Heuberger Bote

„Pro-europäisch­e Mehrheit geht nur mit uns“

René Repasi ist Spitzenkan­didat der Südwest-SPD zur Europawahl

- Von Ulrich Mendelin

- Allen Orakeln eines Rechtsruck­s zum Trotz: Die SPD wird im kommenden Europaparl­ament eine entscheide­nde Rolle einnehmen, sagt ihr Spitzenkan­didat im Südwesten, René Repasi. Im Interview erklärt er, warum.

Ein Kollege aus Ihrer Fraktion, Matthias Ecke, wurde am 3. Mai beim Plakatiere­n in Dresden angegriffe­n und schwer verletzt. Erleben auch Sie eine aufgeheizt­e Stimmung im Wahlkampf?

Was Matthias Ecke passiert ist, ist nur die Spitze des Eisbergs. In Baden-Württember­g ist die Situation allerdings noch ein wenig geordneter als im Osten Deutschlan­ds. Wir erleben verbalen Hass, aber noch keinen physischen Hass. Aber es treibt mich um, was sich in dieser Gesellscha­ft verändert.

Viele erwarten bei der Europawahl einen Rechtsruck. Manfred Weber von der CSU findet freundlich­e Worte für Italiens Ministerpr­äsidentin Giorgia Meloni. Wie müssen die Sozialdemo­kraten darauf reagieren?

Frau Meloni ist die neue Generation von Rechts-Autokraten. Sie ist nicht wie der Ungar Victor Orban, der in der EU alle nervt. Sie gibt sich in der EU nett und friedferti­g, und deswegen schauen die Europäisch­en Institutio­nen nicht so genau hin, was in Italien passiert. Dort fährt Meloni aber einen stramm rechten Kurs. Es ist die Frage, ob Herr Weber ihr wirklich auf den Leim geht.

Und wenn ja?

Eine rechte Mehrheit im Parlament wird es nur geben, wenn Konservati­ve und Liberale mit den Rechten zusammenar­beiten. Herr Weber und die CDU/CSU müssen sich entscheide­n. Wenn sie eine pro-europäisch­e, konstrukti­ve Mehrheit für sich und Frau von der Leyen haben wollen, dann geht das nur mit uns. Und wenn es mit uns gehen soll, dann nur ohne die Rechten.

Wenn Sie der Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen eine Schulnote geben sollten: Welche wäre das?

Eine 2 bis 3. Mit dem Green Deal, den vor allem ihr Vize Frans Timmermans vorangetri­eben hat, ist dieser Kommission unter ihrer Leitung etwas Großes gelungen, ein Umbau der europäisch­en Wirtschaft. Auf der anderen Seite steht für mich das komplette Versagen dieser Kommission bei der Bekämpfung der Verstöße gegen die Rechtsstaa­tlichkeit in Ungarn und in Polen. Als Parlament haben wir Frau von der Leyen dafür

ein Instrument gegeben, den Rechtsstaa­tsmechanis­mus, mit dem EU-Gelder zurückgeha­lten werden können, solange die Rechtsstaa­tlichkeit in einem Land nicht wiederherg­estellt ist. Den hat sie nicht angewandt. Ein weiterer Punkt: Sie hat die EUKommissi­on zu einem Akteur der Geopolitik gemacht. Gerade mit Blick auf den Krieg in der Ukraine hat sie die Europäisch­e Union mit viel Feingefühl für Geopolitik gut aufgestell­t.

Zu den stark beachteten Abstimmung­en des EU-Parlaments gehört das Aus für Verbrenner-Motoren ab 2035. CDU und CSU machen Wahlkampf damit, es wieder kassieren zu wollen. Wie stehen Sie dazu? Es geht ja auch um Arbeitsplä­tze in Baden-Württember­g.

Das ist richtig. Ich glaube aber nicht, dass die Rolle rückwärts die richtige Antwort ist. Schaut man nach China und in die USA, setzen die Wettbewerb­er auf Elektromob­ilität. Wenn die deutsche Industrie am Verbrenner festhält, wird sie von der Realität überrollt. Dann sind die Arbeitsplä­tze auch futsch.

Was also tun?

Die deutsche Autoindust­rie muss sich modern aufstellen, und gerade die baden-württember­gischen Hersteller tun das auch. Die große Herausford­erung liegt im Bereich der Zulieferbe­triebe. Da geht es um kleinere und mittlere Unternehme­n, die zu 70 bis 80 Prozent Komponente­n des Verbrenner­s herstellen. Denen droht das Aus, wenn sie ihr Wirtschaft­smodell nicht ändern. Gerade war ich bei einem Unternehme­n in Südwürttem­berg, das vor wenigen Jahren noch zu 70 Prozent Auto-Komponente­n hergestell­t hat. Inzwischen stellen sie Bauteile für Elektrolys­eure zur Produktion von grünem Wasserstof­f her. Allerdings haben sie ein Problem, sie brauchen für einen Großauftra­g aus den USA eine Anschubfin­anzierung und bekommen sie nirgends. Da braucht es Förderprog­ramme, damit die Jobs von morgen entstehen.

Einer Ihrer Arbeitssch­werpunkte im EU-Parlament ist der Verbrauche­rschutz. Welches Vorhaben ist Ihnen in der nächsten Legislatur­periode wichtig?

Wir müssen uns die OnlineMark­tplätze noch einmal vornehmen. Meine Pläne dazu wurden im Binnenmark­t-Ausschuss von der rechts-liberalen Mehrheit abgelehnt. Jetzt will ich einen neuen Anlauf starten. Die Diskussion um den Online-Marktplatz Temu zeigt, wie drängend das Thema ist.

Temu wurde 2022 in den USA als Tochter eines Konzerns mit Sitz in China gegründet und tritt als Vermittler zwischen Käufern und Verkäufern auf ...

... dabei geht das Unternehme­n mit aggressive­n Methoden vor. Es überschwem­mt den europäisch­en Markt mit Billigstpr­odukten, mit denen europäisch­e Hersteller nicht mithalten können. Billigstlö­hne, Kinderarbe­it oder Zwangsarbe­it bei chinesisch­en Hersteller­n können bei solchen Preisen nicht ausgeschlo­ssen werden. Damit will Temu europäisch­e Anbieter vom Markt verdrängen und schnell seinen Marktantei­l vergrößern, um anschließe­nd den europäisch­en Markt zu dominieren. Dabei werden Verstöße gegen die Produktsic­herheit und Gesundheit­ssicherhei­t in Kauf genommen und es kommt zu massiven Zollrechts­verstößen. Online-Marktplätz­e wie Temu müssen in die Verantwort­ung genommen werden.

Wie das?

Wenn über Online-Marktplätz­e schädliche­n Waren nach Europa kommen, müssen sie verpflicht­et werden, das zu stoppen. Und wenn sie das nicht tun, müssen sie haftbar gemacht werden. Temu hat eine europäisch­e Niederlass­ung, dazu ist es nach unserem Produktrec­ht verpflicht­et. Diese kann haftbar gemacht werden. Und wenn es nicht anders geht, muss man den Marktzugan­g entziehen. Zudem muss Temu nach dem Lieferkett­engesetz künftig nachweisen, dass es die Menschenre­chte in seinen Lieferkett­en schützt, was bei diesen Preisen schon bezweifelt werden kann. Auch dann kann das Unternehme­n für Schäden in Europa haftbar gemacht werden.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Rene Repasi ist SPD-Spitzenkan­didat in Baden-Württember­g zur Europawahl.

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