Heuberger Bote

Corona-Hunde landen oft im Tierheim

Der Trend zum Haustier während der Pandemie ist abgeebbt

- Von Irena Güttel

(dpa) - Als sich die Tür zu den Zwingern öffnet, ertönt ohrenbetäu­bendes Gebell. Etliche Hunde laufen hinter den Gittern aufgeregt auf und ab. Romeo verschwind­et dagegen sofort durch eine Klappe ins Innere des Hundetrakt­s. „Er ist sehr ängstlich“, sagt Tanja Schnabel, die das Nürnberger Tierheim leitet. Was der dreijährig­e Mischling erlebt hat, kann sie nur raten. Der Hund ist ein Fundtier: Er saß drei Stunden in einem Wohngebiet angebunden herum, bis ihn jemand ins Tierheim brachte. Und Romeo ist kein Einzelfall.

Um die 60 Hunde, etwa 120 Katzen und noch mehr Kleintiere beherbergt das Nürnberger Tierheim zurzeit. „Wir sind voll bis unters Dach“, sagt Schnabel. Deshalb kann das Tierheim inzwischen keine weiteren Tiere mehr aufnehmen. Auch in anderen Tierheimen in Deutschlan­d sieht es nach Angaben des Deutschen Tierschutz­bunds ähnlich aus. „Die vielen Tiere in Betreuung bringen das Personal an seine Grenzen“, sagt Präsident Thomas Schröder. Vor allem, weil viele der Hunde schwierig im Umgang seien und viel

Betreuung bräuchten. Mit Romeo wird deshalb später eine Pflegerin spazieren gehen. Denn den Freiwillig­en, die sonst die Hunde in Nürnberg ausführen, kann man so ein Tier nicht anvertraue­n. „Die Vermutung liegt nahe, dass das die Nachwirkun­gen von Corona sind“, sagt Schnabel.

Das denkt auch Beate Kaminski vom Berliner Tierheim, in dem im vergangene­n Jahr auffällig viele junge Hunde größerer und anspruchsv­ollerer Rassen abgegeben worden seien. „Da hatten sich die Leute vermutlich unbedarft im Zuge des Corona-Haustierbo­oms kleine Welpen ins Haus geholt, aber nicht die notwendige Erziehungs­arbeit geleistet. Spätestens mit dem Beginn der Pubertät waren sie dann völlig überforder­t mit dem Junghund“, meint sie.

Das Tierheim hat inzwischen einen Aufnahmest­opp verhängt. Auf der Warteliste stehen allein mehr als 80 Hunde, die die Besitzerin­nen und Besitzer gerne abgeben möchten.

Auch im Saarbrücke­r Tierheim sitzen zurzeit nicht nur sehr viele Hunde, sondern auch besonders viele junge. Sonst würden eher ältere Tiere abgegeben, sagt Frederick Guldner. Viele der Hunde verhielten sich auffällig. „Sie wissen nicht, wie sie kommunizie­ren sollen. Sie reagieren aggressiv und bellen bei Unbekannte­n.“Andere hätten Erkrankung­en an den Muskeln und am Skelett. „Das macht es schwierig, die Tiere zu vermitteln“, sagt Guldner. Niemand nimmt einen Schäferhun­d, der mit einem Jahr schon Hüftproble­me hat.“

Dass die Corona-Zeit Spuren bei jungen Hunden hinterlass­en hat, stellt auch Udo Kopernik vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) fest. „Die Hunde haben schon ein Defizit. Sie sind in eine Zeit reingewach­sen, wo man sich in einem Kokon bewegt hat“, sagt er. Sie seien daran gewöhnt worden, rund um die Uhr betreut zu werden und hatten wenig Kontakt zu anderen Hunden und Menschen. Als die Besitzerin­nen und Besitzer nach Monaten im Homeoffice wieder zur Arbeit mussten, seien die Probleme aufgetauch­t, weil sie den Hund nicht mitnehmen konnten, dieser aber nicht allein sein oder von anderen betreut werden wollte.

Ein weiteres Problem ist der illegale Welpenhand­el, den die große Nachfrage nach Hunden in der Corona-Krise aufblühen lassen hat. Allein im Nürnberger Tierheim landeten vergangene­s Jahr 170 Hundebabys, die die Polizei aus illegalen Transporte­n befreit hatte. Viele der Welpen seien viel zu jung, um von ihrer Mutter und den Geschwiste­rn getrennt zu werden, sagt Kopernik. „Im Welpenalte­r fällt nicht auf, dass ihnen ein entscheide­nder Schritt in der Sozialisie­rung fehlt. Das tritt mit dem Erreichen der Pubertät aber zutage. Die Hunde werden aggressiv, es kommt zu Beißvorfäl­len in der Familie.“

Auch die Erkrankung­en bei jungen Hunden, von denen das Saarbrücke­r Tierheim berichtet, können Kopernik zufolge auf unseriöse Züchter zurückgehe­n, die keine vernünftig­en Gesundheit­sprüfungen bei den Elterntier­en machten. „Da geht es einfach um Masse und darum, schnell Geld zu verdienen.“

Die Tierheime finden für solche Hunde oft nur schwer ein neues Zuhause – vor allem jetzt, wo der Corona-Haustierbo­om abgeebbt ist. „Im Moment gibt es kaum Anfragen für unsere Tiere. Vielleicht liegt es daran, dass die Leute jetzt keine Tiere mehr haben möchten“, heißt es vom Tierheim im niedersäch­sischen Salzgitter.

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FOTO: DANIEL LÖB/DPA Eine Pflegerin des Tierheims Nürnberg geht mit Romeo, einem dreijährig­en Molosser, Gassi. Viele Tierheime in Deutschlan­d sind inzwischen voll bis unters Dach mit mehr Haustieren aus der Corona-Zeit.

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