RWE will Kohleausstieg um acht Jahre vorziehen
Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, wäre laut Experten ein Zubau von Gaskraftwerken notwendig
- Die Bundesregierung hat erste Schritte eingeleitet, um 2030 aus der Braunkohleverstromung auszusteigen. So hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstag mit RWE-Chef Markus Krebber vereinbart, bis 2030 alle Kohlekraftwerke des Essener Energiekonzerns vom Netz zu nehmen. Damit wird der ursprüngliche Ausstiegspfad um acht Jahre vorgezogen. „Wir sparen damit 280 Millionen Tonnen Braunkohle und also rund 280 Millionen Tonnen CO2", sagte Habeck in Berlin.
Steinkohlekraftwerke betreibt RWE in Deutschland nicht mehr. Gleichzeitig wurde vereinbart, aufgrund der gegenwärtigen Energiekrise zwei Kohlemeiler, die RWE eigentlich Ende des Jahres abschalten wollte, bis Frühjahr 2024 weiterzubetreiben.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zwinge dazu, „vorübergehend stärker Braunkohle zu nutzen, damit wir in der Stromerzeugung Gas sparen", sagte Habeck. Geht sein Plan auf, wären nach 2030 nur noch in ostdeutschen Ländern Braunkohlekraftwerke am Netz, betrieben unter anderem von den Unternehmen Leag und Uniper.
Zwar erhofft sich die Politik von der Vereinbarung mit RWE eine Art Vorbildwirkung für andere Betreiber – Gespräche liefen bereits. Jedoch dürften die spezifischen Situationen in den jeweiligen Revieren nicht über einen Kamm geschoren werden, sagte Habeck. Es gebe keine „One-size-fits-all-Lösung".
Als weiteres Problem dürfte sich der Zubau von Gaskraftwerken erweisen. Der ist nötig und im Koalitionsvertrag auch vorgesehen, weil erneuerbare Energien die gesicherte Leistung konventioneller Kraftwerke als Sicherheitsnetz benötigen für die Zeit, in der es weder Wind noch Sonne gibt.
RWE hat nun zwar versprochen, Gaskraftwerke bauen zu wollen, die perspektivisch mit dem „grünen" Gas Wasserstoff betrieben werden können. Doch ob dies noch im für den Ausstiegstermin 2030 nötigen Zeitrahmen gelingen kann, ist anzuzweifeln.
Deutschland will bis spätestens 2038 aus der Kohle aussteigen, laut Koalitionsvertrag soll der Ausstieg „idealerweise“bis 2030 gelingen. Bereits 2020 wurden erste Braunkohlekraftwerke stillgelegt.
Die Industriegewerkschaft IGBCE sprach angesichts des RWEZeitplans von einer „ebenso ambitionierten wie wichtigen Planung“in
der derzeitigen Energiekrise.
Zugleich richtete er seinen Blick auf die Beschäftigten. Von den aktuell 7500 Arbeitsplätzen in der Braunkohle sollen demnach bis 2030 statt bislang 3500 nun bis zu 5500 abgebaut werden. „Wir haben schon im Kohlekompromiss 2020 ein engmaschiges Sicherheitsnetz für die Betroffenen
durchgesetzt“, erklärte der Vorsitzende Michael Vassiliadis. „Wir werden dafür sorgen, dass Bund und Konzern von den Zusicherungen kein Jota abweichen.“Das gelte für Vereinbarungen zum Vorruhestand ebenso wie zur Qualifizierung und Vermittlung von Jüngeren.
Um das ambitionierte Ziel zu erreichen
wäre laut Experten ein Zubau von mehreren Gaskraftwerken nötig.
Bisher ist aber nur ein kleiner Bruchteil davon in Planung. Geht man von einer durchschnittlichen Bauzeit von sechs bis sieben Jahren aus, sofern es keine Klagen gibt, und einer Genehmigungszeit von einem
bis zwei Jahren, dann müsste spätestens jetzt der Bau der Gasmeiler angeschoben werden, um einen Kohleausstieg möglich zu machen. Dies ist bisher nicht in Sicht.
Aus der FDP kommt deswegen deutliche Kritik an Habecks Plan. Fraktionsvize Lukas Köhler sagte, in der aktuellen Energiekrise habe erst die politisch beschlossene Stilllegung von Kraftwerken dazu geführt, dass die jetzt notwendigen Kohlekraftwerke erst viel zu spät wieder ans Netz gehen. Die Liberalen müssen einer Änderung des Kohleausstiegsgesetzes im Bundestag zustimmen.
Die Siedlung Lützerath werde dennoch für die Braunkohleförderung abgerissen, erklärte der Bundeswirtschaftsminister gemeinsam mit seiner nordrhein-westfälischen Amtskollegin Mona Neubaur (Grüne). Protest kam von Klimaaktivisten und von der grünen Jugend. Landeswirtschaftsministerin Neubaur sprach sich für einen Dialog mit Klimaschutzinitiativen aus der Region aus. Die, die bislang friedlich demonstriert hätten, seien per Brief zu Gesprächen eingeladen worden.