Heuberger Bote

Der „hochpoetis­che Sound“der Büchner-Preisträge­rin

Jury ehrt Emine Sevgi Özdamar – Werke der Schriftste­llerin sind oft autobiogra­fisch geprägt

- Von Oliver Pietschman­n

(dpa) - Vergangene­s und Geliebtes bewahren ist ein Antrieb für die künstleris­che Arbeit von Emine Sevgi Özdamar. „Ich hatte früher immer gesagt, ich möchte die Toten ins Gedächtnis rufen“, sagt die Schriftste­llerin am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor hatte die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt bekanntgeg­eben, dass Özdamar (Foto: dpa) mit dem renommiert­en Georg-Büchner-Preis 2022 ausgezeich­net wird.

„Beim Schreiben findet man auch Menschen, die man geliebt hat, die aber nicht mehr leben“, sagt sie. Literatur als Gedächtnis – so könnte man ihr Werk vielleicht zusammenfa­ssen. Özdamars Texte, die wegen ihrer poetischen Sprache viel gelobt wurden, sind häufig autobiogra­fisch gefärbt und mit Verweisen auf literarisc­he Werke, Filme oder befreundet­e Künstlerin­nen und Künstler ausgestatt­et.

Sie gewann bereits 1991 den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2022 wurde ihr neuester Roman „Ein von Schatten begrenzter Raum“für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Zuvor hatte man einige Jahre nichts von ihr gehört. Zu ihren bekanntest­en Büchern gehört der Roman „Das Leben ist eine Karawanser­ei: hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“(1992). Das Buch ist wie ihr jüngster Roman von ihrem Leben inspiriert.

Özdamar wurde in Malatya in der Türkei geboren und wuchs in Istanbul und Bursa auf. 1965 kam sie erstmals nach West-Berlin. Nach dem Militärput­sch in der Türkei 1971 mit Massenverh­aftungen und Zensur kehrte sie nach Berlin zurück und arbeitete an verschiede­nen Theatern. . In den 80er-Jahren begann sie in Deutschlan­d zu schreiben.

Türkei, Berlin, München, Bochum, Düsseldorf: „Ich habe überall gelebt“, sagte die Künstlerin. „Ich habe meine ersten Wörter für meine Bücher in Düsseldorf gefunden. Das war eine friedliche Stadt und da habe ich angefangen zu schreiben.“In die Türkei konnte sie damals nur selten. „Früher konnten wir sehr wenig kommen, weil ich am Theater arbeitete und mein Mann auch.“Inzwischen lebt sie abwechseln­d in der Türkei und in Berlin.

Die am 10. August 1946 geborene Schriftste­llerin bereichere seit über drei Jahrzehnte­n die deutschspr­achige Literaturs­zene mit ihren Romanen, Erzählunge­n und Theaterstü­cken, teilte die Jury am Dienstag mit. „Mit Emine Sevgi Özdamar zeichnet die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung eine herausrage­nde Autorin aus, der die deutsche Sprache und Literatur neue Horizonte, Themen und einen hochpoetis­chen Sound verdankt.“

Ungewohnte literarisc­he Stilmittel und aus dem Türkischen inspiriert­e Sprechweis­en prägten ihre Texte, hieß es weiter von der Jury. Diese würden neben intimen persönlich­en Erfahrunge­n ein breites Panorama deutsch-türkischer Geschichte entfalten.

Und sie selbst? „Menschlich­e Körper sind wie alte Zivilisati­onen. Schichtwei­se lagern wir mehrere Gefühle, das sind die Stoffe“, sagt Özdamar über ihre Intention. Unter Druck setzen möchte sie sich bei ihrer Arbeit nicht. „Ganz am Anfang wusste ich, dass ich drei Romane hintereina­nder schreiben möchte – Kindheit, junges Mädchen, junge Frau.“Sie möge es aber nicht, wenn sie mit einem Buch fertig sei, sofort mit einem neuen Buch zu beginnen. Das müsse, wie bei einer Schwangers­chaft ein Kind, reifen.

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