Die Politik muss sich erklären
Der Krieg in der Ukraine ist in einer neuen Phase. In Europa wachsen die ökonomischen Probleme durch die Sanktionen gegen den Krieg. Und die Frage wird lauter: Ist das noch verhältnismäßig?
Russland hat einen völkerrechtswidrigen, brutalen Krieg gegen das Nachbarland Ukraine begonnen. Ein solches Verbrechen macht Gegenmaßnahmen zwingend erforderlich. Deswegen die Waffenlieferungen, deswegen die Sanktionen. Die wiederum den russischen Einsatz von Energie als Waffe zur Folge hatten. Die Folgen hierzulande sind dramatisch: Entlastungspakete, Energiepreisdeckel, Angst vor dem Winter, Demonstrationen und Bund-Länder-Streit – ist es das wert? Wir riskieren Wohlstand und den Zusammenhalt der Gesellschaft. Aber wofür? Für die Ukraine? Ja. Natürlich. Wie würden wir denn die Frage künftiger Generationen beantworten, warum wir es zugelassen haben, dass ein freier, selbstständiger Staat unter die Knute des Kremls kam. Wollen wir dann ernsthaft sagen, die Amis sind auch nicht besser. Putin hat sich von der NATO bedroht gefühlt, das müsse man verstehen. Oder noch einfacher: Das war nicht unser Krieg.
Dies und Ähnliches ist jetzt häufiger zu hören und zu lesen. Deutschland soll sich also heraushalten und als Friedensvermittler auftreten. Mag sich das Mitgefühl verschleißen, ist dieser Mangel an Urteilsvermögen schwer verständlich. Was würde denn passieren, wenn Putin die Ukraine überrennt? Das Baltikum und Polen wären akut bedroht. Und irgendwann auch wir. Unrealistisch? Wer hat den Überfall auf die Ukraine für möglich gehalten? Es geht um Freiheit.
Und doch, so richtig die deutsche Position ist, muss mehr von der Politik kommen als wirtschaftliche Entlastung für die Bürger. Die Regierenden müssen erklären, wohin das alles führt. Wann und wie hören Krieg und Wirtschaftskrieg auf? Und wenn das nicht vorauszusagen ist: Was genau ist das Ziel? So richtig und nötig es ist, sich einem imperialistischen Diktator entgegenzustellen, es funktioniert nur, wenn die Menschen verstehen, worum es geht und wenn sie mehrheitlich bereit sind, die Konsequenzen zu tragen.