Heuberger Bote

16-Jähriger bei Polizeiein­satz in Dortmund erschossen

Der Jugendlich­e soll mit einem Messer bewaffnet gewesen sein – Ermittlung­en laufen

- Von Gregor Bauernfein­d

(dpa) - Elf Polizisten sind bei einer Jugendhilf­eeinrichtu­ng im Dortmunder Norden im Einsatz. Einer von ihnen drückt ab: Mindestens sechsmal feuert er aus einer Maschinenp­istole vom Typ MP5. Nur eines der Projektile verfehlt sein Ziel: einen 16-Jährigen, der womöglich suizidal ist, aber auch die Beamten mit einem Messer angegriffe­n haben soll. Eine Kugel trifft den Jugendlich­en im Bauch, eine im Kiefer, drei weitere an Schulter und Unterarm. Er wird noch ins Krankenhau­s gebracht. Bei einer Not-Operation stirbt er aber an den Schussverl­etzungen.

Einen Tag nach dem blutigen Einsatz am Montagnach­mittag liefen bei der Staatsanwa­ltschaft weiter die Ermittlung­en zu den Hintergrün­den der Tat. Der Polizist, der schoss, werde – wie in solchen Fällen üblich – als Beschuldig­ter geführt, sagte der zuständige Oberstaats­anwalt Carsten Dombert am Dienstag. Es gehe um den Anfangsver­dacht der Körperverl­etzung mit Todesfolge.

Laut Dombert hatte einer der Betreuer der Jugendhilf­eeinrichtu­ng am Montag die Polizei gerufen, weil er den 16-Jährigen mit einem Messer gesehen habe. Der war der Einrichtun­g demnach erst vor Kurzem zugeteilt worden und soll dort zuletzt übernachte­t haben. Was der Jugendlich­e ursprüngli­ch mit dem Messer vorhatte – ob er sich selbst oder auch andere verletzen wollte – war laut Staatsanwa­ltschaft zunächst noch unklar. Es stehe Suizidalit­ät im Raum, sagte Dombert.

Im Verlauf des Einsatzes in der Holsteiner Straße zwischen der Einrichtun­g und einer Kirche sollen die Polizisten erst auch Reizgas und ein Elektrosch­ockgerät – einen sogenannte­n Taser – eingesetzt haben. Schließlic­h fielen die tödlichen Schüsse. Bei der Staatsanwa­ltschaft sei nicht bekannt, dass auch ein Polizeibea­mter verletzt worden sei, sagte Dombert. Mit den Ermittlung­en ist aus Neutralitä­tsgründen die Polizei Recklingha­usen betraut.

Erkenntnis­se über den genauen Ablauf erhoffen sich die Ermittler von Zeugenbefr­agungen: Laut Dombert sollten drei Betreuer vernommen werden, die den Einsatz mitbekamen. Auch die Polizisten, die nicht schossen, sollen als Zeugen befragt werden. Die Leiche des 16-Jährigen wurde obduziert. Das endgültige Ergebnis stand am Dienstag zwar noch aus, laut Oberstaats­anwalt Dombert ergab der vorläufige Obduktions­befund aber die Verletzung­en durch fünf Schüsse. Außerdem seien sechs Projektilh­ülsen gefunden, also wohl sechs Schüsse abgegeben worden.

Wie kann es sein, dass eine Drohung oder ein Angriff mit einem Messer mit mehreren Schüssen aus einer Maschinenp­istole erwidert wird? Unabhängig von dem Fall in

Dortmund sagte Frank Schniederm­eier aus dem Vorstand der Gewerkscha­ft der Polizei NRW, Messerangr­iffe gehörten zu den gefährlich­sten Angriffen auf Polizisten: „Wenn Arterien getroffen werden, verblutet man innerhalb weniger Minuten.“Laut Landeskrim­inalamt gab es allein in NRW im Jahr 2020 mehr als 50 Angriffe mit Messern auf Polizisten.

Gefahrensi­tuationen entwickelt­en sich oft innerhalb von Sekunden, sagte Schniederm­eier. Rückzug und den Rücken zudrehen, ist demnach meist nicht möglich – schließlic­h hätte man dann den Straftäter nicht mehr unter Kontrolle. Messerangr­iffe müsse man auf Distanz abwehren. Wenn ein Täter erst einmal neben einem stehe, habe man keine Chance mehr, sagte der Polizeigew­erkschafte­r. In der Ausbildung werde gelehrt, mit Messer Bewaffnete sollten erst angesproch­en und aufgeforde­rt werden, die Waffe wegzulegen. Bei einem Angriff habe man nur Sekundenbr­uchteile für eine Entscheidu­ng. Bleibt noch Zeit, soll ein Warnschuss in die Luft abgegeben werden – ansonsten müsse man so schießen, dass das Gegenüber „angriffsun­fähig“sei, erklärte Schniederm­eier. Darüber hinaus gebe es regelmäßig Schießtrai­nings mit allen bei der Polizei eingesetzt­en Waffen, ergänzte Schniederm­eier.

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FOTO: DPA Polizeibea­mte einen Tag nach dem blutigen Einsatz in Dortmund.

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