ZF mit dickem Plus trotz jeder Menge Krisen
Friedrichshafener Autozulieferer legt beim Umsatz ordentlich zu – Gewinn kann aber nicht mithalten – Rekordauftrag für E-Antriebe
FRIEDRICHSHAFEN - Mehr Umsatz, weniger Gewinn: Der Automobilizulieferer ZF Friedrichshafen hat in den ersten sechs Monaten dieses Jahres Geschäfte im Wert von 21,2 Milliarden Euro gemacht. Das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Der bereinigte Gewinn des Autozulieferers vor Zinsen und Steuern betrug in den ersten beiden Quartalen 851 Millionen Euro (2021: eine Milliarde Euro).
Bei der Pressekonferenz zu den Halbjahreszahlen am Mittwoch berichtete ZF-Vorstandsvorsitzender Wolf-Henning Scheider, dass sein Unternehmen Aufträge für 23 Milliarden Euro im Segment Elektroantriebe ergattert habe – „der höchste uns bekannte Auftragseingang in diesem Bereich bei Zulieferern“. Der Manager kündigte zudem an, dass es bis Ende des Jahres für alle deutschen ZF-Fabriken Vereinbarungen zur Zukunft der Standorte geben soll.
„Das erste Halbjahr war von vielen Unwägbarkeiten und externen Einflüssen geprägt, die wir als ZFTeam – auch basierend auf den Krisenerfahrungen der beiden vergangenen Jahre – gut gemeistert haben“, sagte Scheider. „Beeinflusst haben unser Geschäft der Krieg in der Ukraine, die pandemiebedingten Lockdowns in China, die eingeschränkte Verfügbarkeit von Halbleitern und die signifikante Inflation.“
Dass ZF im ersten Halbjahr 2022 zwar mehr umgesetzt, aber – bereinigt um Wechselkurseffekte – weniger verdient hat als vor einem Jahr, hat laut Finanzvorstand Konstantin Sauer zwei wesentliche Gründe: höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung (plus 14 Prozent) und hohe Kosten beim Start der Produktion verschiedener neuer Produkte vor allem für die E-Mobilität. Gestärkt hat ZF nach eigenen Angaben die finanzielle Unabhängigkeit: Die Eigenkapitalquote stieg von 18,6 Prozent Ende 2021 auf rund 24 Prozent per 30. Juni 2022.
„In einem schwachen und volatilen Marktumfeld haben wir in unserer Performance Stabilität und Ausdauer bewiesen“, sagte der ZF-Finanzchef. Immerhin ist der weltweite PkwMarkt im ersten Halbjahr 2022 um zwei Prozent geschrumpft, der Nutzfahrzeugmarkt gar um 28 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen.
Das Unternehmen rechnet für das Jahr 2022 unverändert mit moderatem Wachstum des Umsatzes auf ein Volumen von erstmals mehr als 40 Milliarden Euro. Die Ebit-Marge (Gewinn vor Steuern und Zinsen) erwartet ZF im Bereich von 4,5 bis 5,5 Prozent.
Die Prognose bleibt laut Konzern unter Vorbehalt, da ZF mit negativen Einflüssen durch bekannte Probleme wie Inflation, Krieg in der Ukraine, eingeschränkte Verfügbarkeit von Halbleitern oder Covid-19-Pandemie rechnet. Im zweiten Halbjahr könnten zudem Probleme durch mögliche Gaslieferstopps entstehen, ein „belastendes Szenario“, so Scheider. Viele neue Aufträge hat ZF unter anderem für elektrifizierte Antriebe erhalten. Das Auftragsvolumen in diesem Bereich beläuft sich nach Konzernangaben für Autos und Nutzfahrzeuge auf 23 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030. „Mit den neuen Aufträgen können wir den Wandel von klassischen Getrieben hin zu rein elektrischen Antrieben bewältigen und den Wegfall der Technologien für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mehr als ausgleichen“, sagt Scheider. Zudem biete ZF ein umfassendes „Angebot der ,by-wire’-Technologie“, Komponenten und Systeme, die rein elektronisch, also ohne Verbindung über Mechanik oder Flüssigkeiten funktionieren. Vor einigen Tagen erst hatte der Konzern mitgeteilt, dass er als erstes Unternehmen weltweit eine vollelektrische Steuerung in Serie produzieren wird.
Scheider berichtete zudem vom Großauftrag eines Fahrzeugherstellers für die erste Ausbaustufe der Vernetzungsplattform ZF ProConnect, die 2024 in Serie gehen wird. Sie ermöglicht die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander und mit Satelliten – alles durch die Verbindung zur Cloud. Über das System können Routenplanung, Systemdiagnosen aus der Ferne oder auch das Flottenmanagement laufen.
Zuversichtlich ist Scheider mit Blick auf die Entwicklung der deutschen ZF-Standorte. Im Rahmen eines sogenannten „Tarifvertrag Transformation“sollen für alle Fabriken von Unternehmen und Betriebsräten Wege erarbeitet werden, Produktion und Standorte dauerhaft zu sichern. Auch wenn Scheider nach wie vor das Aus für einzelne Standorte nicht ausschließen will, gibt er sich doch zuversichtlich, dass „wir bis Ende das Jahres durch sind“. Das wäre auch für den 60-jährigen Vorstandsvorsitzenden ein schöner Abschluss seiner fünf ZF-Jahre. Wolf-Henning Scheider wird den Konzern verlassen und zum PrivateEquity-Unternehm Partners Group in die Schweiz wechseln.