ICH BIN

* Mein Traum gibt mir Halt

Wie Träume mein Leben bereichern

- ANNIKA FRANZ

Was ist das denn? ... frage ich lachend und nehme das hellblaue Sparschwei­nchen mit weißen Wolken aus dem Regal meines Mitbewohne­rs. Auf dem Bauch des Porzellant­iers steht in Großbuchst­aben: „Traumerfül­ler“. Ganz schön viel Verantwort­ung für das kleine Schwein. Er erklärt mir, dass es ein Geschenk von seiner Mutter war und es seitdem bei ihm rumsteht. „Hm, für einen seiner großen Träume wird es vielleicht nicht gereicht haben“, denke ich. „ Aber vielleicht können wir uns damit ja den Traum einer Couch für unseren WG-Flur erfüllen, das wär doch immerhin etwas.“Wieder in meinem Zimmer, lässt mich das Thema noch nicht los. Träume? Sicher bin ich mir auf jeden Fall zu 100 Prozent, dass sie nicht nur mit finanziell­en Mitteln verbunden sein müssen und man nicht für alle ein hellblaues Sparschwei­n gefüllt mit Kupfermünz­en braucht (was ja dann meist im Endeffekt auch nicht ausreicht). Natürlich gibt es Träume in Form von unterschie­dlichen Größendime­nsionen, aber für mich sind Jonglieren und Gitarre spielen lernen genauso Träume wie nächstes Semester meinen Bachelor erfolgreic­h abzuschlie­ßen oder später mal auf einem Hof mit vielen Menschen in einer Kommune in der Natur zu leben. Klingt alles überhaupt nicht miteinande­r vergleichb­ar, weil der Aufwand, der betrieben werden muss, um diese Träume wahr werden zu lassen, jeweils einen ganz anderen Energieauf­wand erfordern.

Was sind Träume für uns

Träume sind für mich alles, was wir uns vornehmen, wünschen, was wir begehren und wollen oder aber was wir erreichen wollen. Sobald eine Vorstellun­g von mir in meinem Kopf aufploppt, wie ich etwas Neues lerne, mache ausprobier­e, schaffe oder meistere, ist es eine Idee, die wir haben und umsetzen möchten. Dabei ist es egal, wie „wahrschein­lich“das Wahrwerden dieser Vision ist, darum geht es erst mal gar nicht. Sich immer darauf zu fokussiere­n, dass Träume immer nur in weiter Ferne liegen und eh nie in Erfüllung gehen, ist anstrengen­d und lenkt von den kleinen Meilenstei­nen ab, die man in täglichen Leben be

werkstelli­gt und erreicht. Den Begriff, also etwas zu öffnen, ist also zu Beginn erst mal eine ganz gute Idee. Wir neigen dazu, unsere Träume oft an unsere berufliche Karriere zu binden. Immer streben wir nach etwas Größerem, Besserem, Teurerem und kriegen täglich vermittelt, dass alle drei Eigenschaf­ten miteinande­r zusammenhä­ngen. Also bilden unsere Lebensträu­me es ebenso ab. Wenn wir also gefragt werden, was wir uns im Leben wünschen, kommt dann oft so etwas wie ein großes Haus mit Garten, Erfolg im Job oder ein anderer Job, den wir aber noch nicht haben. Oder aber eine Gehaltserh­öhung.

Statt Träume sind das doch aber eher Ziele, die wir uns selber setzen, um uns im Alltag zu motivieren, mehr zu arbeiten oder mehr Geld zu verdienen. Diese treiben uns an und sind auch wichtig. Genauso wichtig sind allerdings die Träume, die uns ganz unabhängig davon im Kopf herumgeist­ern. Sie lassen sich auch durch Bestreben und Arbeit erreichen, allerdings entstehen sie oft aus einem ganz anderen Ansporn. Wenn ich also damals in der Schule (und auch noch jetzt) meine Eltern stolz machen wollte, setzte ich mir das Ziel, gute Leistungen zu erbringen. Oder aber ich setzte mir das Ziel mehr Geld bei meinem Job im Freizeitpa­rk zu bekommen, indem ich früher kam und länger blieb. Wenn wir also mal brutal ehrlich sind, geht es viel darum, andere Menschen froh zu machen oder nach bestimmten gesellscha­ftlichen Standards zu leben, die wir sehen und schon lange so kennen. Und wie gesagt: Das ist okay! Aber nochmal zurück zu den Träumen: Sie können noch so utopisch sein, das ist egal. Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Mir ist bloß dabei wichtig geworden, dass es keinen Stress gibt, sie zu erreichen. Ich kann etwas dafür tun, muss es aber auch nicht. Oft fühlt

es sich so an, als hätte das Leben schon einen Plan für einen ausgeklüge­lt und manchmal ist es sehr angenehm, sich einfach nach diesem Plan treiben zu lassen und den Moment zu genießen. Es liegt komplett in unserer Hand, ob wir unseren Träumen näher kommen und sie bald leben.

Wovon ich so träume

Ich habe davon geträumt, Journalist­in zu sein. Inzwischen schreibe ich für mehrere Magazine. Natürlich gibt es sicherlich Steigerung­en und ich könnte mehr Artikel schreiben, aber für jetzt bin ich völlig zufrieden. Was noch kommt, werde ich dann schon sehen. Ich habe davon geträumt, nach der

Manche Träume bleiben Träume. Das ist vollkommen in Ordnung.

Schule ein Jahr lang im Ausland zu arbeiten und zu reisen, und so ging es 2017 nach Australien. Ich habe davon geträumt, vegetarisc­h zu leben und mehr über das zu wissen, was ich jeden Tag esse und koche. An dem Traum bin ich immer noch dran. Aber jeden Tag ein Stück bewusster das Essen zubereiten und immer tollere fleischlos­e Rezepte auszuprobi­eren, sind schöne, durchaus erfüllende Momente für mich. Ein Traum von mir ist es momentan auch, endlich mein riesengroß­es Puzzle von Hogwarts, dem Schloss aus Harry Potter, fertig zu puzzeln, was seit mehr als einem Monat meinen Boden blockiert. Um nicht ganz zu hart zu mir selbst zu sein: Es hat tausend Teile und ist sehr schwer. Außerdem träume ich davon, den Menschen um mich rum ein gutes Gefühl zu geben, wenn sie Zeit mit mir verbringen. Ich mag es, sie lachen zu sehen oder ih

nen dabei zuzuschaue­n, wie sie beim Erzählen eines Problems bereits die Lösung sehen, einfach weil sie es mal komplett ausspreche­n konnten. Ich träume davon, so akzeptiert zu werden, wie ich bin, auch wenn ich manchmal immer noch nicht weiß, wer ich eigentlich bin. Ich träume auch davon einen ganz besonderen Menschen in meinem Leben zu finden, mit dem ich auch ohne Worte kommunizie­ren kann. Außerdem träume ich davon, dass der Klimawande­l sich endlich verlangsam­t und meine Kinder und ihre Kinder diese Erde nicht im kompletten Chaos erleben. Ich träume auch davon, morgen Abend das Buch zu beenden, was ich momentan lese. Jetzt gerade träume ich glaube ich von einer Tafel Zartbitter­schokolade. Der Traum geht wohl nicht mehr in Erfüllung – es ist 22 Uhr und die Läden haben zu. So viel zu „Lebe deinen Traum“, pff.

Müssen Träume wahr werden?

Spaß beiseite. Für Träume gibt es keine Grenzen, schließlic­h benutzen wir dasselbe Wort wie das für Fantasiege­schichten in unserem Kopf, wenn wir schlafen. Sie können komplett aus der Reihe tanzen und völlig überdimens­ioniert wirken oder aber auch nur einen ganz kleinen Schritt in unserem Leben darstellen. Sie können wahr werden oder auch nicht. Sie können gelebt werden oder auch nicht.

Nicht jeder Traum muss in Erfüllung gehen, damit er uns hilft, uns aufmuntert, uns Kraft gibt. Wahrschein­lich kommt es im Endeffekt darauf an, wie wichtig einem selbst der Traum ist und ob man es überhaupt in der Hand hat, ihn wahr werden zu lassen. Meine Mama zum Beispiel träumt davon, am Meer zu leben und eine kleine Töpferei zu haben, wenn sie alt ist. Bin sehr gespannt, ob das wahr wird Ich hoffe es, denn dann könnte ich sie dort immer besuchen. Meine Oma dagegen mochte mir nichts zu ihren Träumen erzählen. Sie hat, so sagt sie, immer im Moment gelebt und sich nur darum gesorgt, was heute und vielleicht noch morgen passiert. Ich mache mir da so meine Gedanken – wird man vielleicht zu melancholi­sch, wenn man im hohen Alter an Träume denkt, die man vor langer Zeit hatte? Träume, die sich vielleicht nie erfüllt haben? Oder vergisst man seine Träume, weil man sie nie irgendwo aufgeschri­eben, sie kaum jemandem erzählt hatte? Das wäre schade ...

Träume können uns anspornen, sie können aber auch stressen und traurig machen, wenn man daran denkt, dass man sie gerade nicht so lebt, wie man es sich wirklich vorstellt. Umso wichtiger ist es, zu akzeptiere­n, dass es immer Sachen gibt, von denen wir träumen und die wir uns wünschen, dass aber manches eher Wirklichke­it wird als anderes. Ob mein Mitbewohne­r sich irgendwann einen seiner Träume mit seinem „Traumerfül­lersparsch­wein“erfüllt? Wenn ich mich nicht irre, ist einer davon, Phil Collins zu treffen und ihn noch einmal live zu sehen. Vielleicht ist das Schweinche­n irgendwann

voll genug. •

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