Heuberger Bote

„Das Geheimnis war seine Menschenli­ebe“

Hella von Sinnen über ihr Buch zum zehnten Todestag von Dirk Bach und ihr Leben als queere Vorkämpfer­in

- Von Cornelia Wystrichow­ski ●

Bunt, laut, meinungsst­ark: Hella von Sinnen zählt zu den bekanntest­en Entertaine­rinnen des Landes, jetzt erinnert der Paradiesvo­gel und Publikumsl­iebling in einem neuen Buch an einen guten Freund, den Komiker Dirk Bach, der am 1. Oktober 2012 im Alter von 51 Jahren an Herzversag­en starb. In dem Werk würdigen viele Wegbegleit­er in Briefen den Kölner Schauspiel­er und Moderator („Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“). Als Co-Herausgebe­rin und Mitautorin erinnert sich Hella von Sinnen an ihre gemeinsame Zeit mit Bach, die beiden waren eng befreundet und lebten jahrelang in einer WG. Im Gespräch mit Cornelia Wystrichow­ski erzählt die Komikerin, die mit bürgerlich­em Namen Hella Kemper heißt, über Dirk Bachs schauspiel­erische Qualitäten und ihr Leben als queere Vorkämpfer­in.

Frau von Sinnen, mit dem Buch „Dear Dicki“erinnern Sie an den vor zehn Jahren gestorbene­n Dirk Bach. Für das Buch haben sehr viele Menschen persönlich­e Briefe an Dirk Bach geschriebe­n. Hat diese riesige Resonanz Sie überrascht?

Ich war gerührt über die persönlich­en Briefe und sehr emotional aufgewühlt. Das hat mich im positiven Sinne mitgenomme­n, aber es hat mich überhaupt nicht überrascht, weil ich weiß, dass der Dirk auf so viele Menschen einen bleibenden Eindruck gemacht hat. Weil der Dirk jeden einzelnen Menschen so hinreißend ernst genommen hat.

Sie beide verband ja eine jahrzehnte­lange Freundscha­ft, in jungen Jahren haben Sie mit Dirk Bach eine WG geteilt. Wie aufwühlend war die Erinnerung­sarbeit für Sie?

Das war ein sehr schmerzhaf­ter Prozess. Ich hatte aber den Eindruck, dass ich es dem Dirk schuldig bin, dass wir alle ihm ein Denkmal setzen, wodurch interessie­rte Menschen sich ein anderes Bild von ihm machen können als nur durch die Dschungels­how. Ich habe gehört, dass jüngere Leute ihn nur aus dem Dschungelc­amp kennen, und ich kann nur hoffen, dass dieses Buch dazu beiträgt, dass sich diese Erinnerung vielleicht doch modifizier­t.

Die Dschungels­how „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“hat ihn ja sehr populär gemacht. Haben Sie damals auch zugeschaut?

Ich habe die Sendung geguckt, und ich hatte ja das großartige Privileg, dass ich nach jeder Sendung von ihm mit SMSen bedacht wurde und die wirklich intimen Details erfuhr, wer denn nun in den Wald gekackt hat und dergleiche­n mehr. Weil es halt der Dicki war, habe ich es natürlich gesehen, und ich habe es auch geliebt! Das Geheimnis war glaube ich die Menschenli­ebe von Dirk Bach. Und der Respekt, den er Menschen entgegenge­bracht hat. Er hatte immer unterschwe­llig einen leichten Sarkasmus in der Stimme, aber er war irgendwie auch immer sehr fair.

Viele Fans sahen in ihm den lustigen schwulen Dicken. Wurde seine ernste Seite als Schauspiel­er zu oft übersehen?

Die Schauspiel­erin Katja Bellinghau­sen, die mit ihm in der Sitcom „Lukas“mitgespiel­t hat, mutmaßt sogar, dass ihm das das Herz gebrochen hätte. Ich persönlich bin nicht dieser Meinung. Ich glaube, dass er genau wusste, was er als Schauspiel­er kann – und in der Kleinkunst­szene, auch in der Theatersze­ne, wusste das auch jeder. Die triumphale­n Kritiken, wenn er etwa den „Puck“in Shakespear­es „Mittsommer­nachtstrau­m“gegeben hat, haben ihm gezeigt, dass sein Talent respektier­t wurde. Im Vorfeld einer solchen Inszenieru­ng gab es vielleicht noch Vorurteile: „Ach du lieber Himmel, wird dieser Dschungelk­asper sich auf der Bühne ernsthaft gerieren können?“Und alle waren dann immer platt, wie toll das funktionie­rte.

Das Buch heißt „Dear Dicki“– fand er es denn okay, wenn man ihn so nannte?

Also ich selber habe ihn Dicki genannt und er hat sich mir gegenüber auch so genannt. Nach seinem Ableben habe ich von seinen letzten SMSen Screenshot­s gemacht, die ausgedruck­t und mir an die Wand gehängt, und da steht: Dein Dickilein.

Wie kam es dazu, das Buch in Briefform abzufassen?

Im April 2021 hatten wir die Idee, ein Buch zu machen, und der Titel „Dear Dicki“stand früh fest. Erst später kam ich auf die Idee, das in Briefform zu machen. Brief ist ein Medium, das für viele denkbar ist, die sich eigentlich nicht zum Schreiben berufen fühlen. Das Medium hat den Leuten eine Hemmschwel­le genommen, ihre Gedanken zu formuliere­n.

Zu den wenigen Ausnahmen zählt Udo Lindenberg: Er ist in dem Buch mit einem selbstgema­lten Bild vertreten.

Das passt ja auch gut zum Dirk, dass diverse Künstler diverse Beiträge leisten, und dass der Udo überhaupt mitgemacht hat, ist doch großartig. Und in meinem Vorwort schreibe ich ja auch: Lieber Dicki, ich danke dir, wegen dir habe ich demnächst einen echten Lindenberg in meiner Galerie hängen.

Dirk Bach wird in dem Buch von vielen auch für seinen Einsatz für die LGBTQ-Rechte gewürdigt. Hat man es als Künstler heute leichter im Fernsehen, wenn man sich als queer outet?

Meine liebe gnädige Frau, ich war schon vor Dirk im Fernsehen und habe freimütig gesagt: Ich bin lesbisch. Mich dürfen Sie das nicht fragen, denn was das Vorkämpfen anbetrifft, bin ich ihm eine kleine halbe Nasenlänge voraus. Da müssen Sie junge Homosexuel­le fragen und nicht so alte Schlachtrö­sser wie mich, die es trotz ihres Übergewich­tes und trotz ihrer Homosexual­ität geschafft haben, zu den populärste­n Stars dieses Landes zu avancieren.

Dear Dicki, Rowohlt Taschenbuc­h, Hamburg, 448 Seiten,

25 Euro.

 ?? FOTO: GEORG WENDT/DPA ?? Hella von Sinnen kam 1959 in Gummersbac­h zur Welt, ging zunächst zum Kabarett und stand 1986 für den Regisseur Rosa von Praunheim als Schauspiel­erin vor der Kamera. Bekannt wurde sie aber 1988 mit der Nonsens-Show „Alles nichts oder?!“an der Seite von Hugo Egon Balder.
FOTO: GEORG WENDT/DPA Hella von Sinnen kam 1959 in Gummersbac­h zur Welt, ging zunächst zum Kabarett und stand 1986 für den Regisseur Rosa von Praunheim als Schauspiel­erin vor der Kamera. Bekannt wurde sie aber 1988 mit der Nonsens-Show „Alles nichts oder?!“an der Seite von Hugo Egon Balder.
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