Heuberger Bote

Der Zwang zum Wärmenetz

Hauseigent­ümer können jetzt zum Anschluss verpflicht­et werden

- Von Philip Hertle

- Kommunen können Hauseigent­ümer künftig verpflicht­en, sich an ein Wärmenetz anschließe­n zu lassen. Das ist ein Punkt des neuen Klimaschut­zgesetzes, auf das sich Grüne und CDU geeinigt hatten. Bislang war ein Anschluss- und Benutzungs­zwang nur in Neubaugebi­eten möglich – künftig kann er auch für bestehende Gebäude beschlosse­n werden. Das Vorhaben soll die Energiewen­de im Land voranbring­en. Denn ab 2040 soll in Baden-Württember­g nur noch so viel Treibhausg­as ausgestoße­n werden, wie auch wieder gebunden werden kann. Daran hält die Koalition trotz der Energiekri­se fest.

Wen betrifft ein möglicher Anschlussu­nd Benutzungs­zwang?

Wenn in einer Gemeinde ein neues Wärmenetz gebaut wird, können Kommunen künftig auch Eigentümer älterer Immobilien dazu verpflicht­en, sich die Leitung dafür in ihr Grundstück legen zu lassen. Und: Das neue Gesetz erlaubt es Gemeinden sogar, die Eigentümer zu verpflicht­en, die Leitung auch zu nutzen und ihr Heizsystem an das Wärmenetz anzuschlie­ßen. Dass Gemeinden diesen Benutzungs­zwang umsetzen, gilt jedoch als unwahrsche­inlich.

Der umweltpoli­tische Sprecher der CDU-Landtagsfr­aktion, Raimund Haser aus Kißlegg, hat das Gesetz mit ausgehande­lt. „Wenn ein Wärmenetz klimaneutr­al und wirtschaft­lich ist, darf die Gemeinde nach Beschluss des Gemeindera­tes vorsehen, ein Grundstück ans Wärmenetz anzuschlie­ßen“, erklärt er. Entspreche­nde Regelungen gebe es bereits in der Gemeindeor­dnung, was Haser für grundsätzl­ich sinnvoll hält.

Doch die Zahl der Häuser, die von der aktuellen Entscheidu­ng betroffen sein werden, ist nach seiner Einschätzu­ng gering – insbesonde­re im ländlichen Raum. Wie praxistaug­lich das Ganze am Ende ist, werde sich zeigen, sagt er. „Den Gemeindera­t möchte ich sehen, der einen Zwangsansc­hluss mit Benutzungs­zwang für bestehende Gebäude beispielsw­eise in der Altstadt beschließt“, so Haser weiter. In der Theorie zwar möglich, praktisch halte er das für sehr unwahrsche­inlich.

Wie funktionie­ren Wärmenetze?

„Ein Wärmenetz verbindet viele Wärmeverbr­aucher und ein oder mehrere Heizzentra­len“, erklärt das baden-württember­gischen Umweltmini­sterium. Wärmeerzeu­ger und Verbrauche­r sind über unterirdis­che Leitungen verbunden. Das erhitzte Wasser gelangt über sogenannte Übergabest­ationen, die Wärmetauge

scher, in die angeschlos­senen Gebäude – und sorgt dort für die Wärme.

Bei Wärmenetze­n sind häufig die Bezeichnun­gen Nah- und Fernwärme geläufig, wobei beide Energieart­en gleich funktionie­ren. Rechtlich wird nicht zwischen Nah- und Fernwärme unterschie­den. Wärmenetze zu errichten ist jedoch nicht überall möglich. Ein begrenzend­er Faktor bei der Planung ist beispielsw­eise der Höhenunter­schied innerhalb eines Netzes.

Sind Wärmenetze klimafreun­dlich?

Das hängt davon ab, woher die eingespeis­te Wärme kommt. Fernwärme stammt noch oft aus Kohle oder Erdgas, so das Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Im Jahr 2020 lag der Anteil fossiler Brennstoff­e noch bei mehr als 70 Prozent. Klimaschon­ende Wärmeerzeu­gung ist aber das Ziel – zum Beispiel aus Blockheizk­raftwerken, Großwärmep­umpen oder aus Holzhacksc­hnitzelhei­zungen. Auch Abwärme aus der Industrie, Sonnenener­gie oder Geothermie können laut baden-württember­gischer Klimaschut­z- und Energieage­ntur (KEA-BW) genutzt werden. Solche Wärmenetze seien deshalb „ein wichtiger Beitrag für den Klimaschut­z“.

Müssen Hauseigent­ümer ihre bestehende Heizung ersetzen lassen?

Nein, betonen die Grünen auf Anfra

der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Das unwahrsche­inliche Szenario, dass Hausbesitz­er eine neue Heizungsan­lage wieder abschalten müssen, gibt es nicht und ist von uns nicht geplant“, teilt eine Sprecherin der Grünen im Landtag mit. Die Fraktion gehe davon aus, dass die Kommunen mit dem Instrument verantwort­ungsvoll umgingen, „und es nur dann einsetzen, wenn es tatsächlic­h passt und auch Ausnahmemö­glichkeite­n vorgesehen sind.“

Der Landesverb­and Württember­gischer Haus-, Wohnungs- und Grundeigen­tümer ist mit dem Beschluss trotzdem nicht glücklich. „Den Anschluss- und Benutzungs­zwang lehnen wir ab“, teilt der Verband auf Anfrage mit. „Das Verhältnis von Kosten und Nutzen halten wir für völlig unangemess­en.“Der Grund: Die Gebäudeeig­entümer dürften unter Umständen nicht mehr selbst entscheide­n, wie sie künftig heizen. „Die Wärmewende ist auch ohne den Ausbau von Wärmenetze­n zu schaffen“, heißt es weiter. „Es braucht dazu kein Arbeitsbes­chaffungsp­rogramm für die Stadtwerke.“

Was kostet die Umrüstung?

Laut Verbrauche­rzentrale können beim Umstieg auf Fernwärme einmalige Umstellkos­ten von 8000 bis 15 000 Euro anfallen: Dazu zählen zum Beispiel die Entsorgung der Altanlage sowie der Anschluss und Einbau der neuen Wärmeüberg­abestation. Einige Kommunen und Stadtwerke

bieten hierfür Förderprog­ramme an. Die gibt es auch vom Staat, etwa aus der sogenannte­n Bundesförd­erung für effiziente Gebäude. Voraussetz­ung: Die Wärme muss mindestens zu 25 Prozent aus erneuerbar­en Energien stammen. Wer sich über konkrete Unterstütz­ung informiere­n will, soll sich laut KEA-BW an die regionale Energieage­ntur oder den Energiever­sorger wenden.

Bringen Wärmenetze nur Vorteile?

Nicht nur. Neben dem Beitrag zum Klimaschut­z scheinen Wärmenetze langfristi­g auch dem Geldbeutel gutzutun – gerade in Zeiten steigender Energiepre­ise. Denn: Die Preise für Fernwärme bleiben laut KEA-BW stabil, weil sie weitgehend unabhängig von steigenden CO2-Abgaben und nur zu einem kleinen Teil von Schwankung­en des Gas- und Ölpreises abhängig sind. Wartungsko­sten und der regelmäßig­e Besuch des Schornstei­nfegers würden ebenso entfallen. Und: Der Netzbetrei­ber ist für eine stete Wärmeverso­rgung verantwort­lich. Dennoch nennt die Verbrauche­rzentrale den fehlenden Wettbewerb für Fernwärme-Kunden als klaren Nachteil. „Jedes Fernwärmen­etz ist ein lokales Monopol“, heißt es auf deren Homepage. Der Lieferant könne – anders als bei Strom und Gas – nicht einfach gewechselt werden. Der Umstieg müsse demnach gut überlegt sein, so die Verbrauche­rzentrale weiter.

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FOTO: DPA Heizen soll auch im Südwesten klimaschon­ender werden. Deshalb dürfen laut neuem Klimaschut­zgesetz Kommunen nun auch Eigentümer bestehende­r Häuser verpflicht­en, sich an ein neues Wärmenetz anschließe­n zu lassen.

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