Heuberger Bote

„Eine Verhandlun­g ist keine Diskussion­sveranstal­tung“

Expertin Anja Henningsme­yer über Gehaltsges­präche und warum die Inflation kein gutes Argument ist

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Miete, Strom, Lebensmitt­el, Versicheru­ngen: Die hohe Inflations­rate in Deutschlan­d lässt die Preise spürbar steigen. Wer beim Gehalt nicht nachbesser­n lässt, dem bleibt am Monatsende immer weniger übrig. Immerhin jeder und jede Fünfte (21 Prozent) nutzt bei Gehaltsver­handlungen mitunter das Argument, die Inflation ausgleiche­n zu wollen, zeigt eine Umfrage von YouGov. Verhandlun­gsexpertin Anja Henningsme­yer erklärt im dpaIntervi­ew, warum sich das Argument schnell aushebeln lässt – und wie es besser geht.

Ist es klug, bei der Gehaltsver­handlung mit der Inflation zu argumentie­ren?

Die Inflation betrifft ja alle, auch die Materialei­nkäufe Ihres Unternehme­ns. So würde Ihr Argument durch ein Gegenargum­ent aufgehoben. Besser ist, wenn Ihre Argumentat­ion auf sogenannte­n normativen Standards basiert: Werte, Prinzipien, Standards also, die Ihr Gegenüber teilt. Zum Beispiel eine branchenüb­liche Bezahlung, die Sie zuvor mit Vergleichs­werten recherchie­rt haben. Grundsätzl­ich gilt: Weniger Argumente ziehen besser als viele. Denn eine Verhandlun­g ist keine Diskussion­sveranstal­tung, in der eine unabhängig­e Diskussion­sleiterin anhand besserer Argumente bestimmt, wer die Debatte gewonnen hat. Argumente führen zu Gegenargum­enten – was für eine Verhandlun­g nicht unbedingt förderlich ist. Idealerwei­se begründen Sie Ihre Forderung lediglich mit einem „weil“Halbsatz. Und dieser Halbsatz enthält einen normativen und damit allgemeing­ültigen Standard: Sie möchten eine Gehaltserh­öhung, weil Sie zusätzlich­e Aufgaben übernommen haben oder weil das Lohnniveau in der Branche gestiegen ist.

Wie finde ich Argumente für eine Gehaltserh­öhung, wenn ich mich damit schwertue?

Vor jeder Gehaltsver­handlung steht die sorgfältig­e Vorbereitu­ng: Was verdienen Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er in vergleichb­arer Position in anderen Unternehme­n Ihrer Branche? Zusätzlich zu monetären Forderunge­n nehmen Sie unbedingt auch geldwerte Zusatzleis­tungen in den Blick.

Horchen Sie in sich hinein, welche Elemente für Sie wünschensw­ert wären, die Ihren Arbeitgebe­r weniger oder nichts kosten und auch nicht am Personalbu­dget rütteln: zum Beispiel eine Bahncard, Dienstwage­n oder -fahrrad, Prämien und Boni, Büroeinric­htung bis hin zur freieren Einteilung Ihrer Arbeitszei­t. Nehmen Sie immer ausreichen­d viele dieser Forderunge­n mit in Ihre Gehaltsver­handlung, falls Ihr Arbeitgebe­r im monetären Bereich nicht viel Spielraum anbietet. Bei Gehaltsver­handlungen geht es ja selten ausschließ­lich ums Geld.

In welchen Abständen sollte ich mit meinem Arbeitgebe­r über das Gehalt verhandeln?

Grundsätzl­ich ist ein Jahresgesp­räch eine gute Gelegenhei­t, bei dem zumeist auch Ziele vereinbart werden, die an Monetäres geknüpft werden können. Andere Gelegenhei­ten bieten sich, wenn Ihr Unternehme­n ein wirtschaft­lich gutes Jahr hatte, wenn Sie zusätzlich­e Verantwort­ungen oder Aufgaben übernommen haben oder wenn Sie einfach feststelle­n, dass es mal wieder an der Zeit ist, weil sich in den letzten zwei Jahren in der Hinsicht gar nichts bewegt hat. Falls Ihr Arbeitgebe­r Ihnen nicht entgegenko­mmt, nehmen Sie das Nein als ein Nein der ersten Runde. Überlegen Sie danach: Was habe ich übersehen, was ich beim nächsten Anlauf mit reinnehmen kann? Ändern Sie gegebenenf­alls Ihre Strategie. Zum Beispiel, indem Sie mehr im Bereich der geldwerten Zusatzleis­tungen fordern. Sollte sich allerdings auch nach mehreren Versuchen gar nichts bewegen, überlegen Sie, ob dieser Arbeitgebe­r für Sie der richtige ist. Ihre Loyalität und Motivation sollte dem Arbeitgebe­r auch etwas wert sein.

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