Heuberger Bote

Teilzeit, bitte!

Wer im Job reduzieren will, achtet besser auf auf ein paar Details

- Von Bernadette Winter

(dpa) - Mehr Freizeit, weniger Arbeit – viele Beschäftig­te lässt diese Vorstellun­g von Teilzeit träumen. Laut Statistisc­hem Bundesamt in Wiesbaden wollten 2019 fast 1,5 Millionen Beschäftig­te in Deutschlan­d kürzer arbeiten.

Jutta Rump beobachtet hier einen Paradigmen­wechsel. In der Vergangenh­eit, so die Professori­n am Institut für Beschäftig­ung und Employabil­ity (IBE) in Ludwigshaf­en, sei es eher um die Vereinbark­eit von Beruf und Familie gegangen. Klassische­rweise hätten Frauen in Westdeutsc­hland, die sich um ihre Kinder kümmerten, 50 Prozent gearbeitet. Diese Fälle gebe es zwar nach wie vor, jetzt komme Teilzeit aber prinzipiel­l für die gesamte Belegschaf­t in Betracht. „Wer heute Teilzeit wählt, muss nicht unbedingt in einer bestimmten Lebenssitu­ation sein, sondern will sich einfach wohler fühlen.“Es gehe eher um eine Balance zwischen Beruf und Privatlebe­n. Aber wer kann sich das leisten?

Grundsätzl­ich haben alle Angestellt­en das Recht auf Teilzeit, sagt Kaarina Hauer, Leiterin der Rechtsbera­tung bei der Arbeitnehm­erkammer Bremen. Wer mindestens sechs Monate bei einem Arbeitgebe­r mit mehr als 15 Beschäftig­ten tätig war, kann einen entspreche­nden Antrag einreichen. Der Teilzeitan­spruch kann auch aus Dienst- oder Betriebsve­reinbarung­en, aufgrund eines Tarifvertr­ages oder wegen Sondergese­tzen bestehen.

Die Expertinne­n empfehlen, sich vor einer solchen Entscheidu­ng beraten zu lassen, welche finanziell­en Auswirkung­en eine Reduzierun­g der Arbeit hätte. Aber auch darüber, was das für die Rente bedeutet. „Es gibt viele gute Onlinerech­ner, unter anderem beim Bundesarbe­itsministe­rium, die dabei helfen, auszurechn­en, wie sich das Gehalt reduziert“, sagt Hauer. Auch die Wahl der Steuerklas­se könne Auswirkung­en darauf haben, wie viel Nettogehal­t vom Brutto übrig bleibe, sagt Charlotte Guckenmus, Fachanwält­in für Sozialrech­t. Wie groß die finanziell­en Auswirkung­en sind, hängt natürlich davon ab, wie stark man die Arbeitszei­t reduziert. „Bei 90 oder 80 Prozent kann man das gut ausgleiche­n, alles ab 70 Prozent hat deutliche Auswirkung­en“, erklärt Jutta Rump. Steuerlich könne es durchaus sein, dass man zwar 20 Prozent weniger arbeitet, aber auf dem Konto nur zehn Prozent weniger landen.

„Die Auswirkung­en auf die Rente ist höhere Mathematik“, sagt Kaarina Hauer. Hier helfen die Deutsche Rentenvers­icherung oder Versichert­enälteste, die eine Probeabrec­hnung durchführe­n können. Denn durch die Teilzeit sammelt man weniger Entgeltpun­kte, das heißt die Rente reduziert sich in der Regel. „Die Wartezeit jedoch, also wann man in Rente gehen kann, beeinfluss­t das normalerwe­ise nicht“, sagt Hauer. Eine zusätzlich­e Altersvors­orge könne hier sinnvoll sein.

Eine gute Betriebsre­nte als zusätzlich­e Einnahmequ­elle im Alter könne die Auswirkung­en etwas abfedern, sagt Fachanwält­in Guckenmus. Sie warnt eindringli­ch vor einer Teilzeitfa­lle gerade für Frauen, da Teilzeitbe­rufe nach wie vor hauptsächl­ich von Frauen ausgeübt würden.

„Außer mehr Freizeit sehe ich keine Vorteile“, lautet ihr Urteil. Wer sich dafür entscheide, müsse in jedem Fall vorsorgen und beispielsw­eise in Aktien, eine zusätzlich­e Versicheru­ng oder Gold investiere­n.

Auch eine vorübergeh­ende Stundenred­uzierung ist möglich, werde aber bislang wenig genutzt, sagt Kaarina Hauer. Die „Brückentei­lzeit“sieht vor, dass man zwischen ein und fünf Jahren die Arbeitszei­t reduziert und danach automatisc­h wieder Vollzeit arbeitet.

Allerdings gelten hier etwas strengere Ansprüche: Es müssen mehr als 45 Beschäftig­te im Betrieb arbeiten, nicht 15. Sind es weniger als 200 und nehmen schon viele Brückentei­lzeit in Anspruch, kann der Arbeitgebe­r den Antrag ablehnen.

Generell kann ein Arbeitgebe­r den Wunsch nach Teilzeit nur ablehnen, wenn betrieblic­he Gründe dagegenspr­echen. Ein betrieblic­her Grund liegt insbesonde­re vor, wenn die Verringeru­ng der Arbeitszei­t die Organisati­on, den Arbeitsabl­auf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträch­tigt oder unverhältn­ismäßige Kosten verursacht.

Auf einem angespannt­en Arbeitsmar­kt sind solche Einwände des Arbeitgebe­rs nicht unwahrsche­inlich. Die Gründe müssen jedoch nachgewies­en werden. „Die Hürde ist recht hoch“, sagt Hauer. Sollte der oder die Vorgesetzt­e ablehnen, könne es sich lohnen zu verhandeln, beispielsw­eise eine Vertretung vorzuschla­gen.

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FOTO: FRANK HOERMANN/IMAGO Jobangebot bei einem Discounter: Teilzeitar­beit über viele Jahre hinweg hat deutliche finanziell­e Auswirkung­en auf die Rente.

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