Über Grenzen hinweg
In Ochsenhausen treffen sich Chöre aus vielen Regionen Europas zum gemeinsamen Musizieren
Seit vergangenem Freitag sind 130 Sängerinnen und Sänger aus zehn Partnerregionen in Ochsenhausen und proben für die Konzerte mit Antonín Dvoráks Messe D-Dur und dem Magnificat von Felix Mendelssohn-Bartholdy, die ab Donnerstag in der Region stattfinden werden. „Wir sind glücklich und stolz, dass C.H.O.I.R. heuer wieder stattfinden kann“, begrüßte Christine Wetzel, die Dozentin für Chorleitung und Stimmbildnerin an der Landesakademie für die musizierende Jugend in Baden-Württemberg, das chorbegeisterte Publikum im schönen Bibliothekssaal. Zuerst stellten sich die Partnerchöre in einer Serenade mit einem bunt gemischten Programm zwischen Klassik, Volksliedern und jazzigen Sätzen vor. Die völkerverbindende Kraft der Musik wurde in dieser Zeit nach den zahlreichen Corona-Einschränkungen, die besonders die Chöre getroffen haben, vielleicht noch mehr deutlich.
Manche sind in Chorstärke gekommen, andere in kleinen Ensembles aus einem größeren Chor heraus, manche sind fast schon professionell in Erfahrung und Auftreten und haben bereits eine große Ausstrahlung, andere sind noch schüchtern: alle eint die Freude am Singen, an den musikalischen Geschichten aus ihrer Heimat, in kleinen Choreographien auch an der Verbindung von Musik und Bewegung. Mit 20 jungen Menschen aus Baden-Württemberg und Flandern wählte Christine Wetzel mit klarem Dirigat zum Auftakt zwei Volksliedbearbeitungen, die die bekannten Melodien von “Die Gedanken sind frei“und „Leise zieht durch mein Gemüt“durch die Stimmgruppen wandern lassen. Arndt Martin Henzelmann, der die Abschlusskonzerte auch dirigieren wird, begleitete am Klavier. Das beliebte „Can you hear me?“des Komponisten und Chordirigenten Bob Chilcott, der auch mit Ochsenhausen durch zahlreiche Seminare und Konzerte verbunden ist, setzte in der feinen Verbindung von Musik und Bewegung den schönen Schlusspunkt der ersten Gruppe.
Mit Volksliedern aus Kroatien und der Lombardei stellten sich zwei kleine Ensembles vor, die sonst wahrscheinlich größer besetzt sind: Die besonderen Rhythmen der kroatischen Sprache oder der lebhaften Volkstänze spielten beim sechsstimmigen kroatischen Ensemble hinein. Ein klangschönes geistliches Lied wechselte sich bei der Gruppe aus der Lombardei mit einem charmanten Ständchen der jungen Sänger ab – die Mädchen zeigten sich eher sanft. Auswendig singend präsentierte sich eine kleine Gruppe aus dem Chor der polnischen Musikakademie: Auch in Auftreten und Styling sind sie „erwachsen“, die zeitgenössischen Kompositionen (unter anderem ein von einer Cajón, einer Sitztrommel, begleitetes „Cantate Domino“von Karl Jenkins) anspruchsvoll in der Harmonik und mitreißend bis hin zur Choreographie des Musicalsongs „New York“.
Mit einem Te Deum, das eine bekannte jüdische Melodie verarbeitet, und einer Rhapsodie verband die kleine Gruppe aus Bosnien-Herzegowina klangreiche geistliche und kontrastreiche weltliche Musik aus ihrer Heimat.
Der große Chor aus Ungarn zeigte, wie fruchtbar die ungarische Stimmbildung nach wie vor ist, in einer Motette von Felix Mendelssohn hörte man romantische Vielstimmigkeit, während die Volksliedrhapsodie virtuos mit Rhythmen und ungarischen Vokalfarben spielte. Kunstvoll in der Verschmelzung von Gesang, Soli und Choreographie beeindruckte auch die kleine Gruppe um Guillermo Lana Martín aus Katalonien.
Mit den bestickten Blusen für die Frauen und die Männer und dem wunderschönen Chorklang begeisterte zuletzt der Chor der Nationalakademie aus Odessa. Dass die 20 Sängerinnen und Sänger überhaupt ausreisen konnten und drei Tage im Bus unterwegs waren, um mit ihrer Dirigentin Halyna Shpak einige ukrainische Volksliedbearbeitungen zu singen, bewegte alle Anwesenden im Saal. Die klare Stimme der Sopransolistin und zuletzt natürlich das „Gebet für die Ukraine“setzten den emotionalen Höhepunkt an diesem Abend.
Die Konzerte bei freiem Eintritt sind am Donnerstag, 20 Uhr, im Kulturhaus Schloss Großlaupheim, Freitag, 19 Uhr in der Pauluskirche in Stuttgart, und am Sonntag, 19 Uhr in der Liebfrauenkirche Ravensburg. Das Abschlusskonzert in Ochsenhausen am Montag ist bereits ausverkauft.