„Die Stiko wurde gedrängt“
Thomas Mertens will eine bessere Absprache mit dem Gesundheitsministerium
RAVENSBURG - Eine zweite Auffrischungsimpfung für bereits geboosterte Menschen empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) am Robert-Koch-Institut nur für ältere Menschen ab 60 oder 70 Jahren. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warb kürzlich hingegen dafür, dass möglichst viele Menschen – auch Jüngere – diese in Anspruch nehmen sollten. Es war nicht das erste Mal, dass Ministerium und Stiko wegen teils gegensätzlicher öffentlicher Äußerungen in der Kritik standen. Nun soll eine neue PandemieArbeitsgruppe innerhalb der Stiko die Kommunikation mit dem Ministerium besser abstimmen.
Ist ein eigenes Gremium nötig, um zu gewährleisten, dass Stiko und Ministerium sich in der Öffentlichkeit nicht widersprechen?
Eine Absprache wäre wohl auch auf anderem Wege möglich. Die Stiko äußert sich allerdings nicht öffentlich während der Phase der Aufbereitung der Evidenz und der Diskussion über eine künftige Empfehlung. Sie äußert sich öffentlich erst, wenn die Entscheidung zu einer Empfehlung getroffen wurde und das vorgeschriebene Stellungnahmeverfahren zur neuen Empfehlung und zu der wissenschaftlichen Begründung eröffnet worden ist. In diesem Verfahren können wissenschaftliche Fachgesellschaften und Landesgesundheitsbehörden
Stellungnahmen abgeben, die dann in der Stiko diskutiert werden. Zum Abschluss wird die neue Empfehlung veröffentlicht. Erst mit den 20 Empfehlungen zur Covid-19-Impfung ist die Stiko gedrängt worden, sich früher zu äußern, was sachlich praktisch nie gerechtfertigt war. Bundesminister Lauterbach hat sich in einem Gespräch mit mir ein Beratungsgremium zu Impffragen gewünscht. Die Geschäftsordnung der Stiko gibt die Möglichkeit, thematische Arbeitsgruppen einzurichten, deren Aufgabe in der Unterstützung bei der Erarbeitung einer neuen Empfehlung besteht. Die Stiko hat eine ganze Reihe derartiger Arbeitsgruppen, in welche auch stets weitere externe Experten zusätzlich eingeladen werden können. In einer Arbeitsgruppe wird der aktuelle Wissens- und Diskussionsstand zu einer neuen Empfehlung erkennbar. Im speziellen Fall soll sie auch dazu dienen, eine Abstimmung von öffentlichen Äußerungen während des Entstehungsprozesses einer neuen Impfempfehlung zu ermöglichen. Dabei bleiben die gesetzlich vorgegebene Selbstständigkeit der Stiko und die bestehende Geschäftsordnung der Stiko unberührt.
Haben Sie mit dem Gesundheitsminister darüber gesprochen, wie es zu widersprüchlichen Aussagen wie bei der Empfehlung zu einer vierten Impfung kommen konnte?
Ja, wir haben darüber gesprochen und unsere inhaltlichen Argumente eingehend diskutiert.
Aus welchem Grund werden externe Experten hinzugezogen? Fachliche Expertise ist ja bereits in der Stiko vorhanden.
Ja, die fachliche Expertise in der Stiko ist sehr gut und es kommt ja die wichtige Unterstützung durch die Geschäftsstelle der Stiko am RobertKoch-Institut bei der Aufarbeitung der wissenschaftlichen Evidenz hinzu – also all dessen, was weltweit zu einem speziellen Problem nachvollziehbar veröffentlicht worden ist. Zusätzliche weitere externe Experten sind zur Verstärkung durchaus immer willkommen und werden durch die Stiko zur Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe eingeladen.