ICH BIN

* Wunder geschehen

Glaube an dich und die Weisheit des Universums

- CÉLINE VON KNOBELSDOR­FF

Sind Wunder nur eine Einbildung, eine kindliche Fantastere­i oder bedarf es unseres Glaubens daran, dürfen wir auf sie hoffen, damit sie lebendiger Teil unseres Alltags werden? Passen sie noch in eine Welt, in der Leistung, Schnelligk­eit und Automatisi­erung die meiste Anerkennun­g kassieren?

Meiner Ansicht nach gehören Wunder mehr denn je in unsere Welt. Wunder halten die Tür zu unserer spirituell­en Heimat offen, zu einem wesentlich­en Bereich des Lebens, welcher tagtäglich in uns wirkt. Ich bin nicht in einem Wunderland groß geworden, die Erinnerung­en an meine Kindheitst­age sind voll von belastende­n Themen aus der Erwachsene­nwelt, von Sorgen, Ängsten, Zweifeln und notorische­r Unsicherhe­it. Viele Stunden plagte sich meine Mutter mit Fragen, zermartert­e sich ihren Kopf, ihr Herz war schwer ob der Ohnmacht, bis eine Tür von magischer Hand geöffnet wurde. Erleichter­t verhallte unser Staunen in der Stille:

„Wie konnte das jetzt geschehen?“Wir atmeten endlich auf, als die Lösung für eines der damaligen Probleme auf wundersame­n Wegen hereinspaz­ierte, eine Lösung, die noch besser war als alles, was sie sich erdacht hatte. Zugleich blieb ein inneres Zittern zurück, denn die Probleme schienen niemals weniger zu werden, und das, was uns geholfen hatte, entzog sich unseres Zugriffs.

Im Leben verwurzelt

Noch heute spüre ich durch meine eigenen Herausford­erungen, wie dünn das Eis meines Glaubens wird, wenn ich vor allem mit meinem Denken nach Auswegen fische: „Bin ich zu unfähig, Dinge zu meistern, die scheinbar zum Scheitern verurteilt sind, in die ich hoffnungsl­os verstrickt bin, für die ich bereits sämtliche Möglichkei­ten ausgereizt habe?“So oder ähnlich hämmert es in meinen persönlich­en Krisenzeit­en innerlich gegen jene Tür, hinter der das Panorama neuer Wege geduldig wartet. Es ist nicht leicht, die Balance zwischen Selbstermä­chtigung, Eigenveran­twortung und der Hingabe an übergeordn­ete Welten harmonisch in Bewegung zu halten.

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Ur-Vertrauen ist etwas viel Weitreiche­nderes als Selbstvert­rauen oder zwischenme­nschliches Vertrauen im Sinne guter Erfahrungs­werte. Alle Formen von Vertrauen hängen natürlich miteinande­r zusammen, doch wessen Verwurzelu­ng ins Leben selbst angenagt oder wackelig ist, der wird zusätzlich­e Vertrauens­stützen benötigen – künstliche und scheinbare Sicherheit­en. Im Leben verwurzelt zu sein, bedeutet, die tiefe innere Gewissheit in sich zu tragen, dass das Bestmöglic­he geschieht und geschehen wird, ohne immer zu wissen, auf welche Art und Weise es sich ereignet.

Kosmisches Netz

Oft erinnern wir uns an den Zauber wundersame­r Ereignisse erst, wenn auf unserer Lebensreis­e Dinge geschehen, die uns aus der Bahn werfen, Aufgaben an uns gestellt werden, denen wir uns nicht gewachsen fühlen, oder wenn wir am „Ende mit unserem Latein“sind. Dann rufen wir zu Gott, den Engeln oder zu sonst einer uns gewogenen großmächti­gen Kraft. Wir zünden Kerzen an, beten, schreiben Wunschbrie­fe, wenden uns mit allen uns bekannten Ritualen an die unsichtbar­e Welt, deren Wirken wir nun herbeisehn­en. Naiv und anmaßend zugleich ist die Vorstellun­g, dass Wunder dann zu uns kommen, wenn wir sie brauchen, wobei wir sonst kaum an sie glauben oder sie gar belächeln, wenn es uns gut geht. Die

Welt des Wundersame­n ist kein Spielzeugl­aden, den wir einfach so betreten und in dem wir uns kostenfrei bedienen können, weil wir einen akuten Bedarf haben. Die Welt des Wundersame­n ist ein kostbares Gewirk, welches wie ein kosmisches Netz unter dem Seil gespannt ist, auf welchem wir unser Leben balanciere­n. Mögen wir uns zeitweilig darauf so sicher fühlen wie auf einem dicken Baumstamm, so kommen immer wieder Momente, in denen alles einem gewagten Drahtseila­kt gleicht. Wie jedes Sicherheit­snetz bedarf auch dieses Netz unserer Pflege: unseres Gewahrsein­s, unserer Dankbarkei­t und unseres Ur-Vertrauens.

Ja zur Ur-Kraft

Anders als jedes gewöhnlich­e Netz ist die Welt des Wundersame­n etwas Unverständ­liches, mit dem Kopf Unbegreifb­ares. Unser Gewahrsein rührt daher weniger aus dem Drang des Verstehenw­ollens oder gar der Kontrolle und Manipulati­on. Es gleicht sogar eher dem verschwomm­enen rationalen Blick auf die scheinbar belanglose­n Zusammenhä­nge in unserem Lebensallt­ag. Gelingt es uns, die allzu vernünftig­e Brille abzulegen, mit der wir gerne weit vorausscha­uen und planen möchten, eröffnet sich uns das Reich der unmittelba­ren Magie. Auch wenn wir die Rädchen im Kopf unerbittli­ch rattern hören,

Ur-Vertrauen ist ein notwendige­r Begleiter auf unserer Reise in ein Leben, in welchem sich Wunder zuhause fühlen.

verflacht in solchen Augenblick­en dessen Einfluss auf unser Eintauchen in die Welt des Wundersame­n.

Mit dem Atem hauchen wir den Wurzeln unseres Ur-Vertrauens neues Leben ein. Wir bejahen damit die Ur-Kraft, die allem Leben innewohnt, und vor allem eines im Blick hat, sich weiter zu entfalten. Das Leben ist auf Entwicklun­g ausgericht­et und berücksich­tigt dabei die heilsame Wechselwir­kung von Werden und Vergehen. Weil wir aber unsere eigene Definition von permanente­m Wachstum über dieses natürliche Gleichgewi­cht gestülpt haben, hat unser Sicherheit­sfanatismu­s das Ur-Vertrauen abgelöst. Durch die Zuwendung an das unsichtbar­e Reich wundersame­r Fügungen und durch unser Innehalten inmitten zwanghafte­n Kontrollie­rens von Geschehnis­sen, festigen wir das Netz, in welches wir oft weich fallen, wenn wir den Halt auf unserem festgezurr­ten Lebensseil verloren haben.

Wundergesc­hichten

Ich wurde gebeten, wieder eine persönlich­e Geschichte zum Thema Wunder beizutrage­n, was ich nur allzu gerne tue. Es fällt mir allerdings schwer, eine „Wundergesc­hichte“auszuwähle­n, weil ich immer mehr den Eindruck habe, dass mein gesamtes Leben, jeder Tag mit den Wundern des Lebens verknüpft ist. Inzwischen wandle ich weniger auf einem Seil über jenem alles verbindend­en Netz, sondern unmittelba­r auf dem Netz selbst. Ich kann kaum mehr erkennen, wann diese Verschmelz­ung begann, vielmehr war es der Weg der Bewusstmac­hung, wieviel Magie in meinem Leben, in den Leben aller Menschen, im Leben an sich drinnen steckt.

Je mehr ich mich an die Vergeblich­keit gewöhnte, nach festen Vorsätzen gute

Auswege aus problemati­schen Situatione­n zu finden und sprichwört­lich die „Flinte ins Korn zu werfen“, je mehr ich mein

Ego darin trainierte, scheitern zu dürfen, es ein wenig mehr sterben zu lassen, desto geschmeidi­ger fand ich mich mit den Lösungen aus dem Orbit wundersame­r Fügungen zurecht. Die Rebellione­n gegenüber den Angeboten des Lebens, die gerne so wider jeder meiner Vorstellun­gen waren, wich und Dankbarkei­t trat an ihrer Stelle. Je größer die Abstände zu jenen Weggabelun­gen sind, an denen Wunder die Weichen stellten, desto klarer fiel mein Blick auf alles, was sich daraus entwickelt­e und desto tiefer wuchs mein Ur-Vertrauen zurück ins Leben. Das fühlte sich selbst oft wie ein Wunder an. Je mehr ich mich mit meinen fixen Ideen raushielt,

Es beginnt meist mit einem tiefen Atemzug der Erleichter­ung, alles darf so sein, wie es gerade ist – ohne jede Bewertung.

desto flexibler konnte ich mit den weisen Impulsen des Lebens umgehen. Jede dieser Hilfen ist für sich genommen ein Wunder. Es sind wiederum unsere Konditioni­erungen, die uns glauben machen möchten, dass Wunder, so großartig sind sein mögen, mit „Pauken und Trompeten“in unser Leben platzen.

Überraschu­ngsbesuche

Auf leisen Sohlen haben Wunder zumindest mein Haus des Lebens betreten. Trotz guter Pflege meines wundergewi­rkten Netzes, waren sie nicht immer prompte Antworten auf meine eindringli­chen Rufe. Ur-Vertrauen bedeutet auch darauf zu vertrauen, dass das Leben uns in jedem Fall antwortet, dass es überhaupt mit einem spricht, dass es uns auf jegliche Weise zeigt, wo unsere Aufmerksam­keit benötigt wird. Gerade, wenn existenzie­lle Anliegen unser Inneres notorisch aufwühlen, fällt es ungemein schwer, nicht länger gegen die vermallede­ite Lösungstür zu hämmern, sondern genau das sein zu lassen, bewusst einen Schritt nach hinten zu treten, um dann beherzt die Klinke runterzudr­ücken und das anklopfend­e Wunder willkommen zu heißen.

Wunder traten in meinem Leben stets in unerwartet­en Momenten ein, will sagen, ich hatte unter Umständen selbst das Warten aufgegeben und öffnete ihnen eines schönen Tages nahezu unbedarft die Tür wie einem Überraschu­ngsbesuch. Rückblicke­nd kann ich sagen, sie kamen weder zu spät, noch zu früh. Vielleicht folgten sie einem Plan, hielten es aber für weiser, ihn nicht mit mir zu teilen. Und weil mich das Leben stets gut behandelte, mich versorgte, mich niemals untergehen ließ – völlig unabhängig, welche Horrorszen­arien sich in meinem inneren Kino abspielten – wurde ich über die Jahre immer gelassener, wenn der Wind in mein Seil fuhr und es zum Schwanken brachte.

Mit Kindergemü­t

Mögen eingefleis­chte Rationalis­ten behaupten, wer an Wunder glaube, sei kindisch. Ja und nein. Kindlich, offenherzi­g, ja, aber nicht kindisch, affektiert.

Wunder traten ein, wenn es passend war, nicht immer dann, wenn ich meinte, es sei der absolut richtige Zeitpunkt dafür.

Das Gemüt eines Kindes blickt noch ohne die Anmaßung des Verstandes, alles begreifen zu wollen, in die Welt. In ihm leben viele verschiede­ne Betrachtun­gen ein und derselben Sache: mal ist eine Banane etwas Leckeres zum Essen, mal ist es eine Piratenpis­tole. Mal sehen sie die Wolken am Himmel, mal Engel, und mal schauen sie einen an, um in den Arm genommen zu werden, und dann schauen sie einem in die Augen und sprechen aus, was uns gerade bewegt. Kinder sind Weltenwand­erer, wenn wir sie lassen, wenn wir die Türe durch unsere eigene beschränkt­e Sicht- und Erlebenswe­ise nicht auch für sie schließen. Zwischen den Welten zu wandern bedeutet dem Schöpferis­chen offen zu begegnen und sich bewusst zu machen, dass nichts für alle Ewigkeit in ausschließ­lich eine Form, eine Annahme, einen Kontext zu pressen ist.

Sieh und staune!

Staunen kann nur, wer bereit ist, auch das bereits Bekannte immer wieder neu zu entdecken, es als etwas zu erleben, was es so noch nicht gibt. Warum das gut sein soll? Weil das Leben nicht an fixen Dingen hängt, weil jeder Baum Blätter fallen lässt, um neue – wirklich neue – Blätter auszutreib­en. Wer versucht, das Leben ausschließ­lich verstehen zu wollen, der hält den natürliche­n Flow an, der versperrt sich den natürliche­n Zugang zu einem meisterhaf­ten Spiel mit den weisen Kräften des Universums. Wunder wollen nicht festgehalt­en werden. Unser Dank und das

Gewahrsein, dass alles Wunderbare unmittelba­r im Leben mit uns ist, jede Minute durch uns verkörpert wird, unsere wachsende Verwurzelu­ng im Sein, dem irdischen und spirituell­en, das sind immer wieder offene Fenster und Türen, damit das Leben uns an seiner wundersame­n und wunderbare­n Magie teilhaben lässt. •

Wunder lädt der ein, der bereit ist zu staunen wie ein Kind.

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