Heuberger Bote

Handball kämpft um globale Relevanz

Der Rückzug Saudi-Arabiens löst eine Debatte um die internatio­nale Zukunft der Sportart aus

- Von Jordan Raza ●

(dpa) - Gewaltige Handballha­llen aus Beton passen so gar nicht in paradiesis­che Regionen mit weißen Sandstränd­en und türkisblau­em Meer. Und trotzdem könnte sich Ex-Nationalsp­ieler Stefan Kretzschma­r mit Weltmeiste­rschaften in der Karibik, Südamerika oder Afrika anfreunden. Die Handball-Ikone hält Großturnie­re in Gegenden, in denen der Sport vergleichs­weise unbekannt ist, sogar für nötig, um Handball global relevant(er) zu machen.

Die Internatio­nale Handballfö­deration (IHF) wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorschläge­n äußern. Bis 2031 findet die Männer-WM vor allem in europäisch­en Handball-Hochburgen statt. Mal in Deutschlan­d, mal in Deutschlan­d und Frankreich und natürlich in Skandinavi­en. Die Frauen zieht es immerhin etwas weiter in Richtung Osten nach Ungarn, Tschechien oder Polen sowie in den Süden nach Spanien.

Das reicht Kretzschma­r nicht. Sein Appell: „Man nutzt eine WM zum Geldverdie­nen, und in die darauffolg­ende WM muss man Geld investiere­n. Man muss in Regionen und Länder gehen, in denen der Handball nicht populär ist. Nach Südamerika, nach Asien, nach Afrika. Von mir aus zu jedem Spiel Hunderte oder Tausende Freikarten verteilen.“

Ausgelöst wurde die Debatte um den globalen Stellenwer­t des Handballs, weil Saudi-Arabien seine Bewerbung um eine WMAusricht­ung

2029 oder 2031 zurückgezo­gen hatte. Auch die Club-WM findet ab diesem Jahr woanders statt. Ein Fenster in die arabische Welt ist damit geschlosse­n. „Wenn die Saudis sich zurückzieh­en, heißt das übersetzt, dass unser Sport dort keine Relevanz hat und global keine Relevanz hat. Da wir eh schon ein Problem haben, ein globaler Sport zu bleiben, ist das keine gute Nachricht für uns als Sportart allgemein“, befand Kretzschma­r.

Der Sinneswand­el des Wüstenstaa­tes bereitet aber nicht jedem Sorgen. „Es wären traurige Zeiten, wenn die Entwicklun­g unserer Sportart von dem Wohl und Wehe eines einzelnen Verbandes abhinge“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann und befand: „Im Übrigen wäre es für uns Deutsche gut, einmal zu klären, wie wir zu Saudi-Arabien nun wirklich stehen. Einerseits monieren wir den Zustand der Menschenre­chte dort, anderersei­ts habe ich den Eindruck, wir nehmen jeden Cent, den wir von den Saudis kriegen können. Ich halte das für unaufricht­ig.“

Der Ölstaat investiert über seinen Staatsfond­s seit Jahren massiv in den Sport. Offizielle Ziele sind etwa die Diversifiz­ierung der Wirtschaft oder eine Öffnung des Landes auch für Touristen. Dem Königreich wird allerdings auch vorgeworfe­n, so von seinen Verstößen gegen Menschenre­chte abzulenken und sein Image verbessern zu wollen.

Der deutsche Verbandsch­ef Michelmann sieht vor allem die Olympische­n Spiele 2028 in Los Angeles und 2032 in Brisbane als große Chancen. Grundsätzl­ich sei es richtig, dass Handball als globaler Sport auch auf anderen Kontinente­n

mit großen internatio­nalen Events stattfinde­n müsse. Zuletzt sei das mit der FrauenWM in Japan (2019) oder dem Männerturn­ier in Katar (2015) auch der Fall gewesen.

Strategien, den Handball weltweit populärer zu machen, gibt es einige. So will Frankreich etwa mit finanziell­er Hilfe des Staates Trainer und Trainerinn­en aus Asien und Afrika ausbilden. „Übrigens waren wir da auch in Deutschlan­d schon einmal weiter. Auch deshalb ist der Wiederaufb­au einer akademisch­en Traineraus­bildung sowohl für die Entwicklun­g unserer Sportart in Deutschlan­d, aber auch für die Unterstütz­ung der sich entwickeln­den Handballna­tionen ein unverzicht­barer Schritt. Das wäre wichtiger, als über den Rückzug Saudi-Arabiens aus einer Sportart zu jammern“, befand Michelmann.

Während es noch dauern wird, bis eine WM wieder in Südamerika oder in Afrika stattfinde­n wird, versucht die EHF, den Kontinenta­lwettbewer­b in allen Regionen Europas auszuricht­en. So spielen die Frauen 2026 in Polen, Rumänien, der Slowakei, Tschechien und der Türkei um den EMTitel. Zwei Jahre später geht es nach Skandinavi­en. Die Männer spielen 2028 in der Schweiz, Spanien und Portugal. „Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass wir in den kommenden Jahren in allen Teilen Europas präsent sein werden genau so, wie es sein sollte“, sagte EHF-Präsident Michael Wiederer.

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FOTO: MARCO WOLF/IMAGO Die Diskussion­en um die Ausrichtun­g des Sports nehmen zu.

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