ICH BIN

* Wenn die Angst kommt

Rettungsan­ker Zuversicht

- REBECCA MANTELL

Angst ist ein Urinstinkt, der dein Überleben sichern soll. In Zeiten wie diesen kann Angst ein ungesundes Ausmaß annehmen oder sie etabliert sich als chronische­r Manipulato­r in deinem Unterbewus­stsein. Ein Manipulato­r, der eines sehr gut kann – dir deine Hoffnung rauben.

Rund 7,5 Milliarden Menschen gehen auf dieser Erde täglich ihrem Alltag nach, an sehr unterschie­dlichen Orten, auf oft völlig unterschie­dliche Art und Weise, mit sehr unterschie­dlichen Motivation­en.

Eines haben alle diese Menschen, haben wir alle gemeinsam: Wir wissen nicht so genau, woher wir Menschen kommen, und warum wir sind wie wir sind. Wir wissen nicht so recht, was der Sinn und Zweck unserer Existenz ist und wir alle wissen nicht, was der morgige Tag, die nächsten Jahre oder auch nur die kommende Stunde uns bringen wird. Manchmal versuchen wir uns einzureden, dass wir das wüssten. Wir können uns an Philosophi­en oder Theorien der Kirchen, Naturwisse­nschaften oder spirituell­en Richtungen festhalten, wir können uns an dem orientiere­n, was uns unsere Eltern mit auf den Weg gegeben haben – und dann schlägt das

Leben doch ganz unerwartet zu, und nichts davon scheint noch zu zählen!

Angst verändert uns

Erschütter­ungen reißen uns aus jeglicher vermeintli­chen Sicherheit. Eine Pandemie zum Beispiel stellt plötzlich unser aller Leben auf den Kopf und das Leben verändert sich in niemals zuvor gekannter Weise.

Spätestens dann zeigt sich die Angst. Angst davor, selbst ein Opfer der Krankheit zu werden, oder Angst davor, die eine oder andere Möglichkei­t, sich frei zu entwickeln, auf Dauer zu verlieren.

Und diese Angst, die Kontrolle über das eigene Leben einzubüßen, ist eine sehr umfassende Angst, eine Angst, die sich Stück in uns festsetzen kann, uns die Hoffnung nimmt und uns depressiv oder auch aggressiv werden lässt.

Wann immer Bedrohung und Angst um sich greifen, verändern sich Menschen. Sie werden auf ihre Essenz zusammenge­presst und es zeigen sich bisher verborgene Anteile der Persönlich­keit. Die Menschen scheinen sich grob in zwei Gruppen zu teilen: Die einen lassen sich von der Angst übermannen,

werden zu Weltunterg­angsphroph­eten und zu Panikmache­rn. Oder sie geben auf, fallen quasi in sich zusammen und warten still und fatalistis­ch auf das schlimme Ende. Die anderen nehmen die Angst zur Kenntnis, machen das Beste aus der Situation und gehen entspreche­nd ihren Möglichkei­ten einfach weiter.

Du hast immer eine Wahl

Vielleicht kennst du das: Du schaust Nachrichte­n und siehst dir die neuen Corona-Infektions­raten an. Danach zeigen die Bilder Medien von Särgen, rechnen Verluste in Euro auf und reden von einer bevorstehe­nden Wirtschaft­skrise und rechnen mit dem BankenCras­h.

Danach fühlst du dich unwohl, verspannt und eine beklemmend­e Leere greift nach dir. Deine Ängste sind aktiv. Jeder Gedanke an einen guten Ausgang der Geschichte wird unterdrück­t.

Du gehst auf die Straße und triffst deine Nachbarin. Aus sicherem Abstand ruft sie dir zu, „Ohje, ohje, haben Sie das von den vielen Toten gehört?“. Du nickst nur, dein Hals wird eng, dein Mund ist trocken. Als du weiter gehst, bleibt dein Blick ausgerechn­et am Schaufenst­er des Bestattung­sunternehm­ers am Ende der Straße hängen. Dahinter ist auch gleich der Friedhof. Jetzt kannst du kaum noch schlucken. Deine Beine sind weich, dein Kopf hängt. Dann laufen die Bilder der Nachrichte­n wieder vor deinem inneren Auge ab. Plötzlich fühlst du dich krank.

Wir drehen die Zeit ein paar Minuten zurück. Du sitzt wieder vor dem Fernseher. Nach den ersten Pandemie-Zahlen und den aktuellen Informatio­nen weißt du, was Sache ist. Dann schaltest du den Fernseher ab. Du musst dir die Situation nicht mehr als zwingend notwendig antun. Du räumst noch ein paar Sachen weg, trinkst ein schönes Glas frisches Wasser und dann rufst du deine Freundin an.

Sie ist eine Frohnatur, genau

Wir denken, wir hätten die Kontrolle über unser Leben und das, was uns zustoßen wird oder soll. Und dann verlieren wir den Halt.

wie du, nicht kleinzukri­egen. Statt über die Pandemie redet ihr über den netten Typ, den sie beim Einkaufen gesehen hat. Der hatte so eine lustige Maske auf.

Nachdem du aufgelegt hast, gehst du auf die Straße. Da ist niemand. Ist ja auch ganz schön, wenn die Straßen mal so leer sind. Die Vögel zwitschern. Du atmest einmal tief durch. Es riecht irgendwie schon nach Frühling, dabei ist erst Februar. Du siehst vor deinem inneren Auge die Narzissen, die demnächst ihre gelbe Pracht entfalten werden.

Das eine ist Angst in ihrer destruktiv­en Form und das andere ist Zuversicht. Eine Zuversicht, die nicht blind ist, die nicht über die Gefahren hinweg sieht. Aber sie gibt dir die Kraft, dich nicht von den Gedanken an die Risiken und Gefahren zu Boden drücken zu lassen.

Es gibt sicher Situatione­n, da kommt das alles wie ein Teufelskre­is ins Rotieren, alles denkbar Schlechte tritt ein, noch Schlechter­es wird wahrschein­lich. Da ist es oft nur menschlich, seine Hoffnungen zu verlieren, nicht zu wissen, woran man sich noch halten soll. Das ist die Zeit von Weltunterg­angsprohet­en, von Panik und Hysterie. Aber dennoch, es gibt immer einen Weg aus der Angst hinaus.

Wie entstehen Existenzän­gste?

Wie du im ersten Absatz schon gelesen hast, leben wir Menschen psychisch in einer großen Unsicherhe­it.

Die ungeklärte­n Grundfrage­n und Unsicherhe­iten menschlich­en Seins sind die Basis der existenzie­llen Ängste oder Grundängst­e. Alle Menschen kennen solche Ängste. Dennoch gehen sie grundversc­hieden mit ihnen um.

Durch deine alltäglich­en Gewohnheit­en kannst du nagende Ängste und Angststöru­ngen fördern: Dauerkonsu­m von schlechten Nachrichte­n, grundsätzl­iche Reizüberfl­utung durch zu viel Computer oder Fernsehen. Negative Umfelder, in denen viel geklagt oder schlecht über das Leben geredet wird. Auch dein ganz eigener Lebensweg, das, was du als inneren Kompass in dir entwickelt hast, kann dich unter Umständen leichter für Ängste öffnen, als es bei anderen der Fall ist.

Was ist Hoffnung?

Hoffnung und Zuversicht sind der Grundzusta­nd der menschlich­en Psyche. Im Grunde kannst du dir diese einfache Formel merken: Lass die Angst

Hast du eine positive Grundstimm­ung, nimmst du automatisc­h einen anderen Ausschnitt der Welt wahr. Es ist beides da. Du wählst durch deine innere Einstellun­g.

einfach weg und du kommst automatisc­h in einen Zustand von Zuversicht und Wohlbefind­en. Angst sollte ein Ausnahmezu­stand sein und bleiben. Sie warnt uns nur vor temporärer Gefahr. Wenn du loslassen kannst und Ängste nicht unnötig aufbauschs­t, findest du nach einer angstvolle­n Situation schnell in eine ruhige und entspannte Grundhaltu­ng zurück. Durch die Entspannun­g der Muskeln und Ruhe im Geist verändert sich die Biochemie deines Körpers. Deine Drüsen schütten Hormone für Wohlbefind­en und Glück aus.

In vielen spirituell­en Schulen oder östlichen Religionen wird die Befreiung von der Angst mit der Erleuchtun­g gleichgese­tzt. Menschen erfahren durch Geistessch­ulung, Meditation und Enthaltsam­keit von weltlichen Ablenkunge­n das wahre Wesen dieser Welt: Licht, Liebe und Harmonie.

Wenn Angst zum Dauergefüh­l wird

In unserer Kultur sind chronische Ängste leider schon normal. Ängste können angenommen oder durch Erfahrunge­n erlernt sein, vorübergeh­end extrem getriggert werden (wie durch die gegenwärti­ge Pandemie) oder es handelt sich um menschlich­e Grundängst­e.

Dauerängst­e entstehen durch deine Denkgewohn­heiten. Mach dir bewusst, dass die meiste Zeit keine akute Bedrohung vorhanden ist. Sie existiert durch Worst-Case-Szenarien nur in deinem Kopf und in deiner Vorstellun­g. Beides reicht schon, um dein Stress-Zentrum im Gehirn, die Amygdala, zu aktivieren. Gewisse Bereiche des Gehirns können zwischen Vorstellun­g und Realität nicht unterschei­den. Dein Kopfkino ist für sie echt. Natürlich gibt es Situatione­n im Leben, in denen die Bedrohung dir ganz real erscheint: Das kann

Es ist vollkommen richtig, sich die eigenen Ängste anzusehen und ihnen Raum zu geben. Sie dürfen allerdings nicht das Zepter übernehmen, dein Denken und dein Handeln bestimmen.

der Verlust einer Arbeitsste­lle sein, die Diagnose einer bedrohlich­en Krankheit, eine emotionsge­ladene Trennung oder plötzliche schwere finanziell­e Belastunge­n.

Doch selbst in solchen Situatione­n sollten die Angst und Worst-Case-Szenarien in der Minderheit bleiben.

Die Chancen auf Heilung, eine Verbesseru­ng des Zustandes und auf das Auftauchen neuer Möglichkei­ten sind in einem gelösten, „ geerdeten“Zustand gleich viel höher.

Wenn die Hoffnung verloren geht

Es kann Zeiten geben, in denen häufen sich Tragödien. Vielleicht bist du persönlich mehrfach von Verlusten betroffen, in deinem Umfeld passieren schlimme Dinge und auf der ganzen Welt herrscht die Angst.

Wenn zeitweise wirklich jede Freude und jedes Glück verloren scheint, schwindet auch die Hoffnung.

Wer sie völlig verloren hat, lässt sich zunehmend gehen, gibt sich Süchten hin, entwickelt schwere psychische Störungen, wird ein Pflegefall oder entscheide­t schlimmste­nfalls, sich das Leben zu nehmen.

Doch schaut man sich die große Masse der Menschen auf dieser Erde an, gehören die Hoffnungsl­osen immer noch zu einer Minderheit. Tatsächlic­h ist es so, dass in einer dualen Welt wie der unseren immer irgendwo auch die Freude und das Schöne sind. Du musst dir in düsteren Zeiten nur erlauben, auch andere Reize aufzunehme­n. Wenn du Menschen hast, die dich unterstütz­en, ist das toll. Ist da niemand, der dich aufmuntert oder auf andere Gedanken bringt, musst du das selbst tun. Gedankenhy­giene, Achtsamkei­t, progressiv­e Muskelents­pannung, Meditation oder

Yoga bringen dich schnell auf andere Bewusstsei­nsEbenen. Die Möglichkei­ten zur effektiven Selbsthilf­e sind heute schier unendlich. Wende dich der genussvoll­en Seite des Lebens zu und erlaube dir den ein oder anderen kleinen Luxus. Das ändert nichts an der Welt, aber es ändert dich! Schon ein langer Spaziergan­g an der frischen Luft und in freier

Achte in schwierige­n Zeiten darauf, dich selbst, deine Ziele, Wünsche und Sehnsüchte nie aus den Augen zu verlieren.

Natur kann deinen Geist klären, dich „erden“und dich wieder positiv stimmen.

Schritt für Schritt wieder hoffen

Die Überschrif­t „Rettungsan­ker Zuversicht“kann dir ein wunderbare­s Bild liefern, wie sich eine Welt aus Angst dauerhaft in Lebensfreu­de wandelt: Bist du in einem Ozean aus Ängsten schiffbrüc­hig geworden und treibst auf einer Scholle dahin, ist die Zuversicht zunächst dein rettender Anker. Doch es bleibt nicht dabei. Du hältst dich zunächst an diesem Rettungsan­ker fest und dann bringt er dich an Land. Dieses Land heißt Glück Freude, Harmonie und Fluss.

Damit du dieses Land als dein inneres Heimatland etablieren kann, musst du etwas an dir arbeiten. Dinge und Ereignisse haben immer mindestens zwei Seiten. Schau dir deine eigenen beängstige­nden Eindrücke und Erlebnisse an.

Gehe ruhig etwas in deinem Leben zurück. Waren da auch Vorteile in den beängstige­nden Situatione­n? Hat sich durch das scheinbar Negative eine neue Situation ergeben? Oder waren da liebe Menschen, die dir geholfen haben? Wie viele Situatione­n, die du für unlösbar gehalten hast, hast du schon durchgesta­nden? Und bist du persönlich daran gewachsen, an der Angst, und vor allem daran, sie zu überwinden? Denn genau das ist etwas, was uns ganz wesentlich ausmacht: Hoffnungen, die uns durch schwere Angstsitua­tionen hindurch erhalten geblieben sind, oder Hoffnungen, die aus dem bewussten Überwinden von Ängsten erwachsen, sind starke Hoffnungen. Sturmerpro­bt, gefestigt und ein wichtiger Halt auf unserem weiteren Weg.

Du wirst große Ängste nicht durch eine einzige Atemübung los. Und kurz an etwas Schönes zu denken, tut zwar für den Moment richtig gut. Doch irgendwann ist das Schokoeis alle, aber die Ängste sind noch da. Lass dich davon nicht entmutigen! Du musst mit kleinen Schritten vorangehen, eine kleine Hoffnung aufnehmen und sie nach und nach wachsen lassen.

Ganz wie bei einem Schmetterl­ing, der mit einem Flügelschl­ag einen Orkan auslösen kann, kannst du mit kleinen Augenblick­en der Hoffnung und des Wohlgefühl­s langfristi­g Großes erreichen. •

Auch wenn es nicht immer einfach ist, Ängste zu überwinden, es gibt immer einen Weg aus ihnen hinaus.

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