag – nur eine Stunde vor dem Anpfiff: „Aufgrund einer kurzfristigen Anweisung des Kölner Gesundheitsamtes gilt heute nicht nur im Umlauf, sondern auch auf allen Steh- und Sitzplätzen die Maskenpflicht.“
Es war der verzweifelte Versuch, doch noch ein wenig regulierend ins Geschehen einzugreifen und dem Virus nicht völlig freie Bahn zu lassen. Leider blieb es beim Versuch. Die wenigsten der 50 000 Zuschauer kamen der Anweisung nach. Und so verursachten die Bilder der komplett gefüllten Kölner Arena – wie schon die Aufnahmen von der Karnelvalseröffnung vor zweieinhalb Wochen – bei vielen Außenstehenden großes Unbehagen. „Ich finde es hochproblematisch, was wir beim Fußball sehen“, sagte etwa SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der „Bild am Sonntag“. „Die Menschen infizieren sich nicht im Stadion, aber die Anreise und die Feiern nach dem Spiel sind die Infektionsherde. Daher sind Spiele im vollen Stadion aktuell nicht akzeptabel.“Auch die Signalwirkung war fatal. „Volle Fußballstadien. Ich frage mich, was die, die auf Intensiv arbeiten, von diesem Land denken, wenn sie das übermüdet und am Ende der Kraft sehen“, twitterte die Co-Fraktionschefin der Grünen,
Katrin Göring-Eckardt, etwa zu der Zeit, als sich in Köln die Freude über den 4:1-Sieg in die Straßenbahnen und Kneipen verlagerte.
Natürlich, jeder, der den Fußball liebt, kann die Euphorie des Kölner Torschützen Mark Uth nachvollziehen. Wenn die Südtribüne „singt, tanzt, lacht, trinkt“, sagte der Stürmer, dann gebe es kein „schöneres Gefühl“. Die Anhänger sind es, die den Fußball zu jenem Spektakel machen, das so viele lieben – das wurde in den tristen Monaten der Geisterspiele einmal mehr deutlich. Niemand möchte mehr zurück zu jenen blutleeren Kicks vor verwaisten Rängen. Aber es braucht klare, verantwortungsvolle Regeln. Und dazu zählt in der momentanen Lage leider auch eine erneute Reduzierung der Zuschauerzahlen.
Am Tag danach kam diese Erkenntnis offenbar auch die Verantwortlichen. Der gesundheitspolitische Sprecher der NRW-CDU, Peter Preuß, sagte im Deutschlandfunk: „Ich bin mir sicher, dass eine solche Genehmigung heute, unter den Bedingungen, die wir jetzt kennen, nicht erteilt worden wäre.“Und die Stadt Köln teilte mit, Gesundheits- und Ordnungsamt würden auswerten, ob die Anweisung zur Maskenpflicht ausreichend durch den Verein durchgesetzt wurde. Der Schwarze Peter wird also dem Club zugeschoben. Der wiederum beruft sich darauf, sich an alle geltenden Regeln gehalten zu haben. Schließlich setzt der 1. FC Köln ja auf 2G. Und auch auf die Maskenpflicht wurde vom Stadionsprecher mehrfach hingewiesen.
Keiner will die Verantwortung übernehmen, sollten die Infektionszahlen in den nächsten Tagen noch höherschnellen als eh schon. Stattdessen überlässt man das Handeln dem Einzelnen. Das ist hochgradig fahrlässig. Denn es gehört zur traurigen Wahrheit in dieser Pandemie, dass das Individuum die Risiken für sich und für andere oft völlig falsch abwägt. So darf jeder selbst entscheiden, ob er sich in ein volles Stadion zwängt, während die Bundeswehr Intensivpatienten auf der Suche nach freien Beatmungsgeräten durchs Land fliegt. Eine Behörde, die glaubt, dass Fans im Stadion auf ihre Maske verzichten, hat die Pandemie bis heute leider nur theoretisch begriffen. Ebenso naiv ist es, zu denken, die auf Gewinn ausgerichteten Bundesligisten verzichten freiwillig auf Ticketeinnahmen. Das tut kein Club – nicht in Köln, nicht in München, nicht in Dortmund. Deshalb ist es die Aufgabe des Staates, klare Regeln für ein vorsichtigeres Handeln aufzustellen – für den Einzelnen und den Profifußball.