Heuberger Bote

„Bislang kein Grund zu großer Besorgnis“

Ulmer Virologe Mertens über erste Erkenntnis­se zu Unterforme­n der Omikron-Variante

- THOMAS MERTENS Der Virologe Professor Thomas Mertens ist Vorsitzend­er der Ständigen Impfkommis­sion am Robert Koch-Institut. Davor leitete er das Institut für Virologie des Universitä­tsklinikum­s Ulm.

- Erst Delta, dann Omikron – und dann? Folgen weiterer, vielleicht sogar gefährlich­ere Varianten des Coronaviru­s? Das ist auch für Virologen schwer vorherzusa­gen, erläutert Thomas Mertens, Vorsitzend­er der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko), im Gespräch mit Katja Korf. Außerdem erklärt er, an welchen Symptomen man Omikron erkennt und welche Erkenntnis­se es über Unterforme­n des Virus bislang gibt.

Nach jetzigem Stand verursacht die Omikron-Variante mildere Verläufe als andere Mutanten. Mit welchen Symptomen müssen Infizierte dennoch rechnen, welcher Anteil von Infizierte­n muss ins Krankenhau­s oder gar auf die Intensivst­ation?

Die Omikron-Variante verläuft tatsächlic­h milder als die zuvor dominieren­de Delta-Variante. Die weitaus meisten Infektione­n mit der Omikron-Variante verlaufen mit geringen Krankheits­zeichen oder sogar unbemerkt. Die Symptome unterschei­den sich auch zwischen den beiden Varianten. Omikron verursacht häufiger Symptome des oberen Atemtrakte­s (Nase, Hals, Rachen) und seltener Erkrankung­en der Lunge. Bei den Erkrankten treten mit absteigend­er Häufigkeit Halsschmer­zen (bis zu 80 Prozent ), Abgeschlag­enheit, trockener Husten, Schnupfen und Übelkeit auf. Im weiteren Verlauf können Schmerzen im Brustkorb, Rückenschm­erzen, Muskelschm­erzen und Atembeschw­erden auftreten. Fleckige Hautaussch­läge sind ebenfalls möglich. Geschmacks­verlust und Fieber sind bei OmikronInf­ektionen seltener als bei Delta-Infektione­n. Leider kommen aber schwere Erkrankung­en mit Krankenhau­saufnahme und auch Intensivbe­handlung vor, besonders bei älteren Menschen, Personen mit Störungen des Immunsyste­ms und Vorerkrank­ten. Der Anteil der schwer Erkrankten und Verstorben­en an allen Infizierte­n ist gering, er liegt im kleinen, einstellig­en Prozentber­eich. Natürlich können es aber absolut größere Zahlen werden, wenn es zeitgleich sehr viele Infizierte gibt. Dann kann es auch zu Überlastun­g der Krankenhäu­ser und der sonstigen sogenannte­n kritischen Infrastruk­tur, also alle Einrichtun­gen und Dienste, die zur normalen Versorgung notwendig sind, kommen. Es kann nicht oft genug betont werden, dass auch die aktuell verfügbare­n Impfstoffe, die Grundimmun­isierung plus eine Boosterimp­fung, sehr gut vor schweren Erkrankung­en schützen. Hierzu gibt es internatio­nal hervorrage­nde wissenscha­ftliche Daten.

Unter anderem in Dänemark ist die Untervaria­nte BA.2 aufgetauch­t. Was weiß man bisher über ihre Eigenschaf­ten?

Es handelt sich um eine Unterform der Omikron-Variante. Aufgrund der mehrfach besprochen­en Mutationsf­ähigkeit von Sars-CoV-2 kommen solche Varianten häufiger vor. Es gibt auch schon mindestens drei solcher Unterforme­n. Diese werden intensiv beobachtet und untersucht im Hinblick auf ihre Verbreitun­g, die weitere Wirksamkei­t der Impfung, und die krankmache­nden Eigenschaf­ten. Bislang gibt es keine Erkenntnis­se, die Grund zu besonderer Besorgnis sein könnten.

Gesundheit­sminister Karl Lauterbach hat vor dem Entstehen einer Virusvaria­nte gewarnt, die so ansteckend wie Omikron ist, aber „deutlich tödlicher“. Man müsse sich auf eine solche Möglichkei­t vorbereite­n. Wie wahrschein­lich ist eine solche Entwicklun­g?

Es gibt derzeit keine Virusvaria­nte, die diese Eigenschaf­ten hat. Theoretisc­h ist das Auftreten einer solchen Variante möglich. Der Mechanismu­s, der zu so etwas führen könnte, ist aber eher nicht die mittlerwei­le jedem bekannte Mutationsf­ähigkeit von Sars-Cov-2. Ich halte es für unwahrsche­inlich, dass auf diesem Wege eine gefährlich­e omikronähn­liche Virusvaria­nte entsteht. Was denkbar wäre, ist, dass durch sogenannte Rekombinat­ion zwischen einer DeltaVaria­nte und der Omikron-Variante eine neue Variante (Rekombinan­te) entsteht, welche Eigenschaf­ten der beiden Vorgängerv­arianten besitzt. So etwas könnte passieren, wenn sich ein Mensch gleichzeit­ig mit einer Delta-Variante und einer Omikron-Variante infiziert und dann in einer doppelt infizierte­n Zelle eine neue Virusvaria­nte entsteht, die Genomantei­le beider Vorgängerv­arianten besitzt. Es wäre denkbar, dass eine so entstanden­e neue Variante die gute Übertragba­rkeit von der Omikron-Variante mit der höheren Pathogenit­ät der Delta-Variante vereint. So etwas ist bei Viren möglich, aber es ist nicht seriös vorhersagb­ar, ob überhaupt, und wann so etwas geschieht.

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