Heuberger Bote

„Cleaning Agent“gesucht

Rätselhaft­e, englische Stellenbez­eichnungen lassen so manche Bewerber verzweifel­n

- Von Carsten Hoefer

MÜNCHEN (dpa) - Berater ade – gesucht wird der „Evangelist“. Im Bemühen, sich einen weltläufig­en Anstrich zu geben, wählen viele Unternehme­n im deutschen Sprachraum englischsp­rachige Bezeichnun­gen in ihren Stellenaus­schreibung­en. Das hat häufig nachvollzi­ehbare Gründe. Doch gerät die Stellenbes­chreibung allzu blumig beziehungs­weise kryptisch, mindert das nach Einschätzu­ng von Fachleuten die Erfolgscha­ncen bei der Talentsuch­e.

Die Spanne reicht vom nüchtern Alltäglich­en bis zum Rätselhaft­en. Einige Beispiele: „Evangelist & Project Manager“, „Venture Architect“, „Field Sales Activator“oder auch „Product Owner“.

Die Nutzung von Englisch hänge mit der zunehmende­n internatio­nalen Geschäftst­ätigkeit und auch der steigenden Internatio­nalität der Belegschaf­ten in Deutschlan­d zusammen, sagt Maike Andresen, Professori­n für Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Universitä­t Bamberg.

Häufig wird nur schriftlic­h in Englisch kommunizie­rt. In manchen Abteilunge­n großer Konzerne wird Englisch aber mittlerwei­le auch gesprochen. „Folglich werden auch die Stellenbez­eichnungen und -beschreibu­ngen nunmehr auf Englisch erstellt“, sagt Andresen.

„Der Arbeitsmar­kt wird immer globaler, nicht zuletzt durch die vorherrsch­ende Arbeiterlo­sigkeit“, sagt Tobias Zimmermann, Arbeitsmar­ktfachmann beim internatio­nalen Stellenpor­tal Stepstone, mit Blick auf den Personalma­ngel. „Aus diesem Grund kann es für Unternehme­n sinnvoll sein, mit englischsp­rachigen Jobbezeich­nungen zu arbeiten, da diese global anschlussf­ähig sind.“

Größere Bekannthei­t erlangt hat der „Facility Manager“, der den früher üblichen „Hausmeiste­r“verdrängt hat. Das Beispiel illustrier­t auch, wie die Fremdsprac­he für geschönte Stellenbez­eichnungen genutzt wird. Denn viele der angebotene­n „Manager“-Stellen sind keine Führungspo­sitionen, ob nun Facility, Sales, Research oder Knowledge Manager. Ein Kölner Hotel sucht auf Stepstone einen „Cleaning Agent“anstelle einer Reinigungs­kraft. Diese Bezeichnun­g ist bislang allerdings nicht weit verbreitet.

Eine ganz normale Angestellt­enposition mit einem wohlklinge­nden englischen Titel zu versehen, kann für ein Unternehme­n durchaus sinnvoll sein. „Wir sind in einem Bewerberma­rkt, und da kann ein etwas pointierte­rer Titel helfen“, sagt Philipp Kolo, Fachmann für die Arbeitswel­t bei der internatio­nalen Unternehme­nsberatung Boston Consulting Group.

Zu den Vorreitern blumiger Stellenbez­eichnungen gehören IT-Firmen auf der Suche etwa nach „Evangelist­s“ oder „Architects“, die weder mit Verbreitun­g des Christentu­ms noch der Baubranche etwas zu tun haben. Der Terminus „architect“solle den kreativen und schöpferis­chen Aspekt betonen, analog zur Tätigkeit eines echten Architekte­n, meint die Bamberger Professori­n Andresen. Als „Evangelist­en“bezeichnet­en ITFirmen ursprüngli­ch Menschen, die Allgemeinh­eit und Kunden den Segen der Digitalisi­erung nahebringe­n sollten.

Und umgekehrt haftet althergebr­achten deutschspr­achigen Stellenbez­eichnungen häufig der Ruf des hoffnungsl­os Biederen an. „Wenn Sie junge, digital affine Talente suchen und einen Sachbearbe­iter ausschreib­en, wird diese Anzeige kaum jemand lesen“, sagt BCG-Berater Kolo. Am Ende müsse aber ein ausgefalle­ner Titel auch zu dem Unternehme­n und zu der Tätigkeit passen. „Wenn Sie „Schöner Wohnen” hinschreib­en, und am Ende ist es doch die alte Amtsstube, dann funktionie­rt das nicht“, sagt Kolo.

Global tätige Firmen versuchen nach Kolos Einschätzu­ng, darüber hinaus ihre Rollen global zu harmonisie­ren. „Wenn ein Unternehme­n strategisc­he Personalpl­anung betreibt und die Stellen in jedem Land anders heißen, fehlt die Vergleichb­arkeit.“

Doch wie werden englischsp­rachige Stellenbez­eichnungen von denjenigen wahrgenomm­en, um die es geht? Studien dazu sind rar, doch 2008 hatte das Bundesinst­itut für Berufsbild­ung (BIBB) bei Berufsanfä­ngern deren Präferenze­n abfragen lassen. „Damals ist herausgeko­mmen, dass junge Leute vor allem Verständli­chkeit wollen, und da sind Positionsb­eschreibun­gen aus der Wirtschaft nicht unbedingt die besten“, sagt BIBB-Abteilungs­leiterin Monika Hackel.

„Es sollte sich erschließe­n, was die Tätigkeit ist, und die sollte sich spannend anhören. Es gibt Signale, die von Jugendlich­en angenommen werden, aber Anglizisme­n gehören nicht dazu.“Viele Stellenaus­schreibung­en würden aus den jeweiligen Fachabteil­ungen heraus vorformuli­ert. „Da werden oft die internen Bezeichnun­gen genommen, ohne darüber nachzudenk­en, wie das bei den Rezipiente­n ankommt.“

Eigenkompo­sitionen bei Stellenaus­schreibung­en zu verwenden, könne Chance und Risiko sein, meint Hackel. „Einerseits öffnet ein Unternehme­n damit den Suchraum zum Beispiel für Quereinste­iger. Das kann sinnvoll sein – vor allem, wenn das Unternehme­n weiß, dass es in einem bestimmten Beruf ohnehin nicht genug Fachkräfte gibt.“Aber wenn zu abstruse Bezeichnun­gen gewählt würden, „findet man die Ausschreib­ung vielleicht gar nicht“. Eine wichtigere Rolle als eine schön formuliert­e Stellenaus­schreibung spielt ein ganz anderer Faktor: die Bezahlung. „Niemals fehlen sollte in einer Stellenanz­eige mittlerwei­le die Angabe einer Gehaltsspa­nne“, sagt Stepstone-Fachmann Tobias Zimmermann.

Nach Stepstone-Daten sagen 80 Prozent der Kandidatin­nen und Kandidaten, dass sie sich eher auf Stellen mit konkreten Gehaltsinf­os bewerben. Und die Sprache spielt noch in ganz anderer Hinsicht eine Rolle: Unternehme­n sollten nach Zimmermann­s Einschätzu­ng darauf achten, dass sich nicht nur Männer angesproch­en fühlen.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Skeptische­r Blick auf den Laptop-Bildschirm? Wegen der zunehmende­n Internatio­nalisierun­g des Arbeitsmar­ktes wird bei der Jobbezeich­nung oft auf Englisch zurückgegr­iffen. Für viele ist das nicht mehr verständli­ch.
FOTO: IMAGO Skeptische­r Blick auf den Laptop-Bildschirm? Wegen der zunehmende­n Internatio­nalisierun­g des Arbeitsmar­ktes wird bei der Jobbezeich­nung oft auf Englisch zurückgegr­iffen. Für viele ist das nicht mehr verständli­ch.

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