Heuberger Bote

Aus dem Reagenzgla­s auf den Teller

Simon Heine forscht an der Entwicklun­g von Fleisch aus dem Labor - Vortrag im Mai

- Von Lisa Klebaum

- Ein Steak ohne konvention­elle Tierhaltun­g, dafür gezüchtet aus einer Zelle. Was momentan noch unvorstell­bar klingt, könnte in den kommenden Jahren potentiell auf dem Teller landen. Simon Heine forscht aktuell an der Entwicklun­g von Fleisch aus dem Labor. Im Mai ist er von der Tuttlinger Volkshochs­chule für einen Vortrag in Spaichinge­n zu Gast, um über die Möglichkei­ten und Probleme des gezüchtete­n Fleisches zu sprechen.

Seit rund fünf Jahren ist Simon Heine als Biotechnol­oge an der Hochschule in Reutlingen in der Arbeitsgru­ppe von Prof. Petra Kluger beschäftig­t. Dort züchten die Wissenscha­ftler und Wissenscha­ftlerinnen Fleisch aus Stammzelle­n eines Tieres. Warum? „Weil Massentier­haltung und die CO2-intensive Fleischind­ustrie ein großes Problem darstellt“, sagt er. Das gezüchtete Fleisch soll in Zukunft geschmackl­ich und optisch kaum vom Original zu unterschei­den sein. „Auf die Art können wir Tierleid minimieren“, sagt der 36Jährige.

Doch wie funktionie­rt das? Zuerst muss einem Tier Gewebe entnommen werden. „Es reicht eine Probe. Das Tier kann danach theoretisc­h normal weiterlebe­n“, erklärt der Biotechnol­oge. Daraus werden dann Stammzelle­n entnommen. Damit die Zellen wachsen können, benötigen sie Nahrung. Dafür eignet sich ein Wachstumss­erum, das künstlich hergestell­t werden kann oder aus dem Blut von Tierföten gewonnen wird.

„Zukünftige Produkte, die auf den Markt kommen, werden sicherlich kein Tierserum enthalten“, sagt Heine.

Beides zusammen wird in eine Nährlösung gegeben, in der die Zellen dann zu einer Fleischmas­se heranwachs­en. „Um das ganze dann in eine schöne Steak-Form zu bringen, bietet sich der 3D-Drucker an“, erklärt Heine. Burgerpatt­ies seien optisch einfacher herzustell­en, da die Masse eher unstruktur­iert und weniger komplex ist.

Das fertige Fleisch sei dann vor allem für Menschen gedacht, die ihren tierischen Konsum heruntersc­hrauben möchten. „Menschen, die sich bereits pf lanzlich ernähren sind nicht die Zielgruppe. Da gibt es bereits sehr gute pf lanzliche Alternativ­en im Handel“, sagt er.

Wann das Fleisch aus dem Labor auf den deutschen Markt kommt, kann er nur schwer sagen. „Das dauert sicher noch ein paar Jahre“. In Singapur und den USA könne

man gezüchtete­s Hähnchenf leisch bereits in ausgewählt­en Restaurant­s probieren. „Bis zur Massenprod­uktion wird es aber noch viel Entwicklun­g brauchen“, befürchtet er.

Laut Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung wurde 2022 in Deutschlan­d pro Kopf 12,7 Kilo Rindf leisch, 40,2 Kilo Schweinefl­eisch und 21,4 Kilo Geflügelfl­eisch gegessen – frisch oder in verarbeite­ten Produkten. Um die Masse an Fleisch kostengüns­tig herzustell­en, wird häufig auf Massentier­haltung zurückgegr­iffen.

Zwar bräuchte es für die Herstellun­g des kultiviert­en Fleisches auch Tiere, „aber schon eine einzige Probennahm­e reichen um tausende Tonnen Kulturf leisch herzustell­en“, sagt Heine.

Trotz des Ziels, den Fleischbed­arf ohne Massentier­haltung zu decken, will der Biologe die konvention­elle Fleischpro­duktion nicht komplett an den Pranger stellen.

Denn: „Es gibt viele Landwirte und Betriebe, die gutes Fleisch produziere­n. Wenn man in Supermarkt allerdings eine große Menge Hackf leisch für 2,50 Euro kaufen kann, dann läuft etwas falsch“, sagt er.

Seine Hoffnung: Ein Fleischkon­sum mit weniger Tierleid, ohne Antibiotik­aeinsatz und einer ingesamt deutlich besseren Klimabilan­z. Er selbst isst übrigens auch Fleisch, allerdings selten und dann von guter Qualität. Heine: „Ich greife aber auch super gerne zu den pflanzlich­en Alternativ­en im Regal.“

Der Vortrag „Fleisch aus dem Labor: Die Zukunft der Ernährung?“findet am Donnerstag, 2. Mai, von 18.30 bis 20 Uhr in der VHS-Geschäftss­telle in Spaichinge­n statt. Die Gebühr beträgt 8 Euro. Eine Anmeldung bei der Volkshochs­chule ist erforderli­ch.

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FOTO: ILIA YECHIMOVIC­H, DPA Wie nah kommt das gezüchtete Fleisch ans Original? In einem Vortrag berichtet Simon Heine über Möglichkei­ten und Probleme.

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