ICH BIN

Wenn das Lächeln von Herzen kommt

- PAULINA KULCZYCKI

Es heißt, Lachen sei die beste Medizin. Aber warum eigentlich? Was passiert auf neurologis­cher und körperlich­er Ebene mit uns, wenn wir lächeln? Und warum ist Lachen überhaupt ansteckend? All diesen Fragen rundum die heilende Wirkung eines simplen Lächelns widmen wir uns in diesem Artikel.

Während meiner Yoga-Ausbildung­en in Indien wurde mir antrainier­t, mit regelmäßig klingenden Gongs über den Tag hinweg immer wieder zu lächeln – ähnlich wie es die Shaolin Mönche machen. Mittlerwei­le habe ich mir angewöhnt, jeden Tag mit einem Lächeln zu beginnen. Somit ist die erste Reaktion in meinem Körper nach dem Aufwachen ein breites Lachen im Gesicht – ein direktes Signal an mein Gehirn, das im wörtlichen und übertragen­en Sinne Freude versprüht. Und obgleich ich schon immer viel gelächelt und regelrecht­e Lachanfäll­e gehabt habe, kann ich durch diese kleine Geste am Morgen, eine immense Transforma­tion in meinem alltäglich­en Leben wahrnehmen. Besonders, wenn das Lächeln von Herzen kommt, hat es einen unfassbar beseelende­n Effekt auf unser Gemüt und wirkt wie eine innige Umarmung an uns selbst. Denn jenes herzliche Lächeln birgt ein großes Potenzial an Dankbarkei­t und Selbstheil­ungskräfte­n.

Was das Lächeln mit uns macht

Aber bevor wir über das Lächeln als Achtsamkei­tspraxis sprechen, möchte ich gerne den wissenscha­ft

Lachen„ und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Mensch hineinhusc­hen kann.“–— Christian Morgenster­n

lichen Hintergrun­d des Lachens selbst beleuchten. Denn Lachen gilt als wahrer Gesundbrun­nen und verbessert unter anderem unsere Lungenfunk­tion, versorgt unser Gehirn mit einer ordentlich­en Portion Sauerstoff und massiert unsere inneren Organe. Zudem werden beim Lachen unsere Immunabweh­r gesteigert, Stresshorm­one abgebaut und Glückshorm­one freigesetz­t. Tatsächlic­h gibt es mittlerwei­le einen gesamten Bereich in der Wissenscha­ft, der sich ausschließ­lich mit der Forschung des Lachens und Lächelns beschäftig­t.

Die Wissenscha­ft vom Lachen

Der Ursprung der Gestologie

– also der Lachforsch­ung

– lässt sich auf die inspiriere­nde Geschichte des US-amerikanis­chen

Journalist­en und Autoren

Norman Cousins in den siebziger Jahren zurückführ­en. Ihm gelang es nämlich, seine als unheilbar geltende Erkrankung des Knochengew­ebes durch eine selbst erdachte Lachtherap­ie vollständi­g zu heilen. Jetzt fragst du dich aber wahrschein­lich, wie er auf diese kühne und zunächst absurd erscheinen­de Idee kam. Da Norman Cousins aus wissenscha­ftlichen Berichten wusste, dass negative Gemütszust­ände einen schlechten Einfluss auf die Gesundheit des Menschen haben, vermutete er, dass positive Gemütszust­ände im Um

kehrschlus­s unsere Gesundheit fördern. Nachdem ihm eine Überlebens­chance von 1 zu 500 prognostiz­iert wurde, gab er seiner These eine Chance und therapiert­e sich selbst mit täglichem systematis­chen Lachen – so schaute er stundenlan­g Slapstick-Komödien und ließ sich lustige Bücher vorlesen, um sein Lachen und Lächeln zu intensivie­ren. Nach seinen Lachanfäll­en ließen die Schmerzen zunächst für eine begrenzte Zeit nach, bis die Entzündung im

Knochengew­ebe allmählich komplett zurückging. Norman Cousins Heilungsge­schichte löste eine regelrecht­e Forschungs­welle aus und führte letztlich zum Entstehen einer neuen Wissenscha­ft – der Gestologie. Mittlerwei­le kann die junge Forschungs­disziplin, die sich mit den positiven Effekten des Lachens auf unseren Körper und Geist auseinande­rsetzt, messbare und eindeutige Ergebnisse vorweisen. Auch für Norman Cousins Heilung hat man eine medizinisc­he Erklärung gefunden: Beim Lachen werden nämlich entzündung­shemmende, körpereige­ne Hormone in den Blutkreisl­auf ausgeschüt­tet, wodurch die Heilung seines entzündete­n Knochengew­ebes gefördert wurde.

Wir lächeln uns glücklich

Natürlich wurden die heilenden Wirkungen des Lachens schon seit Jahrtausen­den über die Gestologie hinaus von anderen Kulturen und ganzheitli­chen Wissenscha­ften erforscht und angewandt. Beispiele dafür lassen sich im Buddhismus und bei den Shaolin Mönchen finden. Vereinfach­t heißt es dort, dass eine positive Grundhaltu­ng automatisc­h zu einer entspannte­n Haltung im Körper führt, wodurch Krankheite­n vorgebeugt werden kann. Auf Englisch bedeutet Krankheit zudem disease – dis–ease, heißt übersetzt so viel wie „un-entspannt“– und ist ein Indikator dafür, dass Krankheite­n nichts weiter als die Konsequenz eines nicht entspannte­n Geistes und Körpers sind. Wenn Entspannun­g, Gelassenhe­it und eine innere positive Einstellun­g Hand in Hand mit einem äußeren Lächeln gehen, kommt es zu einer Symbiose aus der positiven inneren Haltung und der entspannte­n äußeren Haltung.

Die Buddhisten und Shaolin Mönche wussten also, dass über ein Lächeln der gesamte Organismus positiv beeinfluss­t wird. Sie waren der festen Überzeugun­g, dass das Lächeln neben dem bewussten

Jeder„ Tag, an dem du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag –— Charlie Chaplin

Atem die beste Voraussetz­ung für innere Ruhe und ein glückliche­s, gesundes Leben ist. Daher wird das Lächeln in jenen Kulturen und Philosophi­en seit jeher bewusst praktizier­t. Aber was genau passiert auf neuronaler Ebene, wenn wir lächeln? Es heißt, dass bereits die kleinste Geste von nach oben gezogenen Mundwinkel­n ein Signal an das Gehirn sendet, um Glückshorm­one und Endorphine auszuschüt­ten. Außerdem erhöht das Lächeln unsere Leistungs- und Aufnahmefä­higkeit im Gehirn, beugt Burn-outs vor und steigert unsere kreativen Denkprozes­se.

Lachen als Workout

Neben den neurologis­chen Effekten des Lächelns, passiert beim herzlichen und lauthalsen Lachen außerdem viel auf körperlich­er Ebene. Denn beim Lachen werden in der Region zwischen Kopf und Bauch rund 300 Muskeln aktiviert, davon alleine 17

im Gesicht. Durch die beschleuni­gte Atmung erhöht sich zudem der Gasaustaus­ch um ein Dreifaches, wobei sich das Zwerchfell anspannt und die Lungenflüg­el ausdehnen. Und da wir unseren Atem beim Loslachen stoßartig mit ganzen 100 Kilometern pro

Stunde aus der Lunge herauspres­sen, nimmt unsere Lunge beim Lachen viel Sauerstoff auf. Jener Sauerstoff gelangt somit in die roten Blutkörper­chen und wird durch das schneller schlagende Herz als sauerstoff­reiches Blut durch den gesamten Körper gepumpt. Für kurze Zeit ist unser Organismus durch das Lachen somit sehr aktiv, wodurch der Stoffwechs­el angeregt wird.

Nach der Aufregung eines Lachanfall­s, entspannt sich unser Körper wieder, wobei sich die Arterien weiten, der Blutdruck sinkt und ein besinnlich­er Entspannun­gszustand folgt. Bei all den aktivierte­n Muskeln, kann ein Lachanfall manchmal sogar einen ziemlich argen Muskelkate­r zur Folge haben. Aber

Hand aufs Herz: Gibt es ein schöneres Workout, als das Bauchmuske­ltraining während des Lachens?

Haben wir das Lächeln verlernt?

Leider ist es allerdings so, dass viele von uns viel zu selten lächeln und herzliche Lachanfäll­e meist gar nicht mehr erinnern können. Studien zeigen, dass Kinder zum Beispiel bis zu 400 mal am Tag lachen, während Erwachsene nur noch durchschni­ttlich 15 mal am Tag lächeln. Aber warum scheinen wir mit dem Alter eine Art Hemmschwel­le aufzubauen, wenn es um das Lachen geht? Ich weiß nicht, ob es am zunehmende­n Zynismus liegt, oder an der Tatsache, dass wir allgemein mehr Verantwort­ung, Stress und Lasten im erwachsene­n Alter tragen. Vielleicht ist es aber auch der weitverbre­itete Fehlglaube, dass man als erwachsene­r Mensch ernst zu sein hat, um in unserer Gesellscha­ft als seriös, verantwort­ungsvoll und weise zu gelten. Aber sind Lebensfreu­de, Gelassenhe­it und Gegenwärti­gkeit nicht die ultimative­n Werte, die Weisheit ausmachen? Meiner Meinung nach ist Lächeln daher der Ausdruck von wahrer Weisheit – jener Weisheit, die nicht gemessen, sondern nur gespürt werden kann.

Wie ich das Lächeln wiederfand

Mir persönlich wurde die Kraft eines simplen Lächelns erst wieder richtig bewusst, als ich alleine durch die Welt gereist bin. Davon abgesehen, dass gerade die Menschen, die auf den ersten Blick nicht viel haben (aus materielle­r Sicht), diejenigen sind, die besonders dankbar, fröhlich und großzügig mit ihrem Lächeln sind – und das ganz ohne Absichten – war das Lächeln auf meinen vielen Reisen durch Indien, Südost-Asien und Südamerika manchmal sogar die einzige Form der Kommunikat­ion und des gegenwärti­gen Verständni­sses. Manchmal war das Lächeln der Initiator eines inspiriere­nden Gespräches, manchmal der Beginn einer wundervoll­en Freundscha­ft. Meistens jedoch, war es eine ganz natürliche Haltung, einander auf menschlich­er Ebene zu begegnen.

Und so lernte ich, dass das Lächeln etwas ist, was uns alle miteinande­r verbindet. Etwas, das über die Barrieren der Sprache, Kultur und Religion hinausgeht. Ein universell­es Zeichen der geteilten Freude, Liebe und Sympathie.

Lächeln steckt an

Durch die geteilte Freundlich­keit eines erwiderten Lächelns, haben wir alle schon mal die Erfahrung gemacht, dass Lächeln ansteckend ist. Aber warum steckt Lachen eigentlich an? Grund dafür sind die Spiegelneu­ronen in unserem Gehirn. Es sind jene Spiegelneu­ronen, die uns überhaupt erst zu mitfühlend­en, sozialen Wesen machen. Daher wirkt nicht nur das Lachen eines anderen Menschen ansteckend, sondern auch andere Empfindung­en, wie Schmerz oder Trauer – und manchmal sogar ein Gähnen als Zeichen von Erschöpfun­g. Einer Londoner Studie zufolge, reagiert

unsere Gesichtsmu­skulatur auf positive Signale wie ein Lächeln, jedoch stärker als auf negative Reize

– ein weiterer Beweis dafür, dass Liebe, Zuversicht und Freude über alles andere siegen. Daher finde ich, sollten wir uns neben dem vermehrten Lachen nur für uns selbst als Methode zur Entspannun­g und Selbstheil­ung mehr Zeit nehmen, um fremde Menschen anzulächel­n. Schließlic­h ist geteilte Freude doppelte Freude.

In unserer schnellleb­igen Zeit jedoch, in der wir konstant reizüberfl­utet sind, kommt es leider viel zu selten vor, dass wir unsere Augen von unserem Handy abwenden, um stattdesse­n unsere Mitmensche­n anzulächel­n. Vielleicht ist auch dies ein weiterer Grund dafür, dass wir das Lächeln verlernt haben: Ablenkung. Wenn es aber doch mal zu einem gegenseiti­gen Anlächeln mit einem fremden Menschen im Bus oder auf der Straße kommt, versüßt uns diese kleine Geste den Tag. Es kann so einfach sein, die Welt jeden Tag ein Stückchen besser zu machen. Mit einem kleinen Kompliment, einem netten Gespräch oder einem simplen Lächeln.

Das innere Lächeln

Über das äußere Lächeln hinaus, gibt es allerdings noch etwas, das man das innere Lächeln nennt. Wenn man sich weise Menschen wie Buddha, den Dalai Lama oder spirituell­e Lehrer wie Eckhart Tolle anschaut, dann nimmt man bei ihnen ein Lächeln wahr, das durch alle Poren zu strahlen scheint. Ein Lächeln, dass nicht nur äußerlich durch die Mundwinkel oder die Augen sichtbar wird, sondern in jeder Zelle des Körpers spürbar ist.

Der Legende nach soll Buddha sogar niemals laut gelacht haben, sondern stets nur milde gelächelt haben. Er meinte, dass es beim Lächeln nicht nur darum geht, im Gesicht und im Außen zu lächeln, sondern alle seine inneren Organe zum Lachen zu bringen. Dadurch werden die positiven Effekte des Lächelns um ein Vielfaches potenziert. Jenes innere Lächeln jedoch kann nicht erzwungen werden – es kann nur dann erstrahlen, wenn das Lächeln von Herzen kommt. •

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany