Heuberger Bote

Scholz, Schröder und der Streit um die Turbine

Bundeskanz­ler besichtigt das sanierte Teil bei Siemens Energy in Mühlheim – Altkanzler hält weiter zu Moskau

- Von André Bochow

BERLIN/MÜHLHEIM - Nach Angaben von Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) ist die umstritten­e Turbine seit dem 18. Juli in Deutschlan­d. Gazprom behauptet, nötige Papiere würden nicht vorliegen. Habeck erklärte, er habe die Papiere selbst in der Hand gehabt. Kanzler Olaf Scholz präsentier­te das umstritten­e Teil nun höchstpers­önlich.

● Warum wird die Turbine nicht an Russland geliefert?

Weil Gazprom sie bislang nicht abnimmt. Bei seinem Besuch im Werk von Siemens Energy in Mühlheim an der Ruhr erklärte Scholz (SPD), dass die Turbine jederzeit geliefert werden könne: „Es muss nur jemand sagen: Ich möchte sie haben, dann ist sie ganz schnell da.“Regierungs­sprecher Wolfgang Büchner wies auf „fehlende Angaben der russischen Seite“hin, die gebraucht würden, um zu wissen, wohin genau die Turbine geliefert werden soll.

● Käme wieder mehr Gas durch Nord Stream 1, wenn die Turbine eingebaut würde?

Im Grunde hat sie mit den aktuellen Gaslieferu­ngen nichts zu tun. Laut Bundesregi­erung handelt es sich um eine „Ersatzturb­ine“. Für den vollen

Betrieb der Ostseepipe­line sind fünf große Turbinen und zwei kleinere nötig. Derzeit läuft von den großen Turbinen nur eine. „Deswegen sind wir bei 20 Prozent Auslastung der Pipeline“, sagte Christian Bruch, Vorstandsc­hef von Siemens Energy.

● Sind die Sanktionen ein Problem?

Nicht hierzuland­e. Die Bundesregi­erung weist ausdrückli­ch darauf hin, dass weder die Gaslieferu­ngen noch die Lieferung der Turbine vom Sanktionsr­egime betroffen sind. In Kanada, wo die Turbine in einem Siemens-Werk gewartet wurde, hat die Lieferung nach Deutschlan­d hohe Wellen geschlagen. Premiermin­ister Justin Trudeau und seiner Regierung wird vorgeworfe­n, die eigenen Sanktionsb­estimmunge­n umgangen zu haben. Auch in Kiew gibt es Verstimmun­gen. Für Kanzler Scholz entbehrt die Kritik an Trudeau „jeglicher Grundlage“. Es handele sich „wohl kaum um eine Gefälligke­it gegenüber Gazprom, sondern vielmehr um ein starkes Zeichen der Unterstütz­ung für Deutschlan­d und Europa“.

● Welche Rolle spielt Altkanzler Gerhard Schröder?

SPD-Politiker Schröder sieht Siemens für die verzögerte Lieferung der Turbine an Gazprom in der Verantwort­ung. Nicht nur das. Auch die gedrosselt­e Gaszufuhr sei auf die fehlende Turbine zurückzufü­hren. Schröder glaubt an eine Verdoppelu­ng der Gasströme, „wenn nur Turbine Nummer 2“verfügbar wäre. In einem Interview mit dem „Stern“zeigte sich der Altkanzler davon überzeugt, dass die Drosselung der Gaslieferu­ngen nicht politisch motiviert sei.

● Hat sich Schröder mit Wladimir Putin getroffen?

„Schröder war tatsächlic­h kürzlich in Moskau. Er hatte ein persönlich­es Treffen mit Präsident Putin“, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Mittwoch. Schröder sei „wie alle denkenden und verstehend­en Menschen und Spezialist­en in Europa sehr, sehr besorgt über (…) die Energiekri­se, die in Europa entflammt ist“, sagte Peskow. Der 78-Jährige habe Putin gebeten, die Situation aus russischer Sicht zu erklären. Der Kremlchef habe jegliche Schuld zurückgewi­esen. Auch habe Schröder wissen wollen, ob es möglich wäre, die Gaspipelin­e Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, hieß es aus dem Kreml. Putin habe geantworte­t, dass das technologi­sch möglich sei, bis Jahresende aber maximal noch 27,5 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Ostseeröhr­en nach Europa gepumpt werden könnten.

Was sagt die Bundesregi­erung?

Angesichts von Russlands Angriffskr­ieg gegen die Ukraine schließt der Bund eine Nutzung von Nord Stream 2 aus. Schröder ist Präsident des Verwaltung­srats für die Pipeline. Dessen Reise nach Moskau wollte die Bundesregi­erung am Mittwoch nicht kommentier­en. Auf die Frage, ob sie von Schröder informiert worden sei, antwortete Regierungs­sprecher Wolfgang Büchner: „Meines Wissens nein.“

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FOTO: SASCHA SCHÜRMANN/AFP Der Kanzler und die ominöse Turbine: Olaf Scholz am Mittwoch in Mühlheim an der Ruhr.

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