Als Vermittler bedingt geeignet
Es fällt leicht, sich über Altkanzler Gerhard Schröder zu empören. Der SPD-Politiker weigert sich beharrlich, öffentlich auf Distanz zum russischen Präsidenten Wladimir Putin zu gehen. Er zeigt Verständnis für Russlands „Einkreisungsängste“, die mit der politischen Realität im Osten Europas nichts zu tun haben, und er empfiehlt einfache Lösungen wie die Inbetriebnahme von Nord Stream 2, was politisch nahezu bizarr wäre. Kurzum: Schröder tut wenig dafür, nicht wie der „Laufbursche Putins“zu wirken – so nannte ihn der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny nach dem Giftanschlag im Sommer vor zwei Jahren.
Doch so schäbig oder zumindest befremdlich Schröders Verhalten auf viele Zeitgenossen, auch außerhalb der SPD, wirkt. Zur Wahrheit gehört, dass er offensichtlich als Einziger in seiner Partei noch einen Zugang zum russischen Präsidenten hat. Diese Männerfreundschaft mag mit den Millionen und Milliarden Dollar aus dem russischen Gasgeschäft zu tun haben, von denen beide profitieren. Sie scheint aber stabil genug zu sein, um in der gegenwärtigen Krise zu bestehen. Anstatt von Schröder zu fordern, sich von Putin zu distanzieren, sollten sich die Gegner Russlands eher überlegen, wie sie seine Kontakte nach Moskau für ihre Zwecke nutzen können. Verhandler kann man sich nicht immer aussuchen: Auch die Getreideexporte aus der Ukraine wurden von einer Regierung vermittelt, mit der Deutschland offenbar ein Problem hat, wie der Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in der Türkei gezeigt hat.
Zweifelhaft ist allerdings, ob der 78-jährige Schröder tatsächlich noch einen klaren Blick auf die Situation im Osten Europas hat. Wenn er den angeblichen Verhandlungswillen des Kremls als „gute Nachricht“verkündet, nimmt er dabei den Blickwinkel des russischen Aggressors ein – und lässt die Interessen der Ukraine außen vor. Es ist aber nicht die Sache Moskaus, nicht einmal der westlichen Unterstützer der Ukraine, zu verkünden, ob und auf welcher Basis das souveräne Land bereit für Verhandlungen ist. Das muss die Regierung in Kiew entscheiden.