Was die neue Kultursaison bringt
In den Theater- und Opernhäusern versuchen die Ensembles, der Krise mit vielfältigem Programm zu trotzen
RAVENSBURG - Des Menschen Seele dürstet nach Erholung in diesen schweren Zeiten: Krise fließt in Krise über, auf Corona folgten zerrissene Lieferketten und die anziehende Inflation, seit über sechs Monaten tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Kulturveranstaltungen können uns die dringend nötigen Perspektivwechsel, das vorübergehende Eintauchen in andere Welten, ermöglichen. Wie wunderbar, dass Herbst und Winter von Freiburg bis München, vom Bodensee bis Stuttgart unterschiedlichste Kulturprogramme bieten. Ein Auszug der kommenden Saison.
Mozart verzaubert in der Oper
In München spannt die Oper in diesem Herbst und Winter einen weiten Bogen – im November laden zwei Stücke von Wolfgang Amadeus Mozart zur Weltflucht ein. „Die Entführung aus dem Serail“und „Die Zauberflöte“sind zwei Opern von zeitloser Eleganz. Die beiden Werke gehören zu den berühmtesten Opern überhaupt, einige Lieder daraus haben es zu
Weltruhm gebracht. Die Klassiker blitzen mit komödiantischen Einfällen auf, bieten gleichzeitig aber auch eine bewegende Liebesgeschichte. Auch Opernneulinge kommen bei Mozart, dank der eingängigen Musik und Dialoge, auf ihre Kosten.
Ein Roman auf der Bühne
Das Theater Ulm spielt Stücke der Moderne genauso wie antike Werke: Von Sophokles über Verdi bis Janacek – im ältesten Stadttheater Deutschlands kommen Schauspiel, Oper, Musical und Konzerte zur Aufführung. Dazu natürlich ganz viel Theater, unter anderem das Junge Theater. Das Ensemble bringt ab September eine ganz eigene Version des Romans „Tanz der Tiefseequalle“auf die Bühne. Der berührende Stoff ist in der Inszenierung von Charlotte Van Kerckkoven zu sehen. Das Buch von Stefanie Höfler war 2018 für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert, denn laut Jurybegründung werden „wichtige Themen wie Identitätsfindung, Mobbing, Gruppenzwang oder sexuelle Belästigung gelungen auserzählt“.
Weihnachtsgefühle für die ganze Familie
Das Stuttgarter Ballett gehört ohne Zweifel seit Jahrzehnten zur absoluten Weltklasse. Umso bemerkenswerter, dass dort seit 50 Jahren eines der populärsten – und wohl auch schönsten – Stücke des Ballett nicht aufgeführt wurde. Der „Nussknacker“gehört mit seiner weihnachtlichen Geschichte und Peter Tschaikowskys grandioser Musik zu den berühmtesten und beliebtesten Balletten weltweit. Die Neuproduktion des international gefragten Choreografen Edward Clug, zusammen mit der Ausstattung des legendären Bühnenund Kostümbildners Jürgen Rose, dürfte ab November nicht nur Ballettfans Trost spenden in diesen Zeiten.
Wahnsinn im Herbst
Das Theater Ravensburg verschreibt sich im Oktober dem Chaos: Die Truppe eines Tourneetheaters steht mit der Komödie „Nackte Tatsachen“unmittelbar vor der Premiere und nichts klappt. Kein Wunder, dass allmählich nicht nur die Nerven des
Regisseurs blank liegen ... „Der nackte Wahnsinn“ist ein Theaterstück über ein Theaterstück, turbulent und unterhaltsam.
Der ewige Kampf gegen Windmühlen
Einer der großen Klassiker der Weltliteratur hat seinen Platz nicht im Herzen der Literaturgeschichte, sondern auch des Theaters. „Don Quijote“von
Miguel de Cervantes ist ein Mammutroman, dessen Bühnenadaptionen immer unterschiedlich ausfallen. Im Dezember gibt es am Theater Konstanz die Version von Regisseur Hannes Weiler zu sehen: Ein klappriges altes Pferd wird zu einem stolzen Ross namens Rosinante, ein verarmter Mann wird zum Knappen Sancho Panza, eine Frau aus einfachen Verhältnissen wird zur schönen Dulcinea ...
Teuflische Unterhaltung
Die Oper Zürich traut sich ab Ende Oktober an einen diffizilen Opernstoff: „Faust“nach dem gleichnamigen Roman von Johann Wolfgang von Goethe gehört sicherlich nicht zu den Klassikern für die große Bühne. Der französische Komponist Charles Gounod nahm die GretchenTragödie als Ausgangspunkt für eine sehr freie Interpretation und schuf so ein präzises Porträt der Gesellschaft seiner Zeit, des Zweiten Kaiserreichs in Frankreich unter Napoleon III, mitsamt seiner skrupellosen Genuss- und Vergnügungssucht.
Angst vor dem Absturz
Wozzeck hat Angst. Allzu freimütig berichtet er von seinen düsteren Visionen, von Inferno, Tod und Weltuntergang. Vor seiner Wohnungstür lauern die Abgründe. Am Theater Freiburg wird der bald 100 Jahre alte Opernstoff ab Ende November neu aufgelegt – eindringlich und bewegend. Mit Alban Bergs „Wozzeck“stellt sich zugleich auch der neue Generalmusikdirektor André de Ridder zum ersten Mal seinem Publikum vor.