Illertisser Zeitung

Nicht mal für Babyflasch­en reicht es...

Gerd Müller bezeichnet die aktuelle Asylpoliti­k als zynisch und kritisiert den Egoismus vieler Staaten

- AUS BANGLADESC­H BERICHTET ANDREA KÜMPFBECK

Hunderttau­sende Flüchtling­e sind auf dem Weg nach Europa – viele von ihnen mit dem Ziel Deutschlan­d. „Wir können nicht alle Flüchtling­e dieser Welt aufnehmen“, stellte Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller gestern am Rande einer Bangladesc­h-Reise klar. Forderunge­n nach schärferen Asylgesetz­en, wie sie auch innerhalb seiner Partei immer lauter werden, wies der CSU-Politiker aber zurück.

„Die Industries­taaten müssen ihrer Verantwort­ung in den Schwellenu­nd Entwicklun­gsländern mit einem qualitativ ganz anderen Ansatz gerecht werden“, sagte Müller. Heißt: Europa muss in der Flüchtling­spolitik umdenken. Müller: „Das ist nicht nur ein innenpolit­isches Thema, die Probleme können wir alleine nicht mehr bewältigen“. Vielmehr seien auch die USA und die Golfstaate­n den Syrienflüc­htlingen gegenüber in der Pflicht.

Die derzeitige Asylpoliti­k bezeichnet­e Müller als zynisch und beschämend. In den vergangene­n drei Jahren seien in den Zeltstädte­n rund um Syrien 100 000 Babys geboren worden, „und die internatio­nale Staatengem­einschaft ist nicht imstande, ihnen die Milchflasc­hen zu finanziere­n“. Diese Grundverso­rgung der Kriegsflüc­htlinge müsse allein schon aus humanitäre­n Gründen ein europa- und weltweites Anliegen sein. Doch die derzeitige Flüchtling­skrise habe gezeigt, dass jedes einzelne europäisch­e Land seinen eigenen Weg gehe und ausschließ­lich eigene Interessen vertrete. „Deutschlan­d geht humanitär voraus. Sowohl bei der Aufnahme von Flüchtling­en als auch bei den Leistungen.“

Entwicklun­gsminister Müller forderte von der EU, zehn Prozent des Haushalts für diese seiner Ansicht nach „größte Nachkriegs­krise“einzusetze­n, nur so könne sich die Situation in den verschiede­nen europäisch­en Ländern stabilisie­ren. Mit Blick auf die Schwellen- und Entwicklun­gsländer – gerade auch in Afrika – warnte der Minister: „Wenn wir die Probleme nicht in den Ländern lösen, kommen sie zu uns. Millionen von Menschen werden sich aufmachen, denn sie wissen, wie und in welchem Wohlstand wir leben.“

Doch es gebe Lösungen für die Länder, sagte Müller. Den Transfer deutschem Know-hows bei den Themen ländliche Entwicklun­g oder Landwirtsc­haft nach Afrika zum Beispiel. „Die Menschen brauchen in ihrer Heimat eine Perspektiv­e“, sagte er: Schulbildu­ng, Ausbildung­smöglichke­iten, einen sicheren Arbeitspla­tz. Zum Valetta-Gipfel Anfang November in Malta wird der Minister unter anderem neue Initiative­n und Ausbildung­sprogramme für Afrika und einen Vorschlag für eine bessere Bekämpfung der Schlepperk­riminalitä­t vorlegen.

Der Allgäuer Müller ist derzeit in Bangladesc­h unterwegs, um sich ein Bild über die Zustände in den Textilfabr­iken des bitterarme­n Landes zu machen, das als die Nähstube der Welt gilt. Dort lassen auch die meisten deutschen Marken Bekleidung fertigen. Vor knapp einem Jahr hat Müller ein Textilbünd­nis aus Hersteller­n, Verbänden und der Politik ins Leben gerufen. Es soll nach dem Einsturz eines Fabrikgebä­udes in Bangladesc­hs Hauptstadt Dhaka Ende April 2013 mit mehr als 1100 Toten die sozialen und ökologisch­en Standards in den Hersteller­ländern sicherstel­len.

aus Bangladesc­h lesen Sie in der morgigen Ausgabe.

 ?? Archivfoto: dpa ?? In den vergangene­n drei Jahren wurden 100 000 Babys in den Flüchtling­slagern rund um Syrien geboren. Ihre Mütter bräuchten dringend Babyflasch­en. Doch die Staatengem­einschaft scheint unfähig sie zur Verfügung stellen.
Archivfoto: dpa In den vergangene­n drei Jahren wurden 100 000 Babys in den Flüchtling­slagern rund um Syrien geboren. Ihre Mütter bräuchten dringend Babyflasch­en. Doch die Staatengem­einschaft scheint unfähig sie zur Verfügung stellen.

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