Frischer Wind auf der Art Karlsruhe
Erstmals Squares und Spots für Newcomer und Friends – Das neue Leitungsteam hat die Kunstmesse entschlackt und setzt auf Konzentration
- Natürlich sind sie alle wieder gekommen – die Kuratoren, Sammler und Museumsvertreter, die jungen Künstler und alten Hasen. Man kennt sich, grüßt sich. Und doch ist plötzlich vieles anders bei der diesjährigen Karlsruher Kunstmesse. 20 Jahre wurde sie von ihrem Gründer Ewald Karl Schrade geleitet – und dass sich diese Messe am Markt etablieren konnte, war maßgeblich mit seiner Person verbunden. Er nutzte seine guten Kontakten zu den Galeristen im Land, überzeugte sie, Vorbehalte gegen den Standort über Bord zu werfen und mit dabei zu sein. Wenn Schrade etwas konnte, so trommeln und wirbeln.
Nun hat die erste Messe unter neuer Leitung ihre Türen geöffnet – und man staunt, wie ruhig und entspannt es diesmal zugeht in den vier Hallen. Die Kunsthistorikerin Olga Blaß und der Galerist Kristian Jarmuschek vom Vorstand des Bundesverbands Deutscher Galerien, die nun im Duo agieren, wollten keineswegs alles anders machen als Schrade, haben aber kräftig abgespeckt: 71 Galerien weniger als im Vorjahr sind diesmal am Start. Und plötzlich wirken die Hallen deutlich luftiger, die Wege sind großzügig und an den Ständen herrscht nicht mehr die übliche Enge und Fülle. Das ist nicht nur fürs Publikum angenehm, sondern tut vor allem der Kunst gut, die genug Platz hat, sich zu entfalten.
Und diesen Platz nimmt sich Joséphine Sagna mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass man an den wahrlich expressiven Porträts kaum vorbeikommt. Die Stuttgarter Galerie Schacher gewährt der Künstlerin aus Ulm einen ganz großen Auftritt – weil es gerade in diesen Zeiten wichtig sei, „ein positives Statement zu setzen“, wie es Katrin Schacher nennt. Denn Joséphine Sagna, die ihre Wurzeln im Senegal hat, wuchs in Deutschland auf und hatte als schwarze Frau mit Vorurteilen und Anfeindungen zu kämpfen. Die knallbunten, fast schrillen Frauen, die sie malt, wirken dagegen sehr selbstbewusst und angriffslustig. Sie sollen „empowern“, sagt Katrin Schacher, die fast sicher ist, dass nicht nur eines der Gemälde für 5600 Euro bis zum Sonntag einen Käufer finden wird.
Auch wenn die Klassische Moderne gut vertreten ist, so steht die zeitgenössische Kunst deutlich im Fokus dieser Art Karlsruhe. Das liegt auch an den neuen Formaten, die Olga Blaß und Kristian
Jarmuschek eingeführt haben, die sich auch klar zu BadenWürttemberg bekennen wollen. Im „Academy Square“werden deshalb jeweils drei Studierende der Kunstakademien im Land präsentiert: Hanna Heidt von der Karlsruher Akademie malt eigenwillige Figuren, die sich selbst mit langen Zungen die Haut lecken wie Katzen bei der Wäsche. Lina Baltruweit und Johannes Breuninger arbeiten im Duo und bieten Tapete an zu 135 Euro der Quadratmeter. Man muss genau hinschauen um zu entdecken, was auf den gespiegelten und wiederholten Fotos zu sehen ist: Eisbären inmitten von Plastikmüll.
Solcherlei politische Statements sind allerdings eher die
Ausnahme auf der Messe, stattdessen gibt es auch in diesem Jahr wieder allerhand gefällige Malerei – hier wurden junge Frauen beim Shoppen gemalt, dort junge Männer, die in den Pool steigen. Beliebt sind weiterhin Urlaubsglück und Strandszenen. Immerhin, wenn Cameron Rudd Schwimmreifen auf dem Wasser malt, ist das zwar harmloses, aber exquisites Handwerk mit köstlichen Spiegelungen und Lichteffekten.
Man kann auch hochpreisige Werke entdecken – zum Beispiel eine Assemblage von Daniel Spoerri, der auf einem hängenden Teppich Geigenkasten und Stiefel arrangiert hat. Er ist bei der italienischen Galleria Lara e Rino Costa für 80.000 Euro zu haben. Die Auswahl bei deutlich günstigeren Werken ist aber groß – und da für Einsteiger gerade Papierarbeiten oft attraktiv sind, wird ihnen auf der Messe eine eigene Sektion gewidmet, die wie alle Formate nun mit einem englischen Titel daherkommt: „Paper Square“.
Auch die für Karlsruhe so typischen Skulpturenplätze wurden umgetauft in „SkulpturenSpots“. Der Bildhauer Andreas Blank zeigt an einem solchen Spot etwa sorgfältig zusammengelegte Herrenhemden in Übergröße, die sofort an mächtige Männer denken lassen. Einen großen Auftritt ermöglicht die Galerie Tobias Schrade aus Ulm der Bildhauerin Anne Carnein aus Kißlegg. 24.000 Euro kosten die fragilen Pflanzen aus Draht und Stoff, die wie aus dem Nichts zu wachsen scheinen. Das Wurzelwerk rankt in die Luft – und erinnert an den enormen Überlebenswillen mancher Pf lanzen, die so anspruchslos sind, dass sie sich mit nichts als Luft und Wasser ihren Weg bahnen können.
Ob das in der Summe durchaus interessante Angebot der diesjährigen Messe ausreichend Käufer findet, wird man erst am Sonntagabend wissen. Da die wirtschaftliche Situation für Galerien derzeit wegen Energiekrise, Inf lation und zögerlichen Käufen nicht einfach ist, hat die neue Leitung ihnen besondere Angebote gemacht. So konnten sich Galerien, die erst nach 2020 gegründet wurden, als „Newcomer“bewerben. Außerdem ist es nun möglich, als „Friend“am Stand einer befreundeten Galerie unterzuschlüpfen.
Ein besonders interessantes Format, das das neue Duo ersonnen hat, nennt sich „re:discover“. Jedes Jahr will man 20 Künstlerinnen und Künstler wieder sichtbar machen, die trotz ihrer kunsthistorischen Bedeutung auf dem Kunstmarkt derzeit keine Rolle spielen. Da sie kreuz und quer auf der Messe verteilt sind, lassen sie sich leider nicht so leicht finden. Auch hier muss sich weisen, ob das Publikum tatsächlich Entdeckungen machen kann. Der Reutlinger Galerist Reinhold Maas, der unter dem neuen Label die konstruktive Malerei des Stuttgarters Frieder Kühner ausstellt, sagt in jedem Fall ganz offen: „Ich hätte Kühner auch so auf der Messe gezeigt.“
Öffnungszeiten: Sa., 11 bis 19 Uhr, So., 11 bis 18 Uhr. Weitere Infos unter www.art-karlsruhe.de