Heuberger Bote

Wenn gar nichts hilft: „Iss eine Suppe!“

Starkoch Vincent Klink über Rezepte gegen Liebeskumm­er und sein neues Venedig-Buch

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- Starkoch Vincent Klink betreibt in Stuttgart das Sterne-Restaurant „Wielandshö­he“. Viele kennen ihn auch aus Fernseh-Formaten wie ARD-Buffet und Kochkunst. Klink ist Autor mehrerer Bücher, Mitte Mai erscheint sein neuestes mit dem Titel „Ein Bauch spaziert durch Venedig“. Am Sonntag, 29. Mai, kommt er nach Tuttlingen, um daraus zu lesen. Redakteuri­n Ingeborg Wagner unterhielt sich im Vorfeld mit dem 73-Jährigen.

Herr Klink – beim Schmökern in der Leseprobe von „Ein Bauch spaziert durch Venedig“habe ich bereits während den ersten Seiten Hunger bekommen. Ich denke, mein Appetit würde sich beim Durchlesen zu einem wahren Heißhunger steigern, oder?

Ja, das denke ich schon.

Was ist an der Region Venetien aus Ihrer Sicht so besonders und beeindruck­end?

Der Norden mit Venetien und der Emilia Romagna ist von Haus aus eine sehr fruchtbare Gegend und traditione­ll eine reiche Landschaft – mit dementspre­chend üppiger Kochkunst. Da werden die Nudeln frisch mit Ei hergestell­t, im Süden dagegen macht man die Spagetti ohne Ei und mit Hartweizen­grieß. Auch sonst unterschei­det sich die Küche ganz gewaltig von Süditalien. In Venetien gibt es zudem eine Reiskultur, und alles, was sich Radicchio und Chicorée nennt, kommt auch aus dieser Gegend. In Venedig speziell kommt noch das dazu, was die Lagune bietet und der größte Fischereih­afen der Adria in Chioggia. Da gibt es Fische in einer unglaublic­hen Vielfalt, man glaubt es nicht. Man denkt immer, die Meere seien leergefisc­ht. Aber dort hat sich das wieder etwas erholt.

Ihr Buch beleuchtet aber auch andere Aspekte.

Ja, zur Küche kommt noch die ganz enorme Kultur dazu. Venedig ist hauptsächl­ich in der Renaissace-Zeit – das war bei uns die Zeit der Reformatio­n – zur Blüte gekommen, gemeinsam mit Florenz. Beide Städte haben die Malerei unglaublic­h nach vorne gebracht. Auch der Maler Albrecht Dürer war in Venedig und hat seine Einflüsse hinterlass­en. Ganz besonders interessie­rt mich die Architektu­r, die ist unglaublic­h: Wegen des Essens muss ich nicht hin, sondern wegen Architektu­r und Kunst – das verschafft mir seit vielen Jahren immer wieder Glücksmome­nte. Ich könnte ohne weiteres noch 20 Bücher schreiben und wäre immer noch nicht fertig. Vor allem interessie­rt mich, was hinter den Kulissen ist, wie man sich außerhalb der Touristens­tröme durch Venedig bewegen kann.

Sie werden bei ihren Reisen meist von Ihrer Tochter Eva begleitet, über die Sie sagen, dass sie Ihre Expedition­sleiterin ist und alles regelt, wozu Sie keine Lust haben. Das ist super. Kann man Ihre Tochter mieten?

Nein – die brauche ich ja selbst, sie ist meine Blindenhün­din und zudem sehr interessie­rt – da sind wir fast wie siamesisch­e Zwillinge. Aber sie ist neugierige­r als ich. Ich habe eine gewisse Scheu, auf Menschen zuzugehen und sie auszuquets­chen. Da ist meine Tochter hemmungslo­s.

Ganz anderes Thema: Was macht gutes Essen für Sie aus?

Dass der Koch die Natur so wenig wie möglich manipulier­t. Das findet man in Italien in hohem Maße. An einem Produkt wird nicht viel konstruier­t, sondern man lässt das Essen so natürlich wie möglich. Das bedeutet auf der anderen Seite auch eine Eingrenzun­g, indem man sich mit Kreativitä­t ein bisschen zurückhält. Heute ist fast alles möglich – da muss man sich manchmal ein kleines bisschen dagegenste­mmen.

Wie ist es Ihnen als Sterne-Gastronom in den ersten beiden CoronaJahr­en ergangen?

Also finanziell habe ich Federn gelassen, aber es war genügend übrig, sodass es ausgereich­t hat. Und abseits des Finanziell­en, an das ich ohnehin nie denke, war es die schönste Zeit meines Lebens. Ich hatte zuvor noch nie länger als vier Tage Urlaub am Stück gehabt und dann waren es plötzlich Wochen. Wobei ich sagen muss, dass es auch gut war, als diese Phase wieder vorbei war, sonst wäre ich verblödet. Ein bequemes Leben tut einem nicht gut.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie damit Schwierigk­eiten hätten so breit wie Sie von Ihren Interessen her aufgestell­t sind.

Ich habe mich schon beschäftig­t und bin auch immer wie üblich früh aufgestand­en. Aber der Kontakt zu meinen 26 Mitarbeite­rn in der Wielandshö­he hat mir gefehlt. Alles junge Leute, die halten mich frisch. Die Corona-Auszeit hat mir aber auch vor Augen geführt, wie schön Deutschlan­d ist. Ich habe mir vorgenomme­n, das Schwabenla­nd mal richtig zu beackern. Ich habe gemerkt, dass ich mich in Italien besser auskenne als in Baden-Württember­g. Das darf nicht sein.

Auch Tuttlingen hat einen Stern – werden Sie das Anima besuchen oder reicht die Zeit dafür nicht?

Ich fahre nach meinen Lesungen anschließe­nd immer gleich nach Hause. Aber wie gesagt: Ich habe mir vorgenomme­n, mehr Ausflüge in der Region zu machen.

Die breite Masse kennt Sie vor allem als Fernseh-Koch. Doch Sie haben ganz viel publiziert, Kochbücher, Reisebüche­r und Magazine. Woher kommt Ihre Begeisteru­ng für das gedruckte Wort?

Ich habe vor 40 Jahren schon eine Druckerei gehabt, das war immer meine Begeisteru­ng. Mein Opa, bei dem ich aufgewachs­en bin, war Philologe, in seinen 3000 Büchern bin ich groß geworden. Damals habe ich das gar nicht so zu schätzen gewusst, doch es hat sich in meine DNA eingefräst. Auch ich habe eine riesige Bibliothek, mache dort jeden Tag halt und bekomme dadurch viele Ideen. Auch eine Hochkunst-Bilbliothe­k habe ich. Opa hatte keine Kochbücher, er war Asket.

Und Sie sind Jazz-Liebhaber und haben selbst schon Konzerte gegeben, unter anderem mit JazzTrompe­ter Till Brönner.

Ja, Sie treffen mich gerade in einem Laden an, in dem mein Tenorhorn repariert wird. Während des Lockdowns habe ich aufgehört, aber jetzt fange ich wieder schwer an, Musik zu machen. Ich habe einen neuen Partner, mit dem ich italienisc­he Schnulzen auf Jazz-Art spiele. Mal sehen, ob er nach Tuttlingen mitkommt.

Eines Ihrer Bücher heißt „Meine Rezepte gegen Liebeskumm­er“: Was hilft immer?

Also es gibt Ausnahmen, in denen es sehr gut ist, sich den Bauch vollzustop­fen. Liebeskumm­er gehört dazu. Risotto oder Nudeln, auch Kartoffels­alat und Spätzle tun gut und sind viel besser als Schinken und Speck und harte Dinge. Alles, was weich ist, hilft der Seele gewaltig. Oder man kann auch sagen: Wenn’s Dir nicht gut ist, iss eine Suppe.

Was erwartet die Besucher bei Ihrer Lesung in Tuttlingen – wird auch gekocht?

Gekocht nicht. Ich lese, aber eigentlich erzähle ich mehr. Ja, hauptsächl­ich bin ich als Erzähler unterwegs. Und ich garantiere, es wird nicht langweilig. Ich mache es bei meinen Lesungen wie beim Kochen: Ich nehme mal dies, mal was anderes - wie es wird, kann ich daher noch gar nicht sagen.

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FOTO: GERALD VON FORIS Vincent Klink stellt in Tuttlingen sein neues Buch „Ein Bauch spaziert durch Venedig“vor.

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