Wenn das Lächeln von Herzen kommt
Es heißt, Lachen sei die beste Medizin. Aber warum eigentlich? Was passiert auf neurologischer und körperlicher Ebene mit uns, wenn wir lächeln? Und warum ist Lachen überhaupt ansteckend? All diesen Fragen rundum die heilende Wirkung eines simplen Lächelns widmen wir uns in diesem Artikel.
Während meiner Yoga-Ausbildungen in Indien wurde mir antrainiert, mit regelmäßig klingenden Gongs über den Tag hinweg immer wieder zu lächeln – ähnlich wie es die Shaolin Mönche machen. Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, jeden Tag mit einem Lächeln zu beginnen. Somit ist die erste Reaktion in meinem Körper nach dem Aufwachen ein breites Lachen im Gesicht – ein direktes Signal an mein Gehirn, das im wörtlichen und übertragenen Sinne Freude versprüht. Und obgleich ich schon immer viel gelächelt und regelrechte Lachanfälle gehabt habe, kann ich durch diese kleine Geste am Morgen, eine immense Transformation in meinem alltäglichen Leben wahrnehmen. Besonders, wenn das Lächeln von Herzen kommt, hat es einen unfassbar beseelenden Effekt auf unser Gemüt und wirkt wie eine innige Umarmung an uns selbst. Denn jenes herzliche Lächeln birgt ein großes Potenzial an Dankbarkeit und Selbstheilungskräften.
Was das Lächeln mit uns macht
Aber bevor wir über das Lächeln als Achtsamkeitspraxis sprechen, möchte ich gerne den wissenschaft
Lachen„ und Lächeln sind Tor und Pforte, durch die viel Gutes in den Mensch hineinhuschen kann.“–— Christian Morgenstern
lichen Hintergrund des Lachens selbst beleuchten. Denn Lachen gilt als wahrer Gesundbrunnen und verbessert unter anderem unsere Lungenfunktion, versorgt unser Gehirn mit einer ordentlichen Portion Sauerstoff und massiert unsere inneren Organe. Zudem werden beim Lachen unsere Immunabwehr gesteigert, Stresshormone abgebaut und Glückshormone freigesetzt. Tatsächlich gibt es mittlerweile einen gesamten Bereich in der Wissenschaft, der sich ausschließlich mit der Forschung des Lachens und Lächelns beschäftigt.
Die Wissenschaft vom Lachen
Der Ursprung der Gestologie
– also der Lachforschung
– lässt sich auf die inspirierende Geschichte des US-amerikanischen
Journalisten und Autoren
Norman Cousins in den siebziger Jahren zurückführen. Ihm gelang es nämlich, seine als unheilbar geltende Erkrankung des Knochengewebes durch eine selbst erdachte Lachtherapie vollständig zu heilen. Jetzt fragst du dich aber wahrscheinlich, wie er auf diese kühne und zunächst absurd erscheinende Idee kam. Da Norman Cousins aus wissenschaftlichen Berichten wusste, dass negative Gemütszustände einen schlechten Einfluss auf die Gesundheit des Menschen haben, vermutete er, dass positive Gemütszustände im Um
kehrschluss unsere Gesundheit fördern. Nachdem ihm eine Überlebenschance von 1 zu 500 prognostiziert wurde, gab er seiner These eine Chance und therapierte sich selbst mit täglichem systematischen Lachen – so schaute er stundenlang Slapstick-Komödien und ließ sich lustige Bücher vorlesen, um sein Lachen und Lächeln zu intensivieren. Nach seinen Lachanfällen ließen die Schmerzen zunächst für eine begrenzte Zeit nach, bis die Entzündung im
Knochengewebe allmählich komplett zurückging. Norman Cousins Heilungsgeschichte löste eine regelrechte Forschungswelle aus und führte letztlich zum Entstehen einer neuen Wissenschaft – der Gestologie. Mittlerweile kann die junge Forschungsdisziplin, die sich mit den positiven Effekten des Lachens auf unseren Körper und Geist auseinandersetzt, messbare und eindeutige Ergebnisse vorweisen. Auch für Norman Cousins Heilung hat man eine medizinische Erklärung gefunden: Beim Lachen werden nämlich entzündungshemmende, körpereigene Hormone in den Blutkreislauf ausgeschüttet, wodurch die Heilung seines entzündeten Knochengewebes gefördert wurde.
Wir lächeln uns glücklich
Natürlich wurden die heilenden Wirkungen des Lachens schon seit Jahrtausenden über die Gestologie hinaus von anderen Kulturen und ganzheitlichen Wissenschaften erforscht und angewandt. Beispiele dafür lassen sich im Buddhismus und bei den Shaolin Mönchen finden. Vereinfacht heißt es dort, dass eine positive Grundhaltung automatisch zu einer entspannten Haltung im Körper führt, wodurch Krankheiten vorgebeugt werden kann. Auf Englisch bedeutet Krankheit zudem disease – dis–ease, heißt übersetzt so viel wie „un-entspannt“– und ist ein Indikator dafür, dass Krankheiten nichts weiter als die Konsequenz eines nicht entspannten Geistes und Körpers sind. Wenn Entspannung, Gelassenheit und eine innere positive Einstellung Hand in Hand mit einem äußeren Lächeln gehen, kommt es zu einer Symbiose aus der positiven inneren Haltung und der entspannten äußeren Haltung.
Die Buddhisten und Shaolin Mönche wussten also, dass über ein Lächeln der gesamte Organismus positiv beeinflusst wird. Sie waren der festen Überzeugung, dass das Lächeln neben dem bewussten
Jeder„ Tag, an dem du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag –— Charlie Chaplin
Atem die beste Voraussetzung für innere Ruhe und ein glückliches, gesundes Leben ist. Daher wird das Lächeln in jenen Kulturen und Philosophien seit jeher bewusst praktiziert. Aber was genau passiert auf neuronaler Ebene, wenn wir lächeln? Es heißt, dass bereits die kleinste Geste von nach oben gezogenen Mundwinkeln ein Signal an das Gehirn sendet, um Glückshormone und Endorphine auszuschütten. Außerdem erhöht das Lächeln unsere Leistungs- und Aufnahmefähigkeit im Gehirn, beugt Burn-outs vor und steigert unsere kreativen Denkprozesse.
Lachen als Workout
Neben den neurologischen Effekten des Lächelns, passiert beim herzlichen und lauthalsen Lachen außerdem viel auf körperlicher Ebene. Denn beim Lachen werden in der Region zwischen Kopf und Bauch rund 300 Muskeln aktiviert, davon alleine 17
im Gesicht. Durch die beschleunigte Atmung erhöht sich zudem der Gasaustausch um ein Dreifaches, wobei sich das Zwerchfell anspannt und die Lungenflügel ausdehnen. Und da wir unseren Atem beim Loslachen stoßartig mit ganzen 100 Kilometern pro
Stunde aus der Lunge herauspressen, nimmt unsere Lunge beim Lachen viel Sauerstoff auf. Jener Sauerstoff gelangt somit in die roten Blutkörperchen und wird durch das schneller schlagende Herz als sauerstoffreiches Blut durch den gesamten Körper gepumpt. Für kurze Zeit ist unser Organismus durch das Lachen somit sehr aktiv, wodurch der Stoffwechsel angeregt wird.
Nach der Aufregung eines Lachanfalls, entspannt sich unser Körper wieder, wobei sich die Arterien weiten, der Blutdruck sinkt und ein besinnlicher Entspannungszustand folgt. Bei all den aktivierten Muskeln, kann ein Lachanfall manchmal sogar einen ziemlich argen Muskelkater zur Folge haben. Aber
Hand aufs Herz: Gibt es ein schöneres Workout, als das Bauchmuskeltraining während des Lachens?
Haben wir das Lächeln verlernt?
Leider ist es allerdings so, dass viele von uns viel zu selten lächeln und herzliche Lachanfälle meist gar nicht mehr erinnern können. Studien zeigen, dass Kinder zum Beispiel bis zu 400 mal am Tag lachen, während Erwachsene nur noch durchschnittlich 15 mal am Tag lächeln. Aber warum scheinen wir mit dem Alter eine Art Hemmschwelle aufzubauen, wenn es um das Lachen geht? Ich weiß nicht, ob es am zunehmenden Zynismus liegt, oder an der Tatsache, dass wir allgemein mehr Verantwortung, Stress und Lasten im erwachsenen Alter tragen. Vielleicht ist es aber auch der weitverbreitete Fehlglaube, dass man als erwachsener Mensch ernst zu sein hat, um in unserer Gesellschaft als seriös, verantwortungsvoll und weise zu gelten. Aber sind Lebensfreude, Gelassenheit und Gegenwärtigkeit nicht die ultimativen Werte, die Weisheit ausmachen? Meiner Meinung nach ist Lächeln daher der Ausdruck von wahrer Weisheit – jener Weisheit, die nicht gemessen, sondern nur gespürt werden kann.
Wie ich das Lächeln wiederfand
Mir persönlich wurde die Kraft eines simplen Lächelns erst wieder richtig bewusst, als ich alleine durch die Welt gereist bin. Davon abgesehen, dass gerade die Menschen, die auf den ersten Blick nicht viel haben (aus materieller Sicht), diejenigen sind, die besonders dankbar, fröhlich und großzügig mit ihrem Lächeln sind – und das ganz ohne Absichten – war das Lächeln auf meinen vielen Reisen durch Indien, Südost-Asien und Südamerika manchmal sogar die einzige Form der Kommunikation und des gegenwärtigen Verständnisses. Manchmal war das Lächeln der Initiator eines inspirierenden Gespräches, manchmal der Beginn einer wundervollen Freundschaft. Meistens jedoch, war es eine ganz natürliche Haltung, einander auf menschlicher Ebene zu begegnen.
Und so lernte ich, dass das Lächeln etwas ist, was uns alle miteinander verbindet. Etwas, das über die Barrieren der Sprache, Kultur und Religion hinausgeht. Ein universelles Zeichen der geteilten Freude, Liebe und Sympathie.
Lächeln steckt an
Durch die geteilte Freundlichkeit eines erwiderten Lächelns, haben wir alle schon mal die Erfahrung gemacht, dass Lächeln ansteckend ist. Aber warum steckt Lachen eigentlich an? Grund dafür sind die Spiegelneuronen in unserem Gehirn. Es sind jene Spiegelneuronen, die uns überhaupt erst zu mitfühlenden, sozialen Wesen machen. Daher wirkt nicht nur das Lachen eines anderen Menschen ansteckend, sondern auch andere Empfindungen, wie Schmerz oder Trauer – und manchmal sogar ein Gähnen als Zeichen von Erschöpfung. Einer Londoner Studie zufolge, reagiert
unsere Gesichtsmuskulatur auf positive Signale wie ein Lächeln, jedoch stärker als auf negative Reize
– ein weiterer Beweis dafür, dass Liebe, Zuversicht und Freude über alles andere siegen. Daher finde ich, sollten wir uns neben dem vermehrten Lachen nur für uns selbst als Methode zur Entspannung und Selbstheilung mehr Zeit nehmen, um fremde Menschen anzulächeln. Schließlich ist geteilte Freude doppelte Freude.
In unserer schnelllebigen Zeit jedoch, in der wir konstant reizüberflutet sind, kommt es leider viel zu selten vor, dass wir unsere Augen von unserem Handy abwenden, um stattdessen unsere Mitmenschen anzulächeln. Vielleicht ist auch dies ein weiterer Grund dafür, dass wir das Lächeln verlernt haben: Ablenkung. Wenn es aber doch mal zu einem gegenseitigen Anlächeln mit einem fremden Menschen im Bus oder auf der Straße kommt, versüßt uns diese kleine Geste den Tag. Es kann so einfach sein, die Welt jeden Tag ein Stückchen besser zu machen. Mit einem kleinen Kompliment, einem netten Gespräch oder einem simplen Lächeln.
Das innere Lächeln
Über das äußere Lächeln hinaus, gibt es allerdings noch etwas, das man das innere Lächeln nennt. Wenn man sich weise Menschen wie Buddha, den Dalai Lama oder spirituelle Lehrer wie Eckhart Tolle anschaut, dann nimmt man bei ihnen ein Lächeln wahr, das durch alle Poren zu strahlen scheint. Ein Lächeln, dass nicht nur äußerlich durch die Mundwinkel oder die Augen sichtbar wird, sondern in jeder Zelle des Körpers spürbar ist.
Der Legende nach soll Buddha sogar niemals laut gelacht haben, sondern stets nur milde gelächelt haben. Er meinte, dass es beim Lächeln nicht nur darum geht, im Gesicht und im Außen zu lächeln, sondern alle seine inneren Organe zum Lachen zu bringen. Dadurch werden die positiven Effekte des Lächelns um ein Vielfaches potenziert. Jenes innere Lächeln jedoch kann nicht erzwungen werden – es kann nur dann erstrahlen, wenn das Lächeln von Herzen kommt. •