Unter die Funkensonntagsfreude mischen sich laute Misstöne
Der Klostersaal konnte nicht benutzt werden, weil der Wirt der Gaststätte im Urlaub war
- Tausende haben das Funkenfeuer am Sonntag beobachtet, hunderte brennende Fackeln wurden vom Berg ins Tal getragen, darunter allein mindestens 200 der großen, selbst gebauten. Es herrschte freundlich-fröhliche Stimmung, wie immer, wenn sich Spaichingen auf seinem Berg trifft. Doch ein lauter Misston hatte sich im Vorfeld eingeschlichen: Die Wirtschaft war zu und der Klostersaal auch.
Schon auf dem Weg nach oben ruft der Reporterin eine Frau im Scherz zu: „Sie haben kein dickes Auto, drum macht die Wirtschaft für Sie auch nicht auf!“Für die traditionsbewussten Spaichinger ist der Funkensonntag einer der wichtigsten Tage im Jahr. Und irgendwie auch ein wichtiger Tag für die Verbundenheit der Stadt (verwaltung) mit den Traditionen und der Bevölkerung. Deshalb gibt es immer zu Beginn des Entzündens, etwa eine Stunde vor dem Einbruch der Dämmerung, Würstchen für die Fackelträger. Damit sie auch genug Kraft haben, die großen Fackeln, die einige Kilo wiegen, auch gestemmt zu bekommen.
Vermutlich haben sich aber auch andere gestärkt, zumal für die Kinder immer Schokolade bereitsteht, die 300 Würste waren jedenfalls schnell aus. Die Würstchen wurden in der Klosterküche erhitzt, die Feuerwehrleute kümmerten sich ehrenamtlich darum und gaben die Würstchen auch aus - und zwar hinterm Kloster. Wer auf die Toilette musste, dem standen die städtischen, öffentlichen zur Verfügung.
Die Restaurantküche und die Toiletten waren in den vielen Jahren zuvor - und das Funkenfeuer gibt es mindestens seit dem 19. Jahrhundert - für den Ablauf des Tages durch die veranstaltende Stadt benutzt worden.
Zum Glück, so war diesmal zu hören, war das Wetter schön. Vergangenes Jahr war der Klostersaal wegen des Schneesturms unabdingbar. Aber diesmal zwinkerte der Himmel den Fackelträgern zu und schickte schönes, trockenes Wetter, sodass das bereitstehende DRK seine Schutzzelte nicht aufbauen musste.
Der geschlossene Klostersaal war natürlich Thema unter den Teilnehmenden. Zwei Gruppen hatten sich kurzerhand ihre eigene Außengastronomie selbst mitgebracht - früher hatte man zuvor in der Gaststätte etwas getrunken. Aber diesmal waren die Wirtsleute im Urlaub.
An der Alternativgastronomie war aber auch nichts zu mäkeln. Da war alles dabei: Glühwein, Bier und Sekt für die Erwachsenen, Alkoholfreies für die Kinder.
Viele neue Gesichter waren dabei - sicher auch, weil wieder die Schulen - und die Rupert-MayerSchule mit ihren Schülern Fackeln gebaut hatten, so wie Lucia Lujic, die mit ihrem Papa Zeljko auf den Berg gekommen war.
Und dann ging es los. Der „kleine Funken“- von der Feuerwehr schnell entzündet - diente zum Anbrennen der großen Fackeln, die wiederum geben das Feuer an die vielen kleinen weiter. Gut, dass die Kinder ihre Eltern dabei hatten. Die großen, selbst gebauten Fackeln werden je weiter man ins Tal komm umso leichter, sind aber trotzdem ziemlich schwer.
„Bei uns sagt man, wenn nachher die Schulter nicht weh tut, dann ist etwas falsch“, lacht eine junge Frau. Sie ist mit ihrer Mutter da und hat extra ihre „Funkenfeuer-Ausstattung“angezogen. Eine Jacke, die voller Tropfen vorn und hinten ist, wie bei einer abbrennenden Kerze. Und ihre Mutter hat einen „Funkenfeuer-Rucksack“, der eine ebenso tropfenreiche Patina trägt und jedes Jahr wieder zum Einsatz kommt. Denn das Harz tropft natürlich.
Mit dabei wie das DRK die Feuerwehrleute. Am Anfang bei den Würstchen und beim großen Funken, mit den Fahrzeugen am Anfang des Zugs, mittendrin mit großen Metallklatschen, um herabfallende Glutteile zu bändigen und unten am großen Funken, um die Menschen vor Schaden zu bewahren. Und auch noch am nächsten Tag, wie diesmal geschehen, weil jemand die restlich glimmenden Teile für einen Brand hielt.
Fast hätte man nochmal improvisieren müssen, denn plötzlich rannten die Wehrmänner, noch bevor die Fackeln angezündet waren, im Laufschritt zu ihren Fahrzeugen am Parkplatz: Ein Absturz auf dem Klippeneck und Menschen in Gefahr war gemeldet worden. Zum Glück nur ein Fehlalarm, und noch bevor es richtig dunkel war, kamen die Fahrzeuge wieder zurück und alles konnte wie geplant stattfinden.
Die Funkenhexen hatten den Funken aufgebaut - zum ersten Mal ohne Harald Niemann, der diese Tradition geliebt und fachkundig mit angepackt hatte. Nachdem zur Stadtkapellenmusik der große Holzturm entzündet war und sich das Feuer nach oben fraß - ungute Gefühle gab das Bild dann doch, als die Wetterhexe verbrannt und da plötzlich ein Kreuz in den Flammen stand - kippte der brennende Haufen plötzlich vor der Zeit um. Die unten Stehenden rannten weg und exakt an der Abgrenzung lagen die letzten Holzteile.
Jeder redete mit jedem, das Gejammer der Funkenhexen, die weinend ihre Masken abnahmen, als die Flammen nach ihrer Winterschwester griffen, dauerte kurz. Jeder war freundlich, die Sprachen vermischten sind. Man versteht auch von außerhalb den Zauber dieses Brauchs.
Ob der Wirt auf dem Berg die Traditionen nicht schätze, meinten viele. Nein, sagt Pietro Palmisciano auf unsere Anfrage, er sei sehr traditionsbewusst. Aber er habe die Verantwortung für den Saal nicht übernehmen wollen, nachdem letztes Jahr - auch da war die Wirtschaft schon zu, aber der Eingang und die Toiletten des Restaurants waren geöffnet - die Reinigung des Saals nicht geklappt habe. Letztlich sei das an der Familie und den Claretinern hängen geblieben.
Er habe mit Joachim Balk von der Stadt Spaichingen telefoniert und gesagt, dass der Saal durch den Eingang des Klosters betreten werden könne. Im Übrigen solle er noch einmal anrufen.
Den Saal über den anderen Eingang zu betreten geht nicht, erläutert Balk auf unsere Anfrage. Man brauche immer zwei Notausgänge und der eine sei ja verschlossen geblieben. In dem besagten Gespräch habe der Wirt auch gesagt, dass in einem anderen Fall der Saal - es war eine private Feier Balks selbst - ja auch benutzt worden sei, ohne dass das Restaurant involviert worden sei.
„Wir sind zu allen TraditionsVeranstaltungen bereit und organisieren diese gerne. Sie sollen uns jedoch "guttun" und dem Betrieb
nicht schaden. Die Zeiten bezüglich Personal und Kosten haben sich drastisch verändert im Vergleich zu den Jahren davor. Im Übrigen wollen wir als Dreifaltigkeitsberg-Team dazu noch sagen, dass 95 Prozent unserer Gäste sehr zufrieden und glücklich sind und mit Freude unser Restaurant besuchen. Sie schätzen uns sehr und sind froh dass es uns hier in Spaichingen gibt und in diesen schwierigen Zeiten noch bestehen.“, so Pietro und Janine Palmisciano.
Was der Saal am Funkensonntag nun genauer mit dem Wirt zu tun hatte, war in unserer Recherche nicht zu klären. Der Saal gehört den Claretinern und wird auch von Wirt Palmisciano für dessen Veranstaltungen dazu gemietet. Veranstalterin des Funkensonntags ist aber die Stadt, die auch mehrfach Reinigungskräfte geschickt hatte.
Dass es durch Schnee und Salz vergangenes Mal schwierig war, den Ursprungszustand herzustellen und dafür ein Spezialgerät des Klosters gebraucht wurde, ist unbestritten. Trotzdem bleiben Fragen. Wahrscheinlich wird es - um die unerquicklichen Töne zu vermeiden - künftig ein neues Konzept geben, deutet Joachim Balk für die Stadt an.