„Das können wir sehr gut aushalten“
Tettnanger Schiedsrichterinnen Merz und Kuttler über die Kritik bei der Handball-WM
- Von Null auf Hundert: Obwohl die beiden Schwestern Maike Merz (36) und Tanja Kuttler (33) als einziges weibliches Schiedsrichtergespann in der Handball-Bundesliga der Männer es gewohnt sind, eine Sonderrolle einzunehmen, war das was sie bei der WM in Polen und Schweden erlebten, auch für die beiden Tettnangerinnen ein neues Erlebnis. Plötzlich standen sie voll im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Nicht wegen ihrer Leistungen, sondern weil sie als erste Schiedsrichterinnen aus Deutschland bei einer Männer-WM zum Einsatz kamen – und weil es daran unerwartete Kritik aus der Heimat gab. Wie die beiden die vergangenen Wochen erlebten und was sie sich für die Zukunft wünschen, haben sie nach ihrer Rückkehr im Interview erzählt.
Sie haben als erstes weibliches Schiedsrichtergespann aus Deutschland bei einer MännerWM gepfiffen. Wie fühlt es sich an, Geschichte geschrieben zu haben? Maike Merz:
Wir waren darauf und das große mediale Interesse daran nicht wirklich vorbereitet. Für uns selbst war es gar nicht so besonders, weil vor uns ja auch schon Schiedsrichterinnen bei einer Männer-WM dabei waren. Deshalb haben wir nicht damit gerechnet, dass das in den Medien so ein großes Thema wird. Das war zum einen schon anstrengend, zum anderen aber natürlich auch toll. Es ist immer schön, etwas als Erste zu schaffen und einen Weg zu ebnen.
Tanja Kuttler: Das macht uns schon stolz. Aber wenn wir die zweiten deutschen Frauen bei einer WM gewesen wären, wären wir nicht weniger stolz.
Abgesehen vom großen Medieninteresse: Wie haben Sie das Turnier im Vergleich zu den anderen internationalen Turnieren erlebt? Kuttler:
Schon rein sportlich war es für uns anders als bei früheren Frauen-Großevents. Für uns stand dieses Mal vor allem das Motto „Dabei sein ist alles“im Vordergrund. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, möglichst viele Erfahrungen zu sammeln und das Turnier ohne allzu großen sportlichen Druck einfach zu genießen. Das geht natürlich nicht, wenn man wie bei der Frauen-EM mit einem Halbfinale oder in der Champions League mit der Leitung des Finales beauftragt wird.
Und konnten Sie die WM so genießen wie erhofft?
Merz: Ja, wir haben jeden Moment mitgenommen, der nur irgendwie ging, und viel neues Wissen mitgenommen. Wir waren zunächst in Göteborg, wo das schwedische Team seine Heimspiele ausgetragen hat. Da war eine gigantische Stimmung. Danach ging es weiter nach Malmö, was ganz in der Nähe zu Dänemark liegt und wo bei den dänischen Spielen die ganze Halle in Rot gefüllt war. Das war schon ein besonderes Erlebnis.
Sie kamen in zwei Vorrundenspielen und einem Hauptrundenspiel zum Einsatz, haben unter anderem Kap Verde gegen Uruguay gepfiffen. Wie unterscheidet sich so ein Spiel von einer Bundesligapartie? Merz:
Was die Kommunikation und die Akzeptanz auf dem Feld angeht, hatten wir überhaupt keine Probleme. Aber natürlich sind die Spielstile schon etwas ganz anderes als das, was wir aus der Bundesliga kennen. Das hat für uns bedeutet, dass wir uns im Vorfeld extrem gut vorbereiten und auf die Mannschaften einstellen mussten. Und trotzdem passieren Dinge, die wir aus einem europäischen Handballspiel nicht kennen. Wir mussten zum Beispiel zum ersten Mal in unserer Karriere eine Blaue Karte (folgt auf die Rote Karte
und bedeutet, dass neben der Disqualifikation für die laufende Partie noch weitere Strafen drohen, d. Red.) zeigen.
Anders als im Vorfeld erhofft, sind Sie während der WM extrem in den Fokus gerückt, weil Ex-Nationalspieler Christian Schwarzer in einem Podcast Kritik an den Schiedsrichterinnen im MännerHandball geäußert hat. Der Weltmeister von 2007 sagte wörtlich: „Keine Ahnung, wie man da auf die Idee gekommen ist, Frauen bei den Männern pfeifen zu lassen.“Und weiter: „Ich hätte es nicht gemacht, weil die können bei den Frauen pfeifen, und die Männer pfeifen bei den Männern.“Wie haben Sie davon in Schweden mitbekommen? Kuttler:
Über die sozialen Medien geht das sehr schnell. Obwohl wir versucht haben, während des Turniers so wenig Nachrichten wie möglich zu konsumieren, kamen wir daran natürlich nicht vorbei. Vor allem auch, weil es plötzlich extrem viele Medienanfragen gab. Das war schon eine neue Erfahrung für uns.
Und wie haben Sie das Thema untereinander diskutiert? Kuttler: Die ganze Diskussion hat
Maike und mich zwischenzeitlich schon beschäftigt, aber wir haben es recht schnell zur Seite geschoben. Für uns war das einfach nicht wichtig.
Merz: Es ist die Meinung eines Einzelnen und die können wir sehr gut aushalten.
Wie dankbar waren Sie darüber, dass sich der DHB schnell eingeschaltet und auf Ihre Seite gestellt hat? Kuttler:
Es hat uns sehr gefreut, dass sich der Verband klar gegen diese Haltung positioniert hat.
Merz: Schön war auch, dass wir sehr viele private Nachrichten bekommen haben, die uns alle den Rücken gestärkt haben. Das war ein sehr gutes Gefühl.
Am Samstag geht es gleich im DHB-Pokal weiter, Sie pfeifen die Partie TSV Hannover-Burgdorf gegen die Rhein-Neckar Löwen. Freuen Sie sich darauf, oder hätten Sie noch etwas Pause vertragen? Kuttler:
Rein sportlich freuen wir uns, dass es weitergeht und auf alles, was in diesem Jahr noch kommt. Es ist für uns wichtig einen Rhythmus zu haben, damit wir Woche für Woche unsere Leistungen abrufen können.