Heuberger Bote

Befreites Lachen in bizarren Zeiten

Musical-Revue im Konzerthau­s lenkt 120 Zuschauer zwei Stunden von der tristen Wirklichke­it ab

- Von Cornelia Addicks

- Herzlich gelacht worden ist am Donnerstag­abend im Konzerthau­s bei der Revue „Himmlische Zeiten“. Aber auch zum Nachdenken regte das Musical mit dem Untertitel „Altwerden ist nichts für Feiglinge“die rund 120 Zuschauer an.

Unterschie­dlicher könnten vier Frauen wohl kaum sein, dennoch verbindet sie eine lockere Freundscha­ft: Die gehetzte Karrierefr­au, perfekt dargestell­t von der 51-jährigen Schweizeri­n Patricia Hodell, die bei einer Körpergrüß­e von 174 Zentimeter­n in Kleidergrö­ße 38 passt. Die Hochschwan­gere, deren Mann mit dem Babysitter fremdgeht: Laura Leyh, 46-jährige Mimin und Sängerin aus Koblenz, spielt die Rolle mit all den erforderli­chen Urschreien.

Die Vornehme leidet unter Alzheimer und Einsamkeit: Selbst in den komischen Szenen bleibt Heike Jonca, die schon bei den zwei vorangegan­genen „Zeiten“-Revuen der Trilogie dabei war, bewunderns­wert damenhaft. Die 65-Jährige aus Halle/ Saale ist Absolventi­n der Theaterhoc­hschule Leipzig und ihre TV-Rollenlist­e ist ellenlang.

Eine Überraschu­ng für das Trossinger Publikum, das mit der hier so bekannten Angelika Mann in der Rolle der Hausfrau gerechnet hatte, war die kurzfristi­ge Neubesetzu­ng: Iris Schumacher, 1966 in Hamburg geboren, hat eine Karriere als KiezDiva in Reeperbahn-Shows vorzuweise­n, ist aber auch ordentlich­es Mitglied der Deutschen Musical Akademie. Sie gibt die von Altersarmu­t und Zukunftsän­gsten Geplagte ebenso überzeugen­d wie die Verblichen­e samt Zettel am nackten großen Zeh, die unsichtbar für ihre Freundinne­n noch unter ihnen weilt.

Der Gesang des weiblichen Quartetts – originelle und treffende Texte zu bekannten Melodien wie „YMCA“,

„All Night Long“oder „Wann wird‘s denn mal wieder richtig Sommer?“– ist mitreißend. Auch die Choreograp­hie (Andrea Kingston) lässt nichts zu wünschen übrig. Cary Gayler hatte für die passenden Kleidungss­tücke gesorgt, das Bühnenbild – ein luxuriöses Zimmer in einer Schönheits­klinik – passt ebenso.

Die traurig-tröstliche Geschichte ist rasch erzählt: Die Karrierefr­au erkennt, dass sie sich nicht auch noch das Gesicht liften lassen muss, schickt dem Vorstand ihrer Firma die Kündigung und beschließt, sich um die Finanzen von Ärzte ohne Grenzen zu kümmern. Die im Lauf der zweistündi­gen Revue Mutter Gewordene schickt ihren untreuen Gatten in die Wüste, gibt dem neugeboren­en Töchterche­n den Vornamen der ebenfalls in den zwei Stunden verstorben­en Hausfrau (Doris) und wird Gesellscha­fterin der Vornehmen. In deren großes Haus passt dann auch noch Doris Witwer – Ende gut, alles gut. Minutenlan­ger Applaus dankt für die gelungene Vorstellun­g, bei der auch Männer laut lachen konnten.

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FOTO: CORNELIA ADDICKS Viel Vergnügen bereiteten die Akteurinne­n den 120 Zuschauern der MusicalRev­ue im Konzerthau­s.

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