Die Bunkerbauer aus Berlin
BSSD ist die einzige Firma in Deutschland, die Schutzräume für Privatpersonen baut – Seit Beginn des Ukraine-Krieges boomt das Geschäft
- Früher gingen etwa fünf bis zehn Kundenanrufe pro Tag bei der Berliner Firma BSSD ein. Doch als Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert, stehen die Telefone nicht mehr still. Die Mitarbeiter müssen sogar eine Hotline einrichten. An sechs Apparaten nehmen sie von 8 bis 22 Uhr an sieben Tagen in der Woche Anrufe an. Pro Telefon und Stunde klingelt es ungefähr zehnmal, das sind beinahe 1000 Anrufe am Tag.
BSSD steht für Bunker Schutzraum Systeme Deutschland. Das Unternehmen, das im Souterrain eines Wohnhauses am Berliner Kupfergraben beheimatet ist – mit Blick auf das Pergamonmuseum auf der Museumsinsel – ist die einzige in Deutschland, die Privatbunker baut. Und mit Beginn des Kriegs waren diese so gefragt wie nie.
Viele Menschen riefen verängstigt an, erzählt BSSD-Marketingleiter Mark Schmiechen. Besonders zu Anfang sei das der Fall gewesen. „Wir waren gefühlt das Sorgentelefon der Nation.“Es sei bei vielen Gesprächen vor allem darum gegangen, zu beruhigen und die Panik zu nehmen – mehr psychologische Beratung als konkrete Verkaufsgespräche. „Manche haben einfach eine generelle Angst verspürt. Andere hatten Angst vor dem, was passiert, wenn der Russe durchmarschiert, dass er den roten Knopf drückt“, sagt Schmiechen.
Früher, vor dem Krieg, hätten sich vor allem Männer erkundigt, nun seien es mehrheitlich Frauen gewesen, die nach einem Bunker fragten. „Da scheint das Schutzbedürfnis deutlich höher gewesen zu sein“, sagt Schmiechen. Von wo aus in Deutschland die Menschen anrufen, darüber führt der Marketingchef keine Statistik. Das Unternehmen habe aber schon immer tendenziell viele Kunden aus den Bundesländern im Süden Deutschlands gehabt, da die Menschen dort in der Regel mehr verdienen würden, sich einen Bunker also eher leisten können. Auch seien es in der Mehrzahl Käufer, die auf dem Land leben.
Mittlerweile klingelt das Telefon zwar nicht mehr ganz so häufig, aber die Zahl der Anrufe sei weiterhin hoch. Viele der Beratungsgespräche würden am Ende in einem Auftrag münden. „Das Auftragsvolumen hat sich deutlich erhöht“, sagt Schmiechen. Konkrete Zahlen will er aber nicht nennen.
Der Wunsch mancher Menschen nach einem eigenen Schutzraum rührt auch daher, dass in Deutschland mit der Wiedervereinigung und dem Ende des Kalten Krieges Zivilschutzeinrichtungen aufgegeben wurden. Bunker, die bis dahin bestanden, wurden abgerissen oder in Büro-, Wohn- oder Kulturgebäude verwandelt. Es gibt de facto heute keinen einzigen öffentlichen Bunker mehr in Deutschland, der derzeit nutzbar wäre. Noch vorhanden und reaktivierbar wären wohl rund 600 Schutzräume, darunter U-Bahnhöfe oder Tiefgaragen.
Die, die sich darauf nicht verlassen wollen, aber trotzdem ein Schutzbedürfnis haben, wenden sich also an BSSD. Der Betrieb wurde 2014 von dem Ehepaar Mario und Katrin Piejde aus einem klassischen Bauunternehmen heraus gegründet. Die Piejdes merkten schnell, dass ihr Geschäft mit Schutzräumen auf Interesse
stieß, die Nachfrage immer größer wurde, sodass sie sich schließlich voll und ganz auf das Spezialgebiet konzentrierten.
Das Berliner Unternehmen baut Schutzräume sowohl für Ein-oder Mehrfamilienhäuser, aber auch für Botschaften oder industrielle Anlagen. Die Kunden kommen aus ganz
Mitteleuropa. „Vom Grundsatz her ist es ganz normales Bauen“, sagt Schmiechen. „Ich brauche eventuell eine Baugenehmigung, ich muss mir Gedanken über den Raum machen, Größe und Aussehen. Das ist erst mal kein Hexenwerk.“Dazu käme aber natürlich noch die spezielle Ausstattung eines Bunkers.
„Wenn man sagt, man möchte vollumfänglich geschützt sein und das schließt dann auch den atomaren Angriff ein, dann bedeutet das immer, unter der Erde bauen zu müssen“, sagt Schmiechen. Das könne ein Schutzraum im Garten sein oder „ein Raum im Keller eines Hauses, der dann zum Schutzraum umgebaut wird“. Hinzu käme eine entsprechende Filteranlage, die die Schadund Kampfstoffe aus der Luft herausfiltert. „Dann muss ich mir zusätzlich Gedanken machen, ob ich im Bunker völlig autark leben will, also mit Wasserund Stromanschluss. Dann geht es darum, wie viele Leute dort rein sollen, wie lange ich dort drin sein möchte“, sagt Schmiechen.
Je nachdem, wie groß der Schutzraum ist und welche Ausstattunsgmerkmale er hat, berechnet sich auch der Preis. Einen 18 Quadratmeter großen Bunker etwa gibt die Firma auf ihrer Webseite mit rund 120 000 Euro an. Der größte dort angebotene Bunker ist 90 Quadratmeter groß und kostet fast 400 000 Euro.
Das kleinste und günstigste Modell, ein sogenannter Pop-up-Raum, der vor allem zum Schutz vor Eindringlingen im Haus gedacht ist, ließe sich mit wenig Aufwand für rund 11 000 Euro in eine Wohnung einbauen, sagt Schmiechen. Es handelt sich dabei um einen Schutzraum aus Stahl, der 2,25 Meter breit, 1,70 Meter tief und zwei Meter hoch ist.
Aufgrund der vielen Anfragen ist BSSD dabei, sich zu vergößern. „Wir haben gerade ein Verkaufsbüro in Bayern aufgemacht, es wird noch eines in Niedersachsen folgen. Ein Büro betreiben wir bereits in Nordrhein-Westfalen, sodass wir vor Ort Menschen haben, die dann direkt zum Kunden fahren können“, sagt Schmiechen. Ganz ausgelastet ist das Unternehmen noch nicht, Aufträge nehme man noch an.
Zumindest was den Bau von Atombunkern angeht, sei die Hoffnung, dadurch einen Atomkrieg überstehen zu können, aber illusorisch, bemerkt Helmut Lohrer, Arzt aus Villingen-Schwenningen und International Councillor der deutschen Sektion des Vereins Internationale Ärzte und Ärztinnen für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). Dafür seien die sofortigen umfassenden Zerstörungen und die langfristigen Folgen durch die radioaktive Verseuchung zu groß. Es bestehe durch Bunker höchstens und nur in wenigen Fällen „eine unmittelbare Überlebenschance nach einer Atombombenexplosion“, aber „irgendwann wird man den Bunker verlassen müssen“, sagt Lohrer.
Es sei nachvollziehbar, dass Menschen aktiv werden wollen, „anstatt nur passiv zu hoffen, dass all dies nicht geschieht. Und da bieten sich Angebote, sich durch einen Atombunker Sicherheit zu verschaffen, als Möglichkeit an, Geld und Arbeit zu investieren.“Die so entstehende Nachfrage eröffne laut Lohrer nachvollziehbar „profitable Perspektiven für geschäftstüchtige Anbieter“. Der tatsächliche Nutzen für das Überleben eines Atomkrieges sei jedoch zweifelhaft.