Erst Corona, nun Katar
Die Fußball-Bundesliga steht vor einer Saison mit vielen Unbekannten – Winter-WM sorgt für Verunsicherung
(dpa) - Eigentlich müssten die Nationalspieler ihre Reisekoffer gar nicht mehr auspacken. In dieser am Freitag beginnenden, sehr besonderen Bundesligasaison jagt ein Spiel das nächste – ehe die umstrittene Fußball-WM in Katar für eine Pause sorgt, die Vereine und Spieler nach der schwierigen Phase der CoronaPandemie vor neue Herausforderungen stellt. „Die WM-Vergabe nach Katar war nicht die größte Glanzleistung. Nun müssen wir aber das Beste draus machen“, sagte DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke und schränkte ein, was – je nach Fanzugehörigkeit – Hoffnung oder Befürchtung ist: Die „Machtverhältnisse“werden „keine anderen sein, wenn es dann im Januar wieder losgeht“.
Ab dem 14. November werden die Bundesligen wegen der WM für über zwei Monate unterbrochen. Bis dahin sollen 15 Spieltage absolviert und die Gruppenphasen der Europapokal-Wettbewerbe mit jeweils sechs Partien abgeschlossen sein. Zudem stehen die zweite Runde des DFBPokals und ein Länderspielfenster im Rahmenterminkalender. Englische Wochen werden dann zur Gewohnheit.
„Ab September wird es schon knackig“, sagte Bayern-Trainer Julian Nagelsmann, dessen deutsche Nationalspieler auf 25 Spiele kommen könnten. Aufgrund der engen Taktung seien „Verletzungen in diesem Jahr doppelt und dreifach schlimm“. RB Leipzigs Trainer Domenico Tedesco warnte davor, „dass wir das Rad nicht überdrehen“. Die Belastung der Top-Spieler sei „mittlerweile grenzwertig“.
Die Nationaltrainer wie Hansi Flick werden stark hoffen, dass ihre Starspieler gut durchkommen bis zur WM, die eigentlich das überstrahlende Highlight sein soll, aber wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter im Ausrichterland weiterhin höchst kritisch gesehen wird. Drohende Corona-Wellen ab dem Herbst scheinen in die Terminkalender nicht eingerechnet. Zudem bleiben die Energiekrise und deren Auswirkungen große Unbekannte für die kommenden Wochen, während derer die Bundesliga-Manager ihre WinterpausenPläne finalisieren müssen.
„Bei den Tagungen innerhalb der Liga gab es schon mehrere Gedankengänge“, sagte der Wolfsburger Sportdirektor Marcel Schäfer. Es gebe „unterschiedliche Ansätze: Spielt man ein Turnier? Wann macht man frei – sofort nach dem letzten Bundesligaspiel oder trainiert man erstmal weiter?“Auch Testspiele der Clubs untereinander, während auf den Weihnachtsmärkten erste Spiele aus Katar übertragen werden, sind denkbar.
Bei einigen Vereinen wird über Werbereisen in die USA und Asien gesprochen. Dann ohne die prominenten Nationalspieler, die zur WM aufbrechen. Dazu hat sich etwa der VfB Stuttgart entschieden. Wie der Verein am Mittwoch mitteilte, repräsentiert der VfB vom 14. bis 21. November im Einklang mit der Internationalisierungsstrategie
der Deutschen Fußball Liga (DFL) die Bundesliga auf dem amerikanischen Markt. Ein Testspiel gegen den 1. FC Köln am 19. November im texanischen Austin ist bereits terminiert.
„Die USA sind durch das stetig wachsende Fußballinteresse einer der wichtigen Zielmärkte unserer Internationalisierungsstrategie“, sagte Rouven Kasper, beim VfB Vorstand für Marketing und Vertrieb. „Darüber hinaus ist Texas durch seine Nähe zu Mexiko und die damit vorhandene Fußballbegeisterung ein besonders spannender Bundesstaat.“
Dennoch herrscht vielerorts Verunsicherung. „Es ist sicher nicht ideal für den Ligabetrieb, im Winter eine derart lange Unterbrechung zu haben“, sagte Hertha-Geschäftsführer Fredi Bobic. „Das gab es in der Form noch nie und stellt alle Vereine vor eine große Herausforderung.“Längere Winterpausen gab es in der Bundesliga-Historie zwar bereits – aber nie mit einem WM-Turnier zwischendrin. „Die WM-Pause ist mit der Sommervorbereitung nicht zu vergleichen, da man die Spannung im laufenden Wettbewerb hochhalten muss. Wir werden kreativ sein müssen“, sagte Bochums Trainer Thomas Reis.
Zwei Wochen nach dem WM-Finale (18. Dezember) beginnt am 1. Januar die Winter-Transferperiode. Normalerweise halten sich die Ausgaben der europäischen Vereine im Vergleich zum Sommer in Grenzen – das WM-Schaulaufen könnte das ändern. Der 16. Bundesliga-Spieltag ist das Wochenende vom 20. bis zum 22. Januar 2023 terminiert, der 17. Spieltag soll zwei Tage später stattfinden. „Die Auswirkungen werden nicht so gravierend sein, wie man vielleicht glaubt. Ob du jetzt am 15. November oder 15. Dezember die Hinrunde beschließt, es geht am Ende um vier Wochen“, sagte Watzke.