Steh wieder auf und geh weiter!
Wenn uns eine enttäuschte Liebe, ein großer Verlust oder eine schmerzhafte Trennung aus dem Leben reißen, neigen wir Menschen dazu, unser Herz zu verschließen. Schlimmer noch, wir verlieren nicht selten unser Vertrauen in die Liebe und unsere Hoffnung, dass sie uns wiederfindet ...
Die Reaktion auf Enttäuschung und Trennungsschmerz ist dabei oft die gleiche: Wir bauen rundherum einen energetischen Panzer damit keine zusätzliche Belastung oder Erschütterung nach innen dringen kann. Dadurch ist unser Herz verschlossen. Unerwünschte Nebenwirkung: Wir haben keinen Zugang mehr zu unserem Herzen und verlieren den Zugang zu unseren Gefühlen. Die Verbindung zu unserer eigenen Quelle der Lebendigkeit ist getrennt. Wir sind weder in Kontakt mit uns selbst, noch in Resonanz mit unserer Umwelt.
Die Frage lautet: Wie können wir uns in einem solchen Seelenzerreißzustand mit unserem Herzen verbinden…um es dann wieder zu öffnen?
Nimm deine Gefühle an!
Wir Menschen neigen dazu, aufgrund einer schweren Enttäuschung oder einer Trennung eine Mauer um unser Herz zu errichten, um den Verlustschmerz zu verdrängen. So verlieren wir den Zugang zu unserem Herzen, zu unserem inneren Kern. Wir fühlen uns dann leer, belastet und niedergeschlagen. Um mit dem eigenen Herzen wieder in Kontakt zu kommen, ist es wichtig, zunächst wieder ins Fühlen zu finden.
Die Trauer und die Phasen des Loslassens, des EntLiebens, haben eine heilsame Funktion als Vorbereitung auf einen neuen Lebensabschnitt. Wie wäre es also damit, die schmerzhaften Gefühle zuzulassen und sich selbst erstmal „mildernde Umstände“
und hemmungsloses Leiden zuzugestehen? Jetzt geht es darum, seine eigenen Gefühle wahrzunehmen und auszuleben, anstatt in die innere Emigration abzutauchen.
Kletterhilfen aus dem Kummer
Wie heilen wir unser geschundenes Herz? Um aus der erlittenen Ohnmacht auszusteigen und uns wieder lebendig fühlen zu können, brauchen wir den unmittelbaren Kontakt zum Lebendigen, sprich: zu wohlgesonnenen Menschen, die uns gut tun. Die wichtigsten Seelsorger in unserem unterirdischen Jammertal sind Freunde oder vertraute Menschen, die uns in unseren exaltierten Gefühlsschwankungen nicht nur so annehmen, wie wir sind, sondern uns auch unermüdlich in den Arm nehmen. „Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise am Herzen, bis es bricht“, lautet ein Bonmot von William
Shakespeare. Das Gespräch mit einem zugewandten Menschen ist eine unverzichtbare Methode, um unser gebrochenes Herz gesundheitlich und seelisch zu stärken. Ein „Verlustopfer“ist erstmal bedürftig. Bedingungslose Annahme, Streicheleinheiten, offene Ohren sind der verlässlichste Trost für die verwüstete Seelenlandschaft, die nun einmal ihre Zeit braucht, um wieder Gestalt anzunehmen. In der Fachszene besteht Einigkeit darüber, dass soziale Interaktion die wirkungsvollste Depressionsprophylaxe darstellt. Weil durch sie auch die neuronale Plastizität des Gehirns gefördert wird. Raus aus der Starre!
Eine weitere selbsttherapeutische Hilfe, um das Loslassen zu erleichtern, ist das Erstellen eines Aktivitäten-Plans. Ein geniales Gegengift zum Verlust- und Abschiedsschmerz sind neue Erfahrungen. Unser Gehirn liebt Neues, Wärmendes, Schönes, Begeisterndes. Wir sollten ihm das besonders in dieser Krisenzeit geben. Ein trivialer, aber umso tauglicher Trick besteht darin, eine neue Herausforderung, eine kreative oder inspirierende Tätigkeit, anzunehmen. Das lenkt uns nicht nur von unserem ewig plappernden „Monkey Mind“(Affe im Kopf) ab, der uns gerne einredet, dass wir totale Liebes-Loser sind, sondern ist ein wahrer Selbstwert-Booster, der uns wieder in unsere Schöpferkraft bringt, in uns endlich wieder positive Gefühle entstehen lässt. Gefühle der Wertlosigkeit werden durch Gefühle des Wertvollseins ersetzt. Wir öffnen und entdecken unser Herz für etwas Neues, wodurch wir meist auch uns neu entdecken. Mein großer Liebeskummer brachte mich dazu, ein Buch über die Liebe zu schreiben: „Der große Liebeszirkus“! Hingebungsvoll widmete ich meine volle Aufmerksamkeit nicht mehr meinem Liebesfrust, sondern meinem Buchprojekt. Auf diese Weise aktivierte irgendwann mein Kreativprozess den Loslass-Prozess.
Bewege dich!
Manch einer von uns setzt seine tiefe Traurigkeit, Wut und Verzweiflung in Bewegung um und fängt an zu laufen, trainiert monatelang für den Marathon, bis er wieder bei sich selbst ankommt.
Tatsächlich kann Bewegung den Loslass-Prozess richtig in Fahrt bringen. Die körperliche Aktivität lässt erstarrte Gefühle wieder fließen. Mich persönlich bringt gerade in Krisenzeiten meine Yoga-Praxis immer wieder in den Fluss. In meinen „Herzöffner“-Yogastunden motiviere ich meine Teilnehmer dazu, sich mittels spezieller Atemtechniken, Meditationen und Körperhaltungen wieder mit ihrem Herzen zu verbinden (siehe Herzatmung im Infokasten).
Die Seele aufräumen
Eine tragende Rolle, die das Loslassen erschwert, spielen unverarbeitete frühkindliche Erfahrungen. Ur-Wunde Verlustangst: An Liebeskummer Verkümmernde sind erfahrungsgemäß Menschen, die als Kinder mangelnde Zuwendung, eine schmerz
hafte Trennung oder gar einen frühen Verlust erlebt haben. Der Loslass-Prozess wird in solchen Fällen durch die eingekapselte Verletzung blockiert. Viele Menschen, die in meine Praxis kommen, tragen einen tiefen Schmerz (aus der Vergangenheit) in sich, den sie nicht spüren wollen. In der therapeutischen Arbeit bewährt sich als Aufsteh-Hilfe, den Menschen wieder in Kontakt mit seinem Herzen und seinen Herzenswünschen zu bringen (siehe Übungen im Infokasten). Das bedeutet allerdings auch, dass wir uns alte Verletzungen anschauen, mit ihnen arbeiten und die damit verbundenen Gefühle wie Angst, Traurigkeit oder Wut zulassen müssen. Nach der Trauer ist die Wut ein zentraler Schritt zur Trennung. Die Rede ist hier von der so genannten „Trennungsaggression“: Wir brauchen ein gewisses Maß an selbsterhaltender Wut, die die erforderliche Energie für die Trennung freisetzt und der Input
zur Veränderung ist. Wichtig in diesem Zusammenhang sind Selbstakzeptanz und Vergebung. Wir vergeben uns und dem anderen, nehmen Geschehenes an und schließen mit vergangenen Verfehlungen ab.
Auf zu neuen Ufern!
Wie wäre es jetzt mit einem Perspektivwechsel? Enttäuschungen und Liebes-Knockouts können durchaus auch Gelegenheit zu tiefer Selbsterfahrung und persönlicher Metamorphose sein. Quasi eine Art Psychoanalyse ohne Analytiker, in der wir die Chance zur Inventur haben. Das Gefühl des Aufuns-selbst-zurück-geworfen-seins lädt uns dazu ein, alte Strukturen aufzubrechen und ungewisses Neuland zu betreten. Stichwort Selbsthygiene: Wir sind gut beraten, uns selbst und die eigenen Bedürfnisse und Motive genau anzuschauen. So soll es doch darum gehen, genau hinzuschauen, warum es so passiert ist, wie es passiert ist, um dann gegebenenfalls ein Muster von wiederkehrenden unglücklichen oder verletzenden Beziehungserfahrungen zu durchbrechen. Jawohl, wir brechen auf zu neuen Ufern!
Wenn wir das mit Bravour tun, stürzen wir uns eben nicht mehr zum x-ten Mal euphorisch auf den gleichen Männer- oder Frauentyp, in der Hoffnung, er möge uns diesmal „ ganz“machen. Die Liebe ist nicht in einem anderen Menschen verortet. Sie ist vor allem eine Fähigkeit, die wir alle in uns tragen, indem wir immer wieder den Mut haben, sie zu verschenken und zu empfangen. Wenn wir darauf setzen, öffnet sich unser Herz irgendwie, irgendwo, irgendwann wieder von ganz allein.
Der Achtsamkeitslehrer Jack Kornfield drückt es so aus: „Mit einem liebevollen Herzen im Hintergrund wird sich alles, wonach wir streben, und alles, was uns begegnet, leichter öffnen und leichter fließen. Die Macht der liebenden Güte … wird dein Leben beruhigen und deine Herzverbundenheit aufrechterhalten.“
Steh immer wieder auf
Ein großer Liebesblockierer ist die Angst. Die Angst vor dem Verlust, vor dem Wechselspiel des Lebens
und der Liebe. Diese Angst macht uns übervorsichtig und dauerbekümmert. Die große Lebensaufgabe bei Enttäuschung, Trennung und Verlust ist die, zu akzeptieren, dass es doch sowieso unmöglich ist, das Leben zu kontrollieren. Klar, ich kann meinen eigenen Weg mit einem guten Kompass konsequent und zielgerichtet beschreiten. Aber das heißt ja nicht, dass das Leben quasi „ außen vor“bleibt. Das Leben findet um und in uns weiter statt und es besteht aus vielen Aufs und Abs. Aber wem es gelingt, das anzuerkennen, sich in die Wellen zu werfen, statt ihnen möglichst auszuweichen, findet Halt. Halt in sich selbst. Wenn wir uns für unser Herz öffnen, öffnen wir unser Herz für das Leben und die Liebe. Das Leben ist ein Abenteuer! Lebe, fühle, liebe, lache, weine, stolpere, gewinne, verliere… aber steh immer wieder auf und gehe weiter! •
„Durch bewusstes Einatmen umarmen unsere Lungenflügel das Herz in ihrer Mitte und drücken es ein wenig, und mit jeder Ausatmung lässt diese Umarmung wieder nach. Herzen lieben diese zarten Herzmassagen, weil sie die Herzfrequenzvariabilität fördern. Unser Gemüt beruhigt sich und wir treten in einen liebevollen Kontakt mit uns selbst und ebenso mit unseren Mitmenschen. Darin liegt Heilung für das Herz“(Reinhard Friedl, Herzchirurg).
Bei der Herzatmung geht es darum, den Fokus auf das Herz zu richten und in sein Herz hinein zu spüren.
Du kannst die Herzatmung zu jeder Tageszeit ausführen. Da du damit jedoch schnell in einen Zustand der Entspannung gelangst, ist sie vor dem Schlafengehen besonders zu empfehlen.
Los geht’s! Setze oder lege dich bequem auf einen weichen Untergrund. Lenke nun deine Wahrnehmung auf die Atmung. Atme ganz entspannt durch die Nase ein und aus. Nimm deinen Atem dabei bewusst wahr und lasse die Luft ganz natürlich strömen.
Während du dich auf deinen Atem konzentrierst, werden dir vermutlich viele Gedanken durch den Kopf gehen. Genauso können auch Gefühle auftauchen. Lasse beides zu. Versuche nicht, Gedanken oder Gefühle zu unterdrücken. Bleibe bei deinem Atem und nimm deine Gedanken und Gefühle wahr wie einen Kinofilm. Achte jedoch darauf, nicht von deinen Gedanken oder Gefühlen ergriffen zu werden. Für die Dauer der Übung bist du nur Zuschauer in diesem Film.
Legen dann beide Hände mittig auf die Brust und lenken deine Aufmerksamkeit auf das Herz. Kannst du seine Schläge spüren?
Stelle dir vor, dass der Atem durch dein Herz in den Körper strömt und alles in dir mit frischer Herzenergie versorgt. Mit der Vorstellung, durch dein Herz zu atmen, verstärkst du die natürlichen Prozesse im Körper.
Atme dabei etwas langsamer und tiefer als gewöhnlich. Verbleibe für einige Minuten bei deinem Herzen. Dann richte deine Aufmerksamkeit ganz langsam wieder auf deine Umgebung. Nimm das Hier und Jetzt wieder bewusst wahr, um die Übung zu beenden.
Achte anschließend auf kleine Veränderungen in deinem Alltag. Fällt dir nach der Übung etwas leichter oder kommst du auf neue Lösungen für ein Problem? All das sind Hinweise darauf, dass du eine Herzkohärenz erreicht hast.