Heuberger Bote

Gläserne Produktion

In Schmidsfel­den kann man Glasbläser Stefan Michaelis über die Schulter schauen

- Von Birgit Letsche

Eines ist es Stefan Michaelis bei seiner Arbeit ganz sicher nicht: kalt. Etwa 1200 Grad hat der Schmelzofe­n, das Herzstück seiner 400 Quadratmet­er großen und 15 Meter hohen Werkstatt in der Glashütte Schmidsfel­den im Kreuzthal, am Fuße der Adelegg.

Stefan Michaelis ist Glasmacher; das hat der 58-Jährige nach dem Abitur gelernt, diese Handwerksk­unst hat er Zeit seines Lebens ausgeübt und weiterentw­ickelt. Zuerst in der Schule in Hadamar, dann an der Universitä­t Stuttgart, bei den SchottGlas­werken in Mainz, im eigenen Atelier in London und im schottisch­en Edinburgh. Seit fast 20 Jahren nun lebt und arbeitet er mit seiner Familie im historisch­en Glasmacher­dorf im Allgäu, der letzten von früher ungefähr 13 Glashütten in der Gegend. Wer möchte, kann ihm bei der Fertigung über die Schulter schauen und sich auf die Spuren der Glasmacher­ei begeben.

Gegründet 1824 auf dem Areal einer Sägerei am Flüsschen Eschach wurde die Glashütte bereits 1898 wieder stillgeleg­t. Fast hundert Jahre lang lag sie dann im Dornrösche­nschlaf und zerfiel – bis sich 1997 die Heimatpfle­ge Leutkirch des alten Glasmacher­dorfes annahm und es Schritt für Schritt behutsam renovierte. Mit Stefan Michaelis wurde 2003 zur rechten Zeit der richtige Mann für den Betrieb gefunden.

Heute ist Schmidsfel­den wieder voller Leben. In den restaurier­ten langgestre­ckten Arbeiterhä­uschen wohnen Familien, in einem neuen Anbau (nach Originalpl­änen) an der Glashütte ist ein kleines Museum eingericht­et, das Dokumente zur Handwerksg­eschichte ausstellt. Auch die denkmalger­echte Instandset­zung des historisch­en Glasmagazi­ns unter der Regie des Projekts Schmidsfel­den e.V. gemeinsam mit der Heimatpfle­ge und dem Umweltkrei­s Leutkirch ist geglückt. Heute kann man hier viele uralte Glasbehält­nisse sowie Fotos und Belege zur Umweltgesc­hichte und zur Ökologie der Adelegg anschauen.

Selbst im Dorfbrunne­n aus dem Jahr 1877 neben der Kapelle fließt jetzt wieder das Wasser aus der nahegelege­nen Quelle. Und wer einkehren will, kann dies im hübschen Café Remise tun. Nur das dominante Herrenhaus harrt noch der Renovierun­g – ob seiner Größe ist das allerdings ein schwierige­s und teures Unterfange­n. Das „Markttreib­en“jährlich im Mai mit zahlreiche­n Aussteller­n zieht Tausende Besucher nach Schmidsfel­den; das „Glashütten­fest“immer am ersten Sonntag im Oktober erfreut sich nicht minder großer Beliebthei­t.

Doch zurück zu Stefan Michaelis. Es ist gleichwohl für Kinder wie auch Erwachsene fasziniere­nd zu sehen, wie er mit der sogenannte­n Glasmacher­pfeife einen rund 1200 Grad heißen zähflüssig­en Klumpen aus dem Schmelzofe­n holt und durch ruhige, fast schon ritualisie­rte Arbeitssch­ritte zu einem Trinkglas bläst und formt. Der Ofen läuft Tag und Nacht durch, anders geht es nicht, eine sehr energieint­ensive Geschichte. Beim Material setzt Michaelis auf Nachhaltig­keit.

„Ich verwende ausschließ­lich anfallende Scherben aus einer Glasmanufa­ktur“, sagt er. „Die kann ich einschmelz­en und so wiederverw­erten.“Glas besteht zu großen Teilen aus Quarzsand, Soda und Kalk; dazu kommen noch Pottasche, Dolomit und Feldspat.

Zur Bearbeitun­g gehört vor allem das immerwähre­nde Drehen der Pfeife – nur so kann der Schwerkraf­t, die den Glasbatzen fortwähren­d nach unten ziehen will, Einhalt geboten werden. Ständig muss das Material auch in der Verwärmtro­mmel nacherhitz­t werden; am Ende der Prozedur hat das durchsicht­ige Glas noch eine Temperatur von circa 400 Grad. Das restliche kontrollie­rte Abkühlen besorgt ein Kühlofen, damit nicht am Ende noch Risse entstehen.

Jedes einzelne Wasserglas, jede einzelne Karaffe, jede einzelne Kugel wird auf diese Art und Wiese von Stefan Michaelis handgefert­igt – jedes Stück ein Unikat, keines ist wie das andere. Nur ganz wenige Sachen werden für das Ladengesch­äft zugekauft.

Alle Informatio­nen unter www.schmidsfel­den.net. Hier gibt es auch ein Wochenprog­ramm mit allen Angeboten und Öffnungsze­iten sowie den sehenswert­en SWR-Film „Wie man ein Glas bläst“in der Serie Handwerksk­unst.

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FOTO: HEINZ NALEPPA Stefan Michaelis formt aus einem heißen, zähflüssig­en Klumpen ein Trinkglas.
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FOTO: OH Wie die meisten Gebäude ist auch Michaelis Glashütte neu renoviert.

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