Scholz, Schröder und der Streit um die Turbine
Bundeskanzler besichtigt das sanierte Teil bei Siemens Energy in Mühlheim – Altkanzler hält weiter zu Moskau
BERLIN/MÜHLHEIM - Nach Angaben von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist die umstrittene Turbine seit dem 18. Juli in Deutschland. Gazprom behauptet, nötige Papiere würden nicht vorliegen. Habeck erklärte, er habe die Papiere selbst in der Hand gehabt. Kanzler Olaf Scholz präsentierte das umstrittene Teil nun höchstpersönlich.
● Warum wird die Turbine nicht an Russland geliefert?
Weil Gazprom sie bislang nicht abnimmt. Bei seinem Besuch im Werk von Siemens Energy in Mühlheim an der Ruhr erklärte Scholz (SPD), dass die Turbine jederzeit geliefert werden könne: „Es muss nur jemand sagen: Ich möchte sie haben, dann ist sie ganz schnell da.“Regierungssprecher Wolfgang Büchner wies auf „fehlende Angaben der russischen Seite“hin, die gebraucht würden, um zu wissen, wohin genau die Turbine geliefert werden soll.
● Käme wieder mehr Gas durch Nord Stream 1, wenn die Turbine eingebaut würde?
Im Grunde hat sie mit den aktuellen Gaslieferungen nichts zu tun. Laut Bundesregierung handelt es sich um eine „Ersatzturbine“. Für den vollen
Betrieb der Ostseepipeline sind fünf große Turbinen und zwei kleinere nötig. Derzeit läuft von den großen Turbinen nur eine. „Deswegen sind wir bei 20 Prozent Auslastung der Pipeline“, sagte Christian Bruch, Vorstandschef von Siemens Energy.
● Sind die Sanktionen ein Problem?
Nicht hierzulande. Die Bundesregierung weist ausdrücklich darauf hin, dass weder die Gaslieferungen noch die Lieferung der Turbine vom Sanktionsregime betroffen sind. In Kanada, wo die Turbine in einem Siemens-Werk gewartet wurde, hat die Lieferung nach Deutschland hohe Wellen geschlagen. Premierminister Justin Trudeau und seiner Regierung wird vorgeworfen, die eigenen Sanktionsbestimmungen umgangen zu haben. Auch in Kiew gibt es Verstimmungen. Für Kanzler Scholz entbehrt die Kritik an Trudeau „jeglicher Grundlage“. Es handele sich „wohl kaum um eine Gefälligkeit gegenüber Gazprom, sondern vielmehr um ein starkes Zeichen der Unterstützung für Deutschland und Europa“.
● Welche Rolle spielt Altkanzler Gerhard Schröder?
SPD-Politiker Schröder sieht Siemens für die verzögerte Lieferung der Turbine an Gazprom in der Verantwortung. Nicht nur das. Auch die gedrosselte Gaszufuhr sei auf die fehlende Turbine zurückzuführen. Schröder glaubt an eine Verdoppelung der Gasströme, „wenn nur Turbine Nummer 2“verfügbar wäre. In einem Interview mit dem „Stern“zeigte sich der Altkanzler davon überzeugt, dass die Drosselung der Gaslieferungen nicht politisch motiviert sei.
● Hat sich Schröder mit Wladimir Putin getroffen?
„Schröder war tatsächlich kürzlich in Moskau. Er hatte ein persönliches Treffen mit Präsident Putin“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Schröder sei „wie alle denkenden und verstehenden Menschen und Spezialisten in Europa sehr, sehr besorgt über (…) die Energiekrise, die in Europa entflammt ist“, sagte Peskow. Der 78-Jährige habe Putin gebeten, die Situation aus russischer Sicht zu erklären. Der Kremlchef habe jegliche Schuld zurückgewiesen. Auch habe Schröder wissen wollen, ob es möglich wäre, die Gaspipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, hieß es aus dem Kreml. Putin habe geantwortet, dass das technologisch möglich sei, bis Jahresende aber maximal noch 27,5 Milliarden Kubikmeter Gas durch die Ostseeröhren nach Europa gepumpt werden könnten.
Was sagt die Bundesregierung?
Angesichts von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine schließt der Bund eine Nutzung von Nord Stream 2 aus. Schröder ist Präsident des Verwaltungsrats für die Pipeline. Dessen Reise nach Moskau wollte die Bundesregierung am Mittwoch nicht kommentieren. Auf die Frage, ob sie von Schröder informiert worden sei, antwortete Regierungssprecher Wolfgang Büchner: „Meines Wissens nein.“