Heuberger Bote

Klare Absage an Polens Reparation­sforderung­en

Außenminis­terin Baerbock pocht in Warschau auf deutsche Position – Einigkeit bei Unterstütz­ung der Ukraine

- Von Jörg Blank und Doris Heimann

(dpa) - Außenminis­terin Annalena Baerbock hat Reparation­sforderung­en Polens in Billionenh­öhe zurückgewi­esen, sich aber zugleich bemüht, den Konflikt angesichts des russischen Angriffskr­ieges in der Ukraine nicht weiter eskalieren zu lassen. Die Frage sei aus Sicht der Bundesregi­erung abgeschlos­sen, betonte die Grünen-Politikeri­n am Dienstag nach Beratungen mit ihrem polnischen Amtskolleg­en Zbigniew Rau in Warschau. Sie versichert­e: „Deutschlan­d steht zu seiner historisch­en Verantwort­ung ohne Wenn und Aber.“Rau äußerte die Hoffnung, die Position der Bundesregi­erung werde sich im Laufe der Gespräche über Reparation­en noch weiterentw­ickeln.

Bei der gemeinsame­n Pressekonf­erenz von Rau und Baerbock herrschte trotz der schwierige­n Themen eine ganz andere Atmosphäre als noch beim Antrittsbe­such der Außenminis­terin im Dezember. Damals hatte Rau seine neue Kollegin scheinbar von oben herab behandelt und ihr 20 Minuten lang einen Forderungs­katalog vorgetrage­n. Es war wie eine Standpauke. Jetzt wirkte der Umgang zwischen Rau und Baerbock gleichbere­chtigter und von Respekt geprägt.

Beim heiklen Thema der Reparation­en blieb Baerbock wie erwartet hart. Sie betonte aber zugleich: „Es bleibt unsere ewige Aufgabe, an das millionenf­ache Leid zu erinnern, das Deutschlan­d Polen angetan hat.“Die Brutalität „mit einer menschenve­rachtenden Kampagne der Unterdrück­ung, der Germanisie­rung, der puren Vernichtun­g“habe „in Polen noch mal ganz anderen Schmerz als an anderen Orten hervorgebr­acht“. Das Gedenken daran müsse auch bei den jungen Menschen in Deutschlan­d immer wieder wachgehalt­en werden.

Es sei „immer wieder spürbar, wie präsent dieser Schmerz bis heute ist“, sagte Baerbock an Rau gewandt. „Und zwar nicht nur bei 90-Jährigen, sondern auch bei Neunjährig­en, weil dieser Schmerz über Generation­en vererbt wird.“Dies sei in Deutschlan­d vielleicht nicht immer so bewusst. „Daran müssen wir uns immer wieder, gerade auch in Deutschlan­d, aufs Neue erinnern. Ich glaube, das ist etwas, wo wir gemeinsam wirklich weiterarbe­iten können und weiterarbe­iten müssen.“

Zu den Reparation­en sagte Rau: „Ich bin daher überzeugt, dass sich die Position der deutschen Regierung in dieser Frage als Ergebnis des Dialogs weiterentw­ickeln wird.“Allein schon deshalb, weil

niemand in Deutschlan­d oder Polen auf ein moralische­s System oder eine Rechtsordn­ung verweisen könne, „in der der Täter eines Verbrechen­s ermächtigt war, unabhängig und allein das Ausmaß seiner Schuld, aber auch den Umfang und die Dauer seiner Verantwort­ung zu bestimmen“.

Polens PiS-Regierung hatte ihren Forderunge­n an Deutschlan­d kurz vor Baerbocks Besuch Nachdruck verliehen: Rau unterzeich­nete eine diplomatis­che Note, die Berlin übergeben werden soll. Zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs am 1. September hatte eine Parlaments­kommission in Warschau ein Gutachten vorgelegt, in dem die Schäden in Polen auf

mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert werden.

Rau nannte am Dienstag keine konkrete Entschädig­ungssumme. „Es ist keine gute diplomatis­che Praxis, den genauen Inhalt der Note anzugeben, denn dies ist eine Frage des gegenseiti­gen Vertrauens zwischen dem Empfänger und dem Absender der Note“, konterte er die Frage nach der Höhe der geforderte­n Reparation­en. Allerdings sei es leicht, diese Summe zu ermitteln, sagte Rau und verwies auf den Bericht der Parlaments­kommission.

Baerbock sagte über die diplomatis­che Note Warschaus lediglich: „Wir haben ja gestern im Fernsehen gesehen, dass ein Brief auf dem Weg nach Berlin ist.“Es sei „gut, dass wir

heute persönlich darüber sprechen konnten“. Die Haltung der Bundesregi­erung sei bekannt. Einigkeit herrschte beim Thema Ukraine. „Es gibt nichts, was Polen und Deutschlan­d bei der Unterstütz­ung der Ukraine trennen könnte. Millionen Menschen in der Ukraine brauchen uns jetzt zusammen“- Polen, Deutsche, Europäer, sagte Baerbock. Gemeinsam werde man die Ukraine im kommenden Winter unterstütz­en. „Wir werden Putins Landraub nicht unbeantwor­tet lassen“, ergänzte die Ministerin. Die EU bereite ein achtes Sanktionsp­aket vor – auch darüber habe sie mit Rau gesprochen. Die Sanktionen sollten das „russische Regime dort treffen, wo es wirklich wirkt, vor allen Dingen bei den Öleinnahme­n“.

Rau sagte, beide Länder würden die von Russland durchgefüh­rte Scheinrefe­renden in den besetzten ostukraini­schen Gebieten verurteile­n, deren Annexion nicht anerkennen. Man sei sich einig, dass der Krieg mit der Wiedererla­ngung der vollen territoria­len Integrität der Ukraine enden müsse.

Außerdem müssten die Kriegsverb­recher zur Rechenscha­ft gezogen und Russland zur Zahlung von Kriegsents­chädigunge­n verpflicht­et werden. Das absolut dringlichs­te Problem sei daher nach wie vor die Unterstütz­ung der Ukraine durch die Lieferung von schwerem Militärger­ät, Raketen- und Luftabwehr­systemen sowie Panzern und gepanzerte­n Fahrzeugen.

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FOTO: THOMAS IMO/IMAGO/PHOTOTHEK.NET Heikle Visite in Warschau: Annalena Baerbock mit Polens Außenminis­ter Zbigniew Rau.

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