Nicht mal für Babyflaschen reicht es...
Gerd Müller bezeichnet die aktuelle Asylpolitik als zynisch und kritisiert den Egoismus vieler Staaten
Hunderttausende Flüchtlinge sind auf dem Weg nach Europa – viele von ihnen mit dem Ziel Deutschland. „Wir können nicht alle Flüchtlinge dieser Welt aufnehmen“, stellte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller gestern am Rande einer Bangladesch-Reise klar. Forderungen nach schärferen Asylgesetzen, wie sie auch innerhalb seiner Partei immer lauter werden, wies der CSU-Politiker aber zurück.
„Die Industriestaaten müssen ihrer Verantwortung in den Schwellenund Entwicklungsländern mit einem qualitativ ganz anderen Ansatz gerecht werden“, sagte Müller. Heißt: Europa muss in der Flüchtlingspolitik umdenken. Müller: „Das ist nicht nur ein innenpolitisches Thema, die Probleme können wir alleine nicht mehr bewältigen“. Vielmehr seien auch die USA und die Golfstaaten den Syrienflüchtlingen gegenüber in der Pflicht.
Die derzeitige Asylpolitik bezeichnete Müller als zynisch und beschämend. In den vergangenen drei Jahren seien in den Zeltstädten rund um Syrien 100 000 Babys geboren worden, „und die internationale Staatengemeinschaft ist nicht imstande, ihnen die Milchflaschen zu finanzieren“. Diese Grundversorgung der Kriegsflüchtlinge müsse allein schon aus humanitären Gründen ein europa- und weltweites Anliegen sein. Doch die derzeitige Flüchtlingskrise habe gezeigt, dass jedes einzelne europäische Land seinen eigenen Weg gehe und ausschließlich eigene Interessen vertrete. „Deutschland geht humanitär voraus. Sowohl bei der Aufnahme von Flüchtlingen als auch bei den Leistungen.“
Entwicklungsminister Müller forderte von der EU, zehn Prozent des Haushalts für diese seiner Ansicht nach „größte Nachkriegskrise“einzusetzen, nur so könne sich die Situation in den verschiedenen europäischen Ländern stabilisieren. Mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklungsländer – gerade auch in Afrika – warnte der Minister: „Wenn wir die Probleme nicht in den Ländern lösen, kommen sie zu uns. Millionen von Menschen werden sich aufmachen, denn sie wissen, wie und in welchem Wohlstand wir leben.“
Doch es gebe Lösungen für die Länder, sagte Müller. Den Transfer deutschem Know-hows bei den Themen ländliche Entwicklung oder Landwirtschaft nach Afrika zum Beispiel. „Die Menschen brauchen in ihrer Heimat eine Perspektive“, sagte er: Schulbildung, Ausbildungsmöglichkeiten, einen sicheren Arbeitsplatz. Zum Valetta-Gipfel Anfang November in Malta wird der Minister unter anderem neue Initiativen und Ausbildungsprogramme für Afrika und einen Vorschlag für eine bessere Bekämpfung der Schlepperkriminalität vorlegen.
Der Allgäuer Müller ist derzeit in Bangladesch unterwegs, um sich ein Bild über die Zustände in den Textilfabriken des bitterarmen Landes zu machen, das als die Nähstube der Welt gilt. Dort lassen auch die meisten deutschen Marken Bekleidung fertigen. Vor knapp einem Jahr hat Müller ein Textilbündnis aus Herstellern, Verbänden und der Politik ins Leben gerufen. Es soll nach dem Einsturz eines Fabrikgebäudes in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka Ende April 2013 mit mehr als 1100 Toten die sozialen und ökologischen Standards in den Herstellerländern sicherstellen.
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