Am Krankenhaus wird bis 2029 gebaut
Los geht es mit dem Parkhaus, dann folgen neues Bettenhaus, neue Operationssäle und Intensivpflegebetten
- Baustelle Krankenhaus: Bagger und anderes schwere Gerät stehen in der Zeppelinstraße in Tuttlingen. Seit Mitte September laufen die Arbeiten am Patientenund Besucherparkplatz des Klinikums. Dort entsteht ein Parkhaus mit zehn versetzten Parkebenen, das voraussichtlich im Mai 2023 fertiggestellt wird. 319 überdachte Parkplätze und Fahrradstellplätze stehen dann zur Verfügung. Zudem ist diese Maßnahme der Startschuss für eine umfassende Sanierungs- und Anbauphase am Klinikum, die die nächsten Jahre bestimmen wird. Dauer: bis etwa 2029. Klinikum-Geschäftsführer Sebastian Freytag verhehlt nicht, dass es eine schwierige Zeit ist, um ein solches Großprojekt anzugehen. Dabei verweist er auf horrende Kostensteigerungen bei anderen öffentlichen Bauten, die teilweise 40 bis 50 Prozent über den Planungen liegen – so das Beispiel Feuerwehrhaus in Immendingen. Fest steht schon jetzt: Die ursprüngliche Kostenschätzung von 48 Millionen Euro – Stand 2019 – für das Krankenhaus wird bei Weitem nicht ausreichen. Die nächste Aufsichtsratssitzung ist für den Oktober terminiert. Dort werden die Finanzplanungen vorgestellt.
Wer bezahlt?
Sebastian Freytag verweist darauf, dass bei anderen Klinikprojekten die Fördersumme 50 Prozent plus x beträgt. „Das X wird auch durch Dinge bestimmt, die wir in die Waagschale werfen können“, sagt er. Zum Beispiel, dass das Klinikum Landkreis Tuttlingen durch den Bettenabbau in Spaichingen und einer Konzentration am Standort Tuttlingen einen Beitrag zur Krankenhaus-Strukturreform geleistet hat. Tuttlingen verfolge zudem keinen Neubau auf der grünen Wiese, wie zum Beispiel der Kreis Konstanz, sondern am bestehenden Standort. Das sei auch ökologisch und vom Flächenverbrauch her ein Pfund, mit dem man wuchern könne. Klar ist: Über diese Zuschüsse hinaus „kann das Klinikum aus eigener Wirtschaftskraft die notwendigen Mittel nicht aufbringen“, so Freytag. Deshalb gibt es Gespräche mit dem Träger des Krankenhauses, dem Landkreis Tuttlingen. Verschiedene Optionen werden derzeit durchgespielt. Erst wenn das Bauprojekt die Zustimmung aus dem Kreistag und anderen politischen Gremien hat, will die Kreisspitze darüber informieren, wie ihre finanziellen Planungen aussehen.
Das soll in den kommenden Jahren angegangen werden:
Neues Personalwohnheim
Noch gibt es das mehrstöckige Personalwohnheim neben dem Krankenhaus. 80 Plätze hat es, laut Freytag ist es zu 90 Prozent belegt. Doch es ist sanierungsbedürftig, die Räumlichkeiten seien teilweise in keinem guten Zustand. Die Planung sieht so aus: Ein neues Wohnheim wird in der Stadt gebaut, am Standort des Alten Landratsamtes in der Alleenstraße. Der Tuttlinger Gemeinderat hat am Montag zugestimmt, dass die Wohnbau das Alte Landratsamt kauft und als Projektbau
steuerer auftritt. Das dortige Gebäude wird abgerissen und voraussichtlich ab 2023 ein neues Wohnheim gebaut, mit 80 bis 100 Appartements. Freytag: „Wir würden etwa 80 Appartements anmieten“, die weiteren könnten als Azubi-Wohnungen auch anderen Branchen dienen. Er hofft, dass der Bezug 2027 möglich sein wird. „Viel länger kann das bisherige Wohnheim nicht betrieben werden“, so der Krankenhaus-Geschäftsführer. Besitzer des ehemaligen Landratsamts ist das Land. Dadurch, dass es sich um sozial genutzten Wohnbau handle, sei es möglich, die Liegenschaft zum halben Verkehrswert zu kaufen.
Baubeginn: 2023 Fertigstellung: circa 2027
Neues Bettenhaus
Die rund 100 Betten des Spaichinger Klinikums sind momentan in einem Modul-Bau neben dem Parkplatz untergebracht. Um diese Betten dauerhaft zu integrieren, wird ein neues Bettenhaus gebaut. Ein Kubus mit Anbindung an den D-Bau (Neubau aus 2017). Neben einem Versorgungsgeschoss im Keller wird es drei Stockwerke mit je rund 30 Betten geben. 100 Betten nennt Freytag als Zielgröße, vielleicht auch etwas weniger. Freytag: „Wir wollen dort vor allem ältere Menschen unterbringen“, daher werden die Zimmergrößen etwas über dem Normalmaß liegen. Der Fördermittelantrag für das Bettenhaus geht im Oktober raus, mit einem Bescheid rechnet er Anfang 2023. Nach Fertigstellung des Parkhauses könnte mit dem Bau dieses Bettenhauses (E-Bau) gestartet werden.
Baubeginn: circa Frühjahr 2023 Fertigstellung: voraussichtlich zweites Quartal 2026
Operationssäle und Intensivmedizin
Die sind momentan im alten Gebäude links vom Haupteingang. Geplant ist, zum neuen Parkhaus hin einen weiteren Neubau zu erstellen (Neu
Bauteil F), an der Stelle, wo jetzt das provisorische Bettenhaus steht. Fünf Operationssäle plus ein Eingriffsraum sollen entstehen. Zudem 16 Intensiv- und Intermediate-CareBetten. Die Voraussetzung für den Baubeginn ist, dass das Grundstück frei ist. Dazu muss das neue Bettenhaus fertig und bezogen sowie die Module des Provisoriums abgeräumt sein.
Baubeginn: Ende 2026, Anfang 2027
Fertigstellung: ca. 2029
Bestandsbauten
Das ursprüngliche Krankenhausgebäude (Bauteil A) möchte die Klinikleitung gerne erhalten. Radiologie und Notaufnahme seien schon saniert, Freytag möchte den frei werdenden Platz nach Umzug der Operationssäle für die Innere Medizin nutzen und weitere Ambulanzen dort unterbringen. „Wenn das so gelingt, dann müssen wir sicherlich an das Dach ran, an die Gebäudehülle und die Fenster.“Dann aber sei der Klinikstandort insgesamt in einem guten Zustand.
Fertigstellung: etwa 2028
Nebengebäude im Luginsfeldweg
Welche Pläne gibt es für die ehemalige Pflegeschule und die Außenstellen des Landratsamts im Luginsfeldweg? Diese werden vom Klinikum intensiv genutzt, erklärt Freytag: als Bürofläche. Noch würden nach wie vor Veterinäramt und Teile des Gesundheitsamts des Landkreises dort arbeiten. Auf lange Sicht – 2030 und darüber hinaus – sieht er die Gebäude als Reserveflächen für das Klinikum an. Theoretisch denkbar wäre es, dort in Neubauten die gesamte Verwaltung unterzubringen und das Kernklinikum dann ausschließlich für die medizinische Nutzung zu reservieren.
Fertigstellung: in weiter Ferne
Jetziges Personalwohnheim
Das wird nach dem Umzug in den Neubau zurückgebaut werden müssen,
sagt Freytag und spricht von einer „Herausforderung“angesichts des mehrstöckigen Wohnturms. „Es wäre schön, das Gelände als Ausgleich für die anstehende Flächenversiegelunge zu nutzen“, meint er. Langfristig sieht er dort Erweiterungsfläche für das Klinikum.
Auf lange Sicht: Neubauten könnten entstehen
Bettenzahl
Momentan ist das Tuttlinger Krankenhaus auf 330 Betten ausgelegt. Nicht alle seien tatsächlich in Betrieb, sagt der Geschäftsführer und verweist auf die Pflegesituation. Am Ende der Umbauphase sollen es 300 Betten sein, also eine Verschlankung statt eines Ausbaus. Freytag führt die immer kürzere Verweildauer in den Kliniken an, zudem würden mehr stationäre Leistungen in die Ambulanzen verlegt. Eine Bettenreduzierung setze aber auch voraus, dass Menschen, die pflegebedürftig sind, aber nicht akut-medizinisch versorgt werden müssen, Plätze in Kurzzeit- oder Tagespflege-Einrichtungen bekommen. Solche Angebote sind am Gesundheitszentrum Spaichingen vorgesehen. „Wir haben derzeit recht große Stationen, zudem über 50 Prozent betagte und hochbetagte Patienten“, so Freytags Bilanz. So gebe es die Chance, die Situation zu entzerren. Zudem sieht er einen Mehrbedarf an Funktions- und Therapieräumen, der durch die anstehenden Neubauten erfüllt werden könnte.
Reserveflächen
Die ehemaligen Villen unterhalb des Klinikums wurden bis auf eine abgerissen. Der Platz wird derzeit genutzt als Ausweich-Parkplatz und künftig als Lager für Baumaterial für die Neubauten.
Situation in der Notaufnahme
„Alarmstufe Rot – Krankenhäuser in Gefahr“: Auch das Tuttlinger Klinikum hat sich an dieser Aktion der Deutschen Krankenhausgesellschaft beteiligt. Vor allem die Situation in der Notaufnahme hat sich zugespitzt: Die Patientenzahlen steigen und liegen deutlich über Vor-Pandemie-Niveau. Freytag spricht von 70 Patienten am Tag, im Juli und August waren es zeitweise bis zu 100. „Wir befürchten, dass das so bleibt. Und dafür brauchen wir dringend eine Lösung“, sagt der Geschäftsführer. Die Personalgewinnung sei seine Aufgabe, aber die Refinanzierung müssten andere sichern. „Wir machen da Defizite.“Bei steigenden Fallzahlen werde das zum Problem. Klar sei auch, dass diese Notfall-Patienten versorgt werden müssen. „Ich habe nicht den Eindruck, dass das durch die niedergelassenen Ärzte erfolgen kann“, sagt er. Weitere Teile der Grund- und Regelversorgung, so die Vorhaltekosten aber auch die Geburtshilfe, seien ebenfalls unterfinanziert. Das könne nur teilweise durch die Leistungen aus lukrativeren Versorgungsfeldern – dazu gehören auch manche Operationen – aufgefangen werden.